dbb magazin 9/2020

hintergrund Überschuldete Kommunen Kreativität gegen klamme Kassen Die Überschuldung der Kommunen ist ein Problem, das die Corona- Krise immens verschärft hat – jedoch nicht von der Pandemie verursacht wurde. Einige Kommunen haben in den vergangenen Jahren auch ihre Etats saniert, auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Drei Vorbildkommunen im Überblick. Bereits imDezember vergange- nen Jahres legte Finanzminister Olaf Scholz einen Plan vor, ge- meinsammit den entsprechen- den Bundesländern den am höchsten verschuldeten Kom- munen in Deutschland einmalig ihre finanziellen Verpflichtun- gen abzunehmen. Er ging dabei von einer Kreditsumme von knapp 40 Milliarden Euro aus, die jedoch durch die fehlenden Einnahmen aus der Gewerbe- steuer im Jahr 2020 wohl nun deutlich angewachsen ist. Von Scholz’ Plan profitieren würden vor allem Kommunen in Rhein- land-Pfalz, Hessen, Nordrhein- Westfalen und dem Saarland. Unabhängig davon gibt es je- doch für Kommunen selbst Mittel und Wege, aus den ro- ten Zahlen herauszukommen, wie es einige positive Beispiele vorgemacht haben. << Hunsrück: Energiewende sorgt für Entschuldung Einige Gemeinden im Hunsrück in Rheinland-Pfalz haben sich in den vergangenen Jahren zum Vorzeigebeispiel der Ener- giewende entwickelt – und ne- benbei ihre kommunalen Schulden abgebaut. Durch den Bau und Betrieb von 271 Wind- kraftanlagen, die fast aus- schließlich auf Gemeindege- bieten stehen, erhalten die Ortschaften sieben Millionen Euro Pachteinnahmen durch die Windkraftbetreiber. Diese Einnahmen nutzen sie wieder- um, um einerseits den Schul- denstand zu verringern – und andererseits in Straßen, Schu- len, Vereine, Spielplätze und Kindergärten zu investieren. Dadurch profitieren letztend- lich auch die Bürger von den sprudelnden Einnahmen. Über sogenannte Solidarpakte finanzieren darüber hinaus die- jenigen Gemeinden, auf deren Gebiet die Windkraftanlagen stehen, auch umliegende Kom- munen mit, deren Topografie etwa den Bau von Windrädern nicht zulässt. Das Ergebnis: Der Hunsrück ist heute nicht mehr der struktur- schwache, von Abwanderung geprägte Landstrich, der es noch vor ei- nigen Jahren war. Der Land- kreis ist wirt- schaftlich erstarkt, die Schul- den sind deutlich niedri- ger als anderswo in Rheinland- Pfalz, die Arbeitslosigkeit beträgt nur noch 3,5 Prozent. Arbeitgeber suchen nach Fach- kräften. Und auch die Akzeptanz der Windräder in der Bevölkerung ist signifikant höher als in an- deren Teilen der Bundesrepu­ blik. Der Bürgermeister etwa von Neuerkirch, der in der klei- nen Gemeinde seit 2001 für den Bau von 18 Windrädern verantwortlich zeichnet, wur- de bei der vergangenen Wahl mit 95 Prozent Zustimmung im Amt bestätigt. << Monheim: Steuern runter, Einnahmen rauf Die 40000-Einwohner-Stadt Monheim am Rhein hat sich in den vergangenen Jahren einen zweifelhaften Ruf erarbeitet. Die Kleinstadt zwischen Düs- seldorf und Leverkusen redu- zierte den Hebesatz für die Ge- werbesteuer mehrfach und schaffte es dadurch, viele neue Unternehmen anzusiedeln. Nachbarkommunen jedoch, wie etwa Oberhausen, verglei- chen diese Praktik mit der von Steueroasen in Übersee. Und in der Tat gibt es in Monheim einige so- genannte Briefkas- tenfirmen, die lediglich ihren for- malen Sitz in Mon- heim haben und weiterhin in anderen Städ- ten produzieren. Gerade in ei- ner Gegend wie der Metropol- region Rhein-Ruhr, in der es durch den Strukturwandel der vergangenen Jahrzehnte sehr viele überschuldete Kommu- nen gibt, keine sonderlich soli- darische Maßnahme. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass durch die niedrigen Steuern die ansässigen Unter- nehmen wettbewerbsfähiger sind und sich somit neue Fir- menansiedlungen in Deutsch- land eher lohnen. Zumal die Besteuerung der Unternehmen in Deutschland ohnehin meist höher ist als in den umliegen- den Staaten wie Österreich oder die Niederlande. Monheim verwendet seine neuen Einnahmen neben dem Schuldenabbau neuerdings auch dafür, seinen Bürgern ei- nen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr zu finanzieren. << Wendeburg: Infrastruk- tur lockt Unternehmen Dass es auch mit höheren Hebesätzen bei der Gewerbe- steuer möglich ist, neue Unter- nehmen anzusiedeln, beweist die niedersächsische Gemein- de Wendeburg. Die 10000 Ein- wohner zählende Ortschaft liegt mit ihrer Gewerbesteuer im oberen Viertel des Bundes- landes. Doch durch die guten Bedingungen für die Kreativ­ industrie hat sich dort unter anderem einer der größten und erfolgreichsten Blumen- versender Deutschlands etabliert. Vor Ort wird der Online-Handel organisiert, die Blumen des Unternehmens aus dem Landkreis Peine in Niedersachsen werden hinge- gen an der Grenze zu den Niederlanden versendet. Internetfirmen mit wenigen Mitarbeitern können hohe Ge- winne erwirtschaften. Daher ist eine moderne Infrastruktur heutzutage oft ein wichtiger Standortfaktor: Schnelles In- ternet und die Attraktivität gerade für junge Menschen zu erhöhen, kann also durchaus auch zur Reduzierung der Schulden beitragen. dro © InnoGames (2) 14 dbb > dbb magazin | September 2020

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