dbb magazin 7-8/2020

europa << Hintergrund Die Auswirkungen der Corona-Krise werden sich nicht auf die not- wendige Verlagerung geplanter Präsidentschaftstermine in den digitalen Raum beschränken. Bisher geplante Schwerpunkte wer- den durch die Verhandlungen über europäische Instrumente zur gemeinschaftlichen, solidarischen Bewältigung der Folgen der Pandemie überlagert, zeitlich verschoben oder gar verdrängt. Da das vom Europäischen Rat beschlossene Wiederaufbaupro- gramm zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona- Pandemie durch den EU-Haushalt abgesichert werden soll, werden die durch den Brexit ohnehin sehr schwierigen Verhandlungen über den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021–2027 komplizierter. Das Wiederaufbauprogramm soll Investitionen er- höhen, die „grüne“ Wirtschaft fördern, die strategische Autono- mie der EU stärken und die Mitgliedstaaten ökonomisch aneinan- der angleichen. Um das zu erreichen, soll ein Wiederaufbaufonds geschaffen werden, der von der EU-Kommission verwaltet wird. Unklar sind derzeit die finanziellen Beiträge der Mitgliedstaaten, aber auch, wer von Mitteln des Fonds profitieren soll. Unklar ist derzeit auch, ob Zahlungen aus dem Fonds als Zuschüsse oder nur als Darlehen gezahlt werden sollen. Deutsche EU-Ratspräsidentschaft Ein starkes Europa gegen die Krise Die Bundesrepublik Deutschland führt seit 1. Juli 2020 turnusgemäß den Vorsitz im Rat der Europä- ischen Union. Die deutsche Ratspräsidentschaft wird erheblich von der Corona-Krise geprägt wer- den. Der dbb hat die Bundesregierung aufgefor- dert, für ihre Präsidentschaft eine Reihe von As- pekten zu berücksichtigen, und seine Vorschläge in einem Positionspapier zusammengefasst. Auch in der Corona-Krise muss die Ratspräsidentschaft auf eine angemessene zivilgesell- schaftliche Beteiligung achten. Der dbb fordert die Einbezie- hung aller europäischen Sozial- partner, auch der unabhängi- gen Gewerkschaften, in die Arbeiten der Ratspräsident- schaft sowie die Möglichkeit der Beteiligung an neuen digi- talen Formaten. Dies gilt insbesondere auch für die avisierte Konferenz über die Zukunft Europas, die auf- grund der Corona-Krise nicht am 70. Jahrestag der Schuman- Erklärung (9. Mai 2020) ihre Arbeit aufnehmen konnte. Der dbb erwartet, dass die Rats­ präsidentschaft die Konferenz weiter vorbereitet, sodass ihre Ergebnisse rechtzeitig vor den Europawahlen 2024 vorliegen. Die Corona-Krise muss solida- risch bewältigt werden. Die EU-Mitglieder müssen diese Krise nutzen, um ihren Zusam- menhalt wieder zu stärken. Denn nur gemeinsam werden sie die Krisenfolgen begrenzen können. Bei der Bewältigung der Coro- na-Krise darf die Verteidigung von Demokratie und Rechts- staatlichkeit in Europa nicht vergessen werden. Das zeigen auch jüngste EuGH-Urteile. Der dbb fordert das volle Aus- schöpfen aller in den Verträ- gen vorgesehenen Mittel zur Sanktionierung von Verstößen gegen zentrale rechtsstaatliche Grundsätze. Mit Blick auf die Verhandlun- gen über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) unter- stützt der dbb einen EU-Haus- halt, der den Aufgaben der EU, wie in den Schwerpunkten der Kommission von der Leyens definiert, gerecht wird. Dabei dürfen die Mitgliedstaaten nicht finanziell überfordert werden. Deshalb wird sich der neue MFR durch ausreichend Flexibilität und Zukunftsorien- tierung auszeichnen müssen, um den absehbar größten ge- meinsamen Herausforderun- gen zu genügen. Dies impliziert strukturelle Ver- änderungen im Haushalt und auch Überlegungen zu intelli- genten neuen EU-Eigenmitteln wie etwa einer Digitalsteuer zur effektiven Besteuerung großer Online-Unternehmen oder eine Finanztransaktions- steuer, die insbesondere auch den Derivatehandel erfasst und kongruent ist mit dem Ziel der Schaffung einer digitalen Finanzmarktunion sowie gege- benenfalls eine Umweltsteuer zur Unterstützung der Ziele des europäischen Grünen Deals. Der dbb sieht die Ein­ führung einer solchen Steuer nur als nationale Börsensteuer skeptisch. Der Hochfrequenz- handel ist unbedingt in die Be- steuerung einzubeziehen. << Ökologische Transformation fördern Bei allen mit dem von den Staats- und Regierungschefs avisierten europäischen Coro- na-Wiederaufbauprogramm zusammenhängenden Fragen müssen Solidarität und Solidi- tät gleichermaßen beachtet, der Grundsatz der Subsidiarität und die europäische Kompe- tenzordnung sowie die prinzipi- ellen Ziele des Stabilitätspakts – trotz seiner aktuellen Ausset- zung – eingehalten werden. Der dbb unterstützt zweckge- bundene Solidaritätsmechanis- men und -instrumente, die mit dem europäischen Recht und dem Grundsatz der Einheit von Verantwortung und Haftung vereinbar sind, spricht sich aber gegen die Vergemein- schaftung bestehender Staats- schulden aus. Weitere große Herausforde- rungen neben der Bewältigung der durch die Corona-Maß© Colourbox.de 24 > dbb magazin | Juli/August 2020

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