dbb magazin 6/2020

interview Christoph Unger, Präsident der Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Bund und BBK sollten beim Krisen- management mehr Befugnisse erhalten dbb magazin Extremfälle und Katastrophen sind Ihr Tagesgeschäft. Wie schlägt sich Deutschland in der Corona-Krise bisher? Und wel- che Lehren konnten Sie für die Arbeit des BBK ziehen? Christoph Unger Vieles hat gut funktioniert – im internationalen Vergleich sogar sehr gut. Die Bundes- und Landesregierungen haben es in den ersten kri­ tischen Wochen geschafft, über föderale Strukturen hin­ weg überwiegend mit einer Stimme zu kommunizieren. Die große Bereitschaft in der Bevölkerung, die teils schmerzenden Beschränkun­ gen einzuhalten, zeigte es. Die vergleichsweise geringe Anzahl der bisher Verstorbe­ nen spricht dafür. Was die Arbeit meiner Behör­ de betrifft, sehe ich vorläufig drei Punkte, die wir berück­ sichtigen müssen. Erstens: Als BBK haben wir eine Pandemie-Lage ja bereits im Jahr 2007 im Rahmen un­ serer länder- und ressortüber­ greifenden Übungsreihe LÜK­ EX geübt. 2013 gab es eine weitere Übung zu einem bio­ logischen Szenario, 2012 die Risikoanalyse zu SARS. Vieles, was wir heute an Maßnahmen und Reaktionen auf die Krise sehen, war also schon gedacht und in Plänen festgehalten. Trotzdem sehen wir und müs­ sen es uns immer wieder klar­ machen, dass die „echte“ Lage dann doch anders aussieht, als wir es uns – fachlich begrün­ det – gedacht haben, und dass sie uns in ihrer Dynamik auch anders fordert. Zweitens: Wenn wir als Exper­ tinnen und Experten etwa im Rahmen unserer Risikoanaly­ sen Handlungsempfehlungen geben, müssen wir noch stär­ ker darauf drängen, dass diese unter den politisch Verant­ wortlichen zumindest disku­ tiert werden. Drittens: Wir müssen als Be­ hörden die Fähigkeit entwi­ ckeln, uns sehr viel schneller auf solche dynamischen Lagen einzustellen. Wir haben das bei der Flüchtlingskrise 2015 erlebt, nun erneut. Positiv haben wir erfahren, dass plötzlich viele Dinge gehen, die ansonsten sehr lange Zeit benötigen, Haushaltsmittel vorhanden sind, neue Rege­ lungen geschaffen werden, Verwaltungshandeln verein­ facht wird. Das gilt es zu bewahren, ohne natürlich gleichzeitig alle richtigen und wichtigen Grundsätze guten Verwaltungshandelns „über Bord zu werfen“. Die konkrete Evaluation der Krise und ihre Bewältigung ist eingeleitet, läuft aber noch. Zu Beginn der Corona-Pande- mie gab es teilweise massive Hamsterkäufe. Das BBK gibt selbst eine Broschüre zur richtigen Vorratshaltung für den Krisenfall heraus. Haben die Menschen richtig gehandelt? Bereits seit unserer Gründung 2004 empfehlen wir eine Le­ bensmittelbevorratung. Die Überlegungen dazu reichen weit in unsere Vorgängerbe­ hörden zu Zeiten des Kalten Krieges zurück. Eine wesent­ liche Aufgabe des BBK ist die Ertüchtigung der Bevölkerung zu Selbstschutz und Selbsthil­ fe. Dazu gehört aus unserer Sicht die Bevorratung mit Was­ ser und Lebensmitteln. Sie ist auf ganz unterschiedliche Kri­ senszenarien vom Unwetter bis zum Stromausfall ausge­ richtet. Denn wir müssen uns bewusst sein, dass Krisen je­ derzeit auftreten können, auch in Deutschland. Unsere Empfehlungen sind daher un­ abhängig von der aktuellen Lage durch COVID-19. Eine angemessene Bevorra­ tung hilft allerdings auch jetzt. Zum Beispiel Risikopersonen, die sich mit weniger Einkäufen seltener einem Infektionsrisiko aussetzen. Es machte und macht aber keinen Sinn, alles auf einmal oder in unnötigen Mengen anzuschaffen. Wir raten Bür­ gerinnen und Bürgern, sich den Notvorrat stückweise anzuschaffen und solidarisch zu sein. © Michael Mutzberg / BBK << Christoph Unger 4 dbb > dbb magazin | Juni 2020

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