dbb magazin 4/2020

blickpunkt Berufskrankheiten Der lange Weg zur Anerkennung Manche Berufe gehen an die körperliche Substanz, auch im öffentlichen Dienst. Pflegekräfte leiden nach langjähriger Arbeit oft an Rückenproblemen. Polizei­ beamte können sich auf veralteten Schieß- ständen vergiftet haben. Überall, wo hart gearbeitet wird, können körperliche Schäden die Folge sein. Aber nicht alle Berufskrank- heiten sind offiziell anerkannt. Eine Geset- zesnovelle soll die Anerkennung verbessern. Das Bundeskabinett hat am 18. Dezember 2019 den Ent- wurf des 7. Gesetzes zur Ände- rung des Vierten Buches Sozi- algesetzbuch (SGB IV) und anderer Gesetze beschlossen. Teil dieses umfangreichen Ge- setzes sind auch eine Reihe von Maßnahmen, mit denen das Berufskrankheitenrecht fort- entwickelt werden soll. Im Einzelnen sieht der Gesetz- entwurf folgende Maßnahmen vor: den Wegfall des Unterlas- sungszwangs – also die Aufga- be der schädigenden Tätigkeit – bei den davon betroffenen Berufskrankheiten verbunden mit einer Ausdehnung der Mit- wirkungspflichten bei Präven- tionsmaßnahmen. Größere Transparenz soll ge- schaffen werden, indem der „Ärztliche Sachverständigen- beirat Berufskrankheiten“ rechtlich verankert wird. Darü- ber hinaus soll eine personelle Aufstockung des Gremiums dafür sorgen, dass schneller über die Anerkennung neuer Berufskrankheiten entschie- den wird. Weiter sollen ein- heitliche gesetzliche Regelun- gen zur Anerkennung von Bestandsfällen bei neuen Berufskrankheiten gelten. Bestehende Instrumente zur Beweiserleichterung sollen ausgebaut und rechtlich ver­ ankert werden, zum Beispiel Arbeitsplatz- und Gefähr- dungskataster. Aufseiten der Unfallversiche- rung soll die öffentliche Bericht- erstattung gestärkt werden, ummehr Transparenz und grö- ßere Anreize zur Berufskrank- heitenforschung zu schaffen. << Reform greift zu kurz Wenn der vorliegende Gesetz- entwurf die parlamentari- schen Hürden nimmt, sollen die Regelungen am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Doch es regt sich Widerstand, denn unter anderem gehen den Ländern sowie Verbänden die Änderungen nicht weit genug. Der federführende Ausschuss für Arbeit, Integration und So- zialpolitik sowie der Gesund- heitsausschuss, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates haben dem Bun- desrat empfohlen, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen: Die Reformen im Bereich des Berufskrankhei- tenrechts seien nicht ausrei- chend und ließen einige Forde- rungen der Länder außer Acht. Unter anderem betreffe das die Ausstattung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Be- rufskrankheiten mit eigenen Finanzmitteln, um eigene For- schungsprojekte initiieren zu können. Zudem fehle eine Här- tefallregelung für Krankheiten, die wegen seltener Gefähr- dung oder einem zu kleinen Betroffenenkreis nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen werden. Außerdem fordern die Länder eine Beweislasterleichterung, weil Arbeitnehmer es bisher oft schwer haben, die nötigen Belege für den Grund ihrer ar- beitsbedingten Erkrankung zu beschaffen. Zum Beispiel, wenn ein Arbeitgeber seiner Dokumentationspflicht beim Umgang mit Schadstoffen nicht nachgekommen ist oder der Arbeitgeber schon seit Jahren nicht mehr existiert. In solchen Fällen sollten auch Plausibilitätsnachweise genü- gen, so die Forderung. Weiter wird kritisiert, dass die gesetz- liche Regelung im Bereich Prä- vention von Berufskrankhei- ten den Arbeitgeber nicht stark genug einbezieht. Zu- dem soll der Datenaustausch zwischen Trägern der gesetzli- chen Unfallversicherung und den Arbeitsschutzbehörden, die beide für Maßnahmen des Arbeitsschutzes zuständig © Colourbox.de/Syda Productions 32 dbb > dbb magazin | April 2020

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