dbb magazin 1-2/2019 - page 8

fünf fragen an
?
?
... Volker Geyer, dbb Fachvorstand Tarifpolitik, zur Einkommensrunde
für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder
Gestaltende Tarifpolitik für motiviertes Personal
1
Am 21. Januar treffen Sie
die Tarifgemeinschaft deut-
scher Länder (TdL) in Berlin zur
ersten Verhandlungsrunde. Tra-
ditionell ist diese immer schnell
zu Ende. Warum ist das so?
Das war oft so. Ein Gesetz ist
es jedoch nicht. Aber wichti­
ger als die Quantität ist mir
auch die Qualität. Nach der
ersten Runde muss beiden
Seiten klar sein, wo die Mög­
lichkeiten und Grenzen der je­
weils anderen Seite liegen.
Dann ist schon viel erreicht.
Wir als dbb werden am 21. Ja­
nuar nicht einfach nur unser
Forderungspapier verlesen,
sondern auch deutlich ma­
chen, welche Bedeutung die
einzelnen Forderungen haben.
Beispielhaft greife ich hier mal
die sogenannte Paralleltabelle
für die angestellten Lehrkräfte
heraus. Mit dieser wollen wir
die Bewertungsgerechtigkeit
grundsätzlich erhöhen. Vor
vier Jahren haben dbb und TdL
gemeinsammit dem Projekt
einer Entgeltordnung für Lehr­
kräfte begonnen. Bis dahin
hatte es so etwas noch nie
gegeben. Und wir stehen ge­
meinsam in der Verantwor­
tung, dieses Projekt erfolg­
reich zu gestalten. Das muss
den Arbeitgebern klar sein, zu­
mal die Situation in unseren
Schulen eigentlich dazu füh­
ren müsste, dass die Arbeitge­
ber die Paralleltabelle fordern
müssten.
2
In der zweiten und dritten
Verhandlungsrunde stehen
die Delegationen dann unter
hohem Erfolgs- und Zeitdruck
– zumal mit der TdL seit 2002
keine Schlichtungsvereinba-
rung mehr existiert. Wie sieht
die Arbeit hinter den Kulissen
dann konkret aus?
Zeitdruck wird es in Tarifver­
handlungen immer geben.
Würden wir mehr Runden ver­
einbaren, würde es trotzdem
zum Ende hin Zeitdruck geben.
Wir tauschen eben nicht nur
Sachargumente aus, sondern
verhandeln. Deshalb spielen
auch die Demos und Warn­
streiks zwischen den Verhand­
lungsrunden eine nicht zu un­
terschätzende Rolle. Wenn der
Arbeitgeber wahrnimmt, dass
die Beschäftigten nicht hinter
den erhobenen Forderungen
stehen und von dort kein
Druck zu erwarten ist, wird
er uns in Potsdam weniger
entgegenkommen, als wenn
er mit Druck von der Straße
oder den Medien rechnen
muss. Dass es keine Schlich­
tungsvereinbarung gibt, halte
ich auch für einen Fehler. Sol­
che Instrumente taugen deut­
lich mehr im Tarifalltag als das
unselige Tarifeinheitsgesetz.
Allerdings will die TdL derzeit
keine solche Vereinbarung.
3
Welche Bestandteile aus
dem gewerkschaftlichen
Forderungspaket werden nach
Ihrer Einschätzung den heftigs-
ten Widerstand der Arbeitge-
ber auslösen?
Das kennt doch jeder von uns,
dass die Arbeitgeber sich, so­
bald unsere Forderungen be­
kannt sind, echauffieren, was
diese Forderungen in der Sum­
me für die Landeshaushalte
bedeuten. Öffentlicher Dienst
ist personalintensiv. Bildung
ohne Lehrkräfte, Sicherheit
ohne Polizistinnen und Polizis­
ten oder Medizin ohne Pflege­
personal geht nun mal nicht.
Und längst haben auch die
Länder gemerkt, dass sie Prob­
leme bei der Besetzung ihrer
Stellen haben. Aber leider ver­
kennen viele Länder immer
noch die Möglichkeiten, die
eine gestaltende Tarifpolitik
ihnen bietet, um qualifiziertes
und motiviertes Personal zu
gewinnen. Dass eine unserer
Forderungen in besonderer
Weise auf Widerstand treffen
könnte, kann ich mir nicht vor­
stellen.
4
Bei welchen Punkten wer-
den die Gewerkschaften
aller Wahrscheinlichkeit nach
nicht mit sich handeln lassen?
Es hat bei unserer Forderungs­
diskussion am 20. Dezember in
Berlin keine Prioritätensetzung
gegeben. Man spricht ja auch
oft von einem Forderungspa­
ket. Wenn das geschnürt ist,
sind alle Forderungen mit glei­
cher Intensität zu verfolgen.
5
Es gibt immer wieder Kritik
an den vermeintlichen
„Tarif-Ritualen“. Die Verweige-
rungshaltung der Arbeitgeber
gefolgt von den Protestaktio-
nen der Beschäftigten seien
aus der Zeit gefallen, heißt es.
Wie wichtig sind Demos und
Streiks tatsächlich?
Diese Rituale werden oft be­
schworen und infrage gestellt.
Gute Alternativen werden
schon deutlich seltener ge­
nannt. Die Sozialpartnerschaft
in Deutschland funktioniert
vergleichsweise konsensual
und es macht durchaus Sinn,
Konflikte nicht einzuschrän­
ken, aber nach Regeln ablau­
fen zu lassen. Das führt zu Ri­
tualen. Aber nicht alles darf
als Ritual angesehen werden.
Unsere Entschlossenheit und
die Möglichkeit, unseren For­
derungen mit Streiks Nach­
druck zu verleihen, sind keine
Rituale. Die Arbeitgeber
schauen genau hin, wie groß
die Resonanz bei den Beschäf­
tigten ist, und erkennen auch,
welche Regionen oder Berufs­
gruppen engagiert und wel­
che zögerlich sind. Von daher
sind unsere Demonstrationen
und Streiks von großer Bedeu­
tung. Dazu gehört übrigens
auch, dass die Kommunal-
und Landesbeamten sich hin­
ter unsere Forderungen stel­
len. Die dürfen zwar nicht
streiken, aber unsere Demos
sollten sie gleichwohl unter­
stützen, denn wir wollen
schließlich, dass das Tarifer­
gebnis auch auf diese Gruppe
übertragen wird. Zeitgleich
und systemgerecht.
?
?
?
fünf fragen an ...
<<
Volker Geyer
© Dirk Guldner
8
dbb
>
dbb magazin | Januar/Februar 2019
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,...48
Powered by FlippingBook