SZ-Interview

Russ: Die Regierung zwingt die GDL in den Streik

„Es scheint der Regierung in den Kram zu passen, die GDL in diesen inszenierten Arbeitskampf zu zwingen.“ Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (Ausgabe vom 12. Dezember 2014) erklärt der Zweite Vorsitzende und Fachvorstand Tarifpolitik des dbb Willi Russ, warum er die Verantwortung für den Bahnstreik vor allem bei der Bundesregierung sieht. Und warum im Januar eine Situation entstehen könnte, gegen die alles bisherige „Kinderkram“ gewesen sei.

Nach den viel diskutierten Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bei der Deutschen Bahn in diesem Jahr laufen wieder Gespräche zwischen den Tarifpartnern. Einer der Kernpunkte des Streits war die Weigerung der Bahn, überhaupt mit der GDL über Tarifverträge für das gesamte Zugpersonal zu verhandeln. Willi Russ befürchtet jedoch, die derzeitige Ruhe sei „trügerisch“. Denn nach wie vor halte der Bahnvorstand an der Vorbedingung fest, dass kollidierende Regelungen für ein und dieselbe Berufsgruppe durch Verträge mit anderen Gewerkschaften definitiv ausgeschlossen seien. Das Verhalten sei nur damit zu erklären, dass der Bahnvorstand Zeit schinden wolle, bis das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Tarifeinheit in Kraft sei. Russ: „Der Bund ist Eigentümer der Bahn. Wenn es ihm darum ginge, diesen Konflikt zu beenden, könnte er den Vorstand ja anweisen, die Vorbedingungen endlich aufzugeben. Aber es scheint der Regierung in den Kram zu passen, die GDL in diesen inszenierten Arbeitskampf zu zwingen, den sie für ihr Gesetz gerade braucht.“

In den vergangenen Jahren habe es zwischen den Gewerkschaften bei der Bahn „große Wanderbewegungen“ gegeben. Besonders viele Zugbegleiter und Bordgastronomen seien von der im DGB organisierten EVG zur GDL gewechselt. Diese neuen Mitglieder erwarteten nun mit gutem Recht, dass die GDL und ihr Bundesvorsitzender Claus Weselsky etwas für sie erreiche. „Das macht er“, sagte Russ. „Man hört ja immer, es gehe ihm nur um seine persönliche Macht. Das ist dummes Zeug.“ Die Gewerkschaft könne nicht einfach auf das Recht verzichten, für ihre Mitglieder zu verhandeln – unabhängig von Mehrheiten. Sonst würde man sich auf die Intention des Tarifeinheits-Gesetzes einlassen. „Das werden wir niemals tun“, stellte Russ klar. Die Verabschiedung des Gesetzes durch das Bundeskabinett am 11. Dezember 2014 sei „ohnehin der schwärzeste Tag in der Geschichte der betrieblichen Demokratie in Deutschland“.

Trotz allem sei der GDL-Streik kein politischer Streik, sondern richte sich nur gegen die Bahn, macht Russ deutlich. Aber: „Die Arbeitskämpfe haben die Bahn bisher angeblich 200 Millionen Euro gekostet. So viel Geld schmeißt der Vorstand nur zum Fenster hinaus, weil er an den Seilen der Bundesregierung hängt.“ Deshalb sei es fraglich, ob „die Bahn überhaupt die Herrin über ihre eigene Position ist.“ Sollte der Vorstand seine Einstellung nicht ändern und die Vorbedingungen aufgeben, „könnte dieses Land einen der schlimmsten Arbeitskämpfe aller Zeiten erleben“. Im Vergleich zu dem, was dann bei der Bahn bevorstehe, „war alles Bisherige nur Kinderkram“.

 

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