• Foto zum Thema Gewalt gegen Frauen: Zu sehen ist eine Frau, die ihre Hand hebt und damit STOP symbolisiert.
    Keine Toleranz für Gewalt gegen Frauen: Die dbb jugend ruft zum Handeln auf. Foto: Slava Rutkovski/Colourbox

Gewalt gegen Frauen Statistik und Prävention – so will der Staat Frauen besser schützen

Welche Erkenntnisse liefern aktuelle Studien über Gewalt gegen Frauen? Und was unternimmt die Politik? Eine Bestandsaufnahme.

US-Filmproduzent Harvey Weinstein, von Gerichten wegen sexueller Gewalt gegen Frauen verurteilt. Der Skandal erschütterte Hollywood und die Welt.

Dies ist wohl das prominenteste Beispiel von sexuellem Machtmissbrauch in den vergangenen Jahren. Doch der Weinstein-Skandal bildet lediglich die Spitze des Eisbergs ab. Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist ein weltweites, ein gesamtgesellschaftliches Problem. Sie kommt überall vor. Im Privaten, im öffentlichen Raum, am Arbeitsplatz – und das unabhängig vom sozialen und finanziellen Status der Täter und betroffenen Frauen. Auch in Deutschland.

Gewalt gegen Frauen: Statistik zeigt alarmierendes Bild

  • Laut Bundesfamilienministerium erlebt jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben physische oder sexualisierte Gewalt. Manchmal auch beides. Die Täter sind oft aktuelle oder frühere Partner – durch sie erfährt ungefähr jede vierte Frau mindestens einmal körperliche oder sexualisierte Gewalt.
  • Im Jahr 2022 wurden 240.547 Menschen Opfer von häuslicher Gewalt. Das entspricht einem Anstieg um 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diese Zahlen hat das Bundesinnenministerium (BMI) im Juli bekannt gegeben. Demnach sind die Opfer überwiegend Frauen: 80,1 Prozent in Fällen von Partnerschaftsgewalt und 71,1 Prozent in Fällen von häuslicher Gewalt insgesamt.
  • Hohe Wellen geschlagen hat die Studie Spannungsfeld Männlichkeit, welche die Organisation Plan International Deutschland im Juni veröffentlicht hat. Befragt wurden junge Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren. Zentrale Ergebnisse: 34 Prozent gaben an, „dass sie gegenüber Frauen schon mal handgreiflich werden, um ihnen Respekt einzuflößen“. Und ein Drittel der Befragten findet es akzeptabel, wenn bei einem Streit mit der Partnerin „gelegentlich die Hand ausrutscht“. So alarmierend die Ergebnisse auch sind – Expert*innen haben inzwischen Zweifel an der Repräsentativität der Umfrage geäußert.
  • Aus einer Studie, an der auch der deutsche beamtenbund und tarifunion (dbb) beteiligt war, geht hervor, dass jede vierte Person im öffentlichen Dienst Gewalt durch Dritte erlebt. Also durch Menschen, die selbst nicht dem öffentlichen Dienst angehören. Ein Teilergebnis: Insgesamt sind Männer häufiger betroffen. Aber: „Die einzige Ausnahme von allen Straftatbeständen liegt bei der sexuellen Gewalt. Nur hier waren die Frauen stärker betroffen als die Männer“, heißt es in der Studie aus dem Sommer 2022. Dieses Teilergebnis bezieht sich auf den ersten von insgesamt zwei Befragungszeiträumen.

Gewalttäter dürfen nicht schnell wieder vom Radar verschwinden. Sie müssen nach dem ersten gewaltsamen Übergriff aus der Wohnung verwiesen werden.

Nancy Faeser, Bundesinnenministerin (SPD)

dbb jugend fordert mehr Prävention

Daria Abramov, stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend, fordert die Politik angesichts der Studienlage auf, schnell und entschlossen zu handeln. „Es ist jetzt absolut entscheidend, dass wir drei Dimensionen im Blick haben, gerade der öffentliche Dienst hat eine Vorbildfunktion“, unterstreicht sie. „Erstens müssen wir sexualisierte Gewalt konsequent verfolgen und bestrafen. Zweitens müssen wir alles dafür tun, um betroffenen Frauen zu helfen. Und drittens müssen wir durch Prävention dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu Taten kommt.“

Bei der Betreuung der Opfer spielen Frauenhäuser eine große Rolle – diese sind allerdings chronisch überfüllt: Correctiv hat für 13 Bundesländer analysiert, wie oft Frauenhäuser im Jahr 2022 ausgelastet waren. Ergebnis: „Vergangenes Jahr meldeten die ausgewerteten Frauenhäuser im Durchschnitt an 303 Tagen, dass keine Aufnahme möglich war. Wenn ein Platz frei wurde, war er oftmals schon nach wenigen Stunden wieder besetzt“, schreibt das Rechercheteam.

Abramov kommentiert: „Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was das für Frauen bedeutet, die akut Gewalt erleben. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen.“

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Gewalt gegen Frauen verhindern: Was die Politik unternimmt

Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation von Frauen zu verbessern, die Gewalt erfahren, das fällt in den Verantwortungsbereich von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Was die Häuser der beiden Ministerinnen jeweils planen, lässt sich grob in sechs Handlungsbereiche gliedern.

Gewerkschafterinnen hoffen auf Wandel

„Ob die Maßnahmen der Politik erfolgreich sind, wird sich zeigen“, sagt Daria Abramov. „Ich hoffe jedenfalls, dass die nächsten Statistiken wieder etwas optimistischer stimmen.“

Milanie Kreutz, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, pflichtet ihr bei. „Jeder Mensch hat das Recht auf ein gewaltfreies Leben“, betont sie. „Frauen müssen in einer Welt ohne Sexismus und Anfeindungen leben können“ – es sei ganz entscheidend, dass sich insbesondere Politik, Justiz und Arbeitgebende ihrer enormen Verantwortung bewusst sind und nicht nur reagieren, sondern von vorneherein aktiv vorbeugen und eine Kultur der Empathie fördern, eine Kultur des Respekts.

Text: Christoph Dierking