dbb Bundesvorsitzender Ulrich Silberbach:

„Eine Impfpflicht ohne Kontrolle wird zum Papiertiger“

Eine Impfpflicht kann nur mit ausreichend Personal und entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten umgesetzt werden, mahnt der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach.

„Wenn die Politik eine Impfpflicht beschließt, muss sie dafür sorgen, dass es ausreichend Personal für Kontrollen und Sanktionen gibt. Andernfalls wird der Riss in unserer Gesellschaft noch tiefer“, schreibt Silberbach in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (online am 16. Januar 2022). Im März soll der Deutsche Bundestag über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht entscheiden. Bundeskanzler Olaf Scholz will sie, gibt die Entscheidung aber frei, weil es in der FDP starke Zweifel gibt. Die Ampelkoalition hat also keine sichere eigene Mehrheit. Da CDU und CSU die Impfpflicht aber vehement fordern, gilt die Zustimmung des Parlaments als sehr wahrscheinlich.

„Aus Sicht der Beschäftigten des öffentlichen Diensts, mindestens von Polizei, Justiz, Ordnungsämtern und allgemeiner Verwaltung, stellt sich die Frage, wie eine allgemeine Impfpflicht denn überhaupt umgesetzt werden soll. Millionen Bürger sollen kontrolliert und eine möglicherweise Millionen zählende Minderheit sanktioniert werden? Deutschland ist weder personell noch bezüglich seines Digitalisierungsstandes auf eine solche Aufgabe vorbereitet“, warnt der dbb Chef. „Schon viel zu lange gibt es für viel zu viele staatliche Aufgaben zu wenig qualifiziertes Personal. Die Voraussetzungen für die Durchsetzung einer allgemeinen Impfpflicht sind nicht ansatzweise gegeben. Eine Pflicht ohne Kontrollen und Sanktionen wird ein Papiertiger bleiben. Es stellt sich also die entscheidende Frage, ob der Gesetzgeber überhaupt Gesetze erlassen sollte, bei denen von vornherein klar ist, dass sie nicht administrierbar sind.“

Die Impfpflicht wäre bei weitem nicht das erste Gesetz, so Silberbach weiter, das an seiner Umsetzung scheitere. Allzu oft würden Bund und Länder Gesetze erlassen, die zu „Wirklichkeitskollisionen“ führen und damit in ihrer Wirksamkeit verpuffen. Beispielsweise würden individuelle Leistungsansprüche formuliert, die aber aufgrund einer mangelhaften Informationspolitik weitgehend unbekannt seien und deshalb nicht wahrgenommen würden. „Immer wieder ist von Bürokratie die Rede. Die Verwaltung schafft diese aber nicht; vielmehr erleidet sie wie die Bürger schlecht gemachte Gesetze. In vielen Fällen sind solche zu wenig durchdachten Rechtsakte harmlos, manchmal amüsant, schlimmstenfalls ärgerlich. Im Falle der allgemeinen Impfpflicht wird die klaffende Lücke zwischen Regelungswunsch und effektiver Regelbarkeit aber zu einem Riss werden, der mitten durch die Gesellschaft geht“, warnte der dbb Bundesvorsitzende.

Seit Jahren sei eine immer stärkere Verrohung der Gesellschaft sowie zunehmende verbale und physische Übergriffe gegen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu beobachten. „Wie würde sich die allgemeine Impfpflicht in dieser Hinsicht auswirken? Ihre rechtlichen Grundlagen mögen zweifelsfrei und verfassungsfest zu schaffen sein. Wie aber werden sich Kontrollen und Sanktionierungen auf die längst überbordende Aggression und Gewaltbereitschaft von Teilen der Bevölkerung auswirken? Wer schützt die Kollegen des öffentlichen Dienstes, wenn sie Mitmenschen gegenübertreten, die den Staat für eine dunkle Macht halten, gegen die es sich in ihrem völlig verzerrten Weltbild mit allen Mitteln zu verteidigen gilt? Auf diese Fragen muss die Bundesregierung, müssen alle Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht klare und verbindliche Antworten liefern“, forderte Silberbach. „Findet die Politik keine überzeugenden Antworten, muss sie von der allgemeinen Impfpflicht lassen und andere Wege finden, die Ängstlichen und Zögernden zu überzeugen.“

 

zurück