Einkommensrunde 2019

Dritte Verhandlungsrunde startet - Silberbach: Schaffen die Länder sich ab?

„Die Bundesländer arbeiten offensichtlich daran, sich selbst abzuschaffen“, warnte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach die Arbeitgeberseite direkt vor Beginn der entscheidenden dritten Runde der Einkommensverhandlungen für die Landesbeschäftigten am 28. Februar 2019 in Potsdam.

„Aufgaben bleiben unerledigt, Kompetenzen wandern zum Bund, Stellen werden gestrichen oder befristet, Investitionen ins eigene Personal nur noch als Kostenrisiko dargestellt. Die Bezahlung ist im Vergleich zu Bund und Kommunen nicht mehr konkurrenzfähig – von der Privatwirtschaft ganz zu schweigen. Der öffentliche Dienst der Länder wird sehenden Auges vor die Wand gefahren. In dieser Einkommensrunde muss endlich gegengesteuert werden“, forderte Silberbach.

In den nächsten zehn Jahren gehen 25 Prozent, in 20 Jahren die Hälfte der Landesbeschäftigten in den Ruhestand. „Deshalb lassen sich strukturelle und lineare Verbesserungen auch nicht verrechnen. Wenn wir jetzt nicht flächendeckend die Einkommen spürbar erhöhen und die Attraktivität des Landesdienstes stärken, werden wir das später bitter bereuen und teuer bezahlen“, warnte der dbb Chef die Arbeitgeber.

Volker Geyer, der dbb Vize und Fachvorstand Tarifpolitik ergänzte: „In 2018 haben die Länder einen Finanzüberschuss von über 11 Milliarden Euro erzielt. Das Geld für Nachwuchssicherung und gleichzeitige Stärkung der Binnenkonjunktur ist also da. Eine zukunftsweisendere Politik gibt es nicht und das ist es was die angestellten und beamteten Kolleginnen und Kollegen im Landesdienst erwarten. Das haben sie mit den Warnstreiks und Protestaktionen der letzten Wochen sehr deutlich gemacht.“

Damit bezog sich Geyer auch auf die massive Warnstreikwelle, die an den vorangegangenen Tagen über das Land gerollt war. Am 27. Februar 2019 gingen über 10.000 Beschäftigte des öffentlichen Landesdienstes im Norden und Osten der Republik auf die Straße. „Das Land Bremen spielt mit dem Feuer: Wenn es seine Beschäftigten weiterhin so schäbig behandelt, werden die Kolleginnen und Kollegen es mit den Stadtmusikanten halten: ‚Etwas Besseres finden wir überall‘ – besserzahlende Arbeitgeber wie der Bund oder die Kommunen gibt es schließlich auch hier in erreichbarer Entfernung“, sagte der dbb Landesvorsitzenden in Bremen, Jürgen Köster. Der niedersächsische dbb Landeschef Martin Kalt ergänzte: „Wir hören immer nur, alles wäre gut. Jeder hat Verständnis für unsere Belange. Aber mit Verständnis und vermeintlicher Wertschätzung in Sonntagsreden können wir die Miete nicht bezahlen und kommen auch im Supermarkt an der Kasse nicht weit. Im Vergleich zu Bund und Kommunen hat Niedersachsens Landesdienst ganz erheblichen Aufholbedarf. Insbesondere im Beamtenbereich brennt die Hütte.“

In Schwerin forderten die Teilnehmenden einer zentralen Kundgebung die Landesregierung zum Handeln auf. „Die Arbeitgeberseite hat zwei Verhandlungsrunden lang nur gemauert und Zeit vergeudet, statt ein vernünftiges Angebot vorzulegen. Das ist eine aktive Demonstration der Mechanismen, die zur Demotivation der Beschäftigten im öffentlichen Dienst führen“, kritisierte der dbb Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Dietmar Knecht.

Ebenfalls landesweit hatte der dbb Landesbund in Thüringen die Beschäftigten zu Mittagspausenaktionen vor den jeweiligen Dienststellen aufgerufen. Bei einer Protestaktion vor dem Finanzministerium in Erfurt kam es auch zu einem kurzen Austausch mit Landesfinanzministerin Heike Taubert. Ihr überreichte der dbb Landesvorsitzen Helmut Liebermann symbolisch eine Taschenlampe. „Damit Sie den Weg zur Tarifeinigung endlich finden können“, erklärte er bei der Übergabe

Am 26. Februar 2019 waren besonders Nordrhein-Westfalen, Bayern und das Saarland von den Protestaktionen betroffen. Alleine in Düsseldorf gingen über 10.000 Beschäftigte für höhere Einkommen auf die Straße. Der dbb Landeschef in NRW, Roland Staude, wies auf die drängenden Probleme bei der Nachwuchs- und Fachkräftegewinnung hin. „Die Kolleginnen und Kollegen leisten einen wertvollen Dienst für die Gesellschaft und genau diese Sinnhaftigkeit suchen viele junge Menschen. Das reicht aber nicht. Wir müssen verlässliche Perspektiven, gute Karrierechancen und nicht zuletzt ordentliche Einkommen bieten. Das gilt natürlich für die Tarifbeschäftigten und die Beamtenschaft gleichermaßen.“

Auch an einer Demo in Nürnberg beteiligten sich über 1.700 Beschäftigte. Helene Wildfeuer, die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, machte dort die gesellschaftspolitische Dimension der Tarifverhandlungen deutlich: „Es sind vor allem die vielen Frauen im öffentlichen Dienst, die als Erzieherinnen oder als Kranken- und Altenpflegerinnen einen gewaltigen Dienst an der Gesellschaft leisten.“

Der Vorsitzende des dbb saar, Ewald Linn, betonte auf der zentralen Kundgebung in Saarbrücken vor rund 2.000 Demonstranten: „Unser Ziel in dieser Einkommensrunde bleibt, den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen.“ Die Länder hätten in den letzten Jahren nur ihre Haushalte saniert und dabei vergessen ins Personal zu investieren. Nun liefen sie Gefahr, im Wettbewerb um die besten Köpfe ins Hintertreffen zu geraten.

Hintergrund

Von den Verhandlungen über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sind insgesamt rund 3,3 Millionen Beschäftigte betroffen: Eine Million Tarifbeschäftigte der Länder (ohne Hessen, das nicht Mitglied der TdL ist und gesondert Verhandlungen führt), für die der TV-L direkte Auswirkungen hat, sowie rund 2,3 Millionen Beamte und Versorgungsempfänger in Ländern und Kommunen (ohne Hessen), auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll, um den Gleichklang der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung im öffentlichen Dienst zu gewährleisten. Am 28. Februar 2019 wollen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber nun zum vorerst letzten Verhandlungstermin erneut in Potsdam treffen.

Der dbb fordert

Erhöhung der Tabellenentgelte um 6 Prozent, mindestens 200 Euro; Erhöhung der Ausbildungs- und Praktikantenentgelte um 100 Euro; Erhöhung der Pflegetabelle zusätzlich um 300 Euro; Wiederinkraftsetzung der Vorschrift zur Übernahme von Auszubildenden; Schaffung von Regelungen über die Ausbildungsbedingungen von Studierenden in ausbildungs- / praxisintegrierten dualen Studiengängen.

 

 

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