dbb Spitze zum Tarifkonflikt bei der Bahn: Jetzt über Inhalte verhandeln

Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn sollte jetzt über Inhalte statt über Verfahrensfragen verhandelt werden. Dafür sind Klaus Dauderstädt, Bundesvorsitzender des dbb, und Willi Russ, Zweiter Vorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik, eingetreten. In einem Doppelinterview des „dbb magazin“ (Ausgabe Dezember 2014) erinnerten beide daran, dass es im Kern der Auseinandersetzung „ausschließlich um tarifliche Verbesserungen“ für die von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) vertretenen Berufsgruppen geht.

„Über diese Inhalte wurde jedoch noch gar nicht verhandelt, weil die Bahn die Gespräche über einen Tarifvertrag für die genannten Berufsgruppen mit der Begründung verweigerte, dass man kein Nebeneinander von verschiedenen Tarifverträgen wolle. Diese Verweigerungshaltung der Bahn führte zur Eskalation der Tarifverhandlungen und das trotz der Tatsache, dass dieses Nebeneinander in vielen Unternehmen gängige Praxis ist“, machte Willi Russ klar.

Er erinnerte daran, dass sich die GDL seit Jahren auch für das Zugbegleitpersonal geöffnet habe, „weil es bei diesen Beschäftigten offensichtlich ein starkes Bedürfnis nach einer anderen Vertretung ihrer Interessen gab. Das ist auch absolut legitim, schließlich ist die sogenannte Koalitionsfreiheit im Grundgesetz verankert. Diesen neuen Mitgliedern will die GDL natürlich gerecht werden und einen Tarifvertrag mit der Bahn für sie abschließen. Leider verweigerte die Bahn zunächst die Aufnahme von Gesprächen darüber.“ Russ fügte hinzu: „Entscheidend ist, dass die GDL von ihren Mitgliedern den Auftrag bekommen hat, für diese Berufsgruppen zu verhandeln. Dem darf sich die Bahn nicht verweigern. Punkt aus.“

„Niemand hat Spaß an diesem Streik“, sagte Klaus Dauderstädt zu den teils heftigen Reaktionen der Öffentlichkeit auf den Streik der GDL. „Für viele Bürgerinnen und Bürger – und damit natürlich auch für die Mitglieder unserer Fachgewerkschaften – ist dieser Arbeitskampf mit Nachteilen verbunden. Viele Menschen sind auf die Bahn angewiesen; Wer nicht zur Arbeit kommt, die Kinder nicht zur Kita bringen kann oder den lange geplanten Urlaub nicht antreten kann, ist nachvollziehbar verärgert.“

Über die Ausgestaltung eines Streiks lasse sich immer streiten, so Willi Russ: „Aber, um es mal platt zu sagen: Ein Streik ohne Wirkung ist nur ein Betriebsausflug. Und die Arbeitsgerichte in Frankfurt am Main haben in zwei Instanzen entschieden, dass die Verhältnismäßigkeit des Streiks gegeben und er damit legal ist. Die GDL hat ja auch nicht leichten Herzens gesagt ‚Wir streiken jetzt mal eben vier Tage‘. Das war ein längerer Prozess, in dem es anfangs wesentlich kürzere Streiks gab. Allerdings hat sich die Bahn als Arbeitgeber in dieser Zeit in den wesentlichen Punkten nur zum Schein bewegt, eine Ausweitung der Streiks war entsprechend die logische Konsequenz.“

Der dbb Chef nahm auch Stellung zu Medienvorwürfen, Claus Weselsky, der sowohl GDL-Chef als auch stellvertretender dbb Bundesvorsitzender ist, gehe es nur um Machtfragen. „Wenn es hier um Machtfragen geht, dann hat die nicht Claus Weselsky gestellt“, sagte Dauderstädt und weiter: „Mit welchem Recht verweigert die Bahn wesentlichen Teilen ihrer Belegschaft, von einer von den Beschäftigten selbst gewählten Gewerkschaft vertreten zu werden? Mein Eindruck ist, dass sich die Presse ziemlich auf die Person Claus Weselsky eingeschossen hat. Sicherlich: Seine Wortwahl wäre auch nicht immer die meine. Aber was da teilweise vorgefallen ist, etwa dass das Foto von seinem Privathaus oder seine Telefonnummer veröffentlicht wurden, das geht deutlich zu weit.“

Dass der dbb Streikgeldunterstützung an im Arbeitskampf stehende Mitgliedsgewerkschaften zahle, sei richtig. „Dies gilt innerhalb der dbb-Familie als solidarisches Grundprinzip, das jede Gewerkschaft in Anspruch nehmen kann. Allerdings gibt es dafür klare Regeln, die in der sogenannten Streikgeldunterstützungsordnung festgelegt sind. Eine Auszahlung erfolgt ausschließlich auf Beschluss der zuständigen dbb-Gremien im jeweiligen Einzelfall und nur dann, wenn es bei den Streikenden nachweislich zu Abzügen durch den Arbeitgeber gekommen ist. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass der Aktionsfonds, aus dem die Unterstützung kommt, nicht aus den Beiträgen der Mitglieder gefüllt wird, sondern ein unabhängiges Sondervermögen darstellt.“

Die Solidarität mit dem Anliegen, für eigene Mitglieder eigene Tarifverträge zu bekommen, sei in den Gremien des dbb sehr hoch, so Dauderstädt. Er wünsche sich aber eine baldige Lösung und führe hinter den Kulissen Gespräche, um aus dieser verfahrenen Situation herauszukommen. „Als dbb Chef habe ich natürlich auch die Interessen der anderen Mitgliedsgewerkschaften zu berücksichtigen und letztlich haben wir als Gesamtverband auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung.“ Klar sei aber, „dass wir als dbb nicht gegen ein Gesetz zur Tarifeinheit sein können, das unsere elementarsten Interessen berührt, und gleichzeitig unbeteiligt danebenstehen, wenn ein Arbeitgeber versucht, eine unserer Mitgliedsgewerkschaften mit den gleichen Mitteln ins Abseits zu stellen. Hier dürfen wir nicht schweigen. Im Sinne der Mitglieder, im Sinne der Fachgewerkschaften und im Sinne des gesamten dbb: Hier ist Solidarität gefragt.“

 

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