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Corona-Pandemie: Sondersitzung der Kultusministerkonferenz

Am 5. Januar 2022 hat sich die Kultusministerkonferenz (KMK) zu einer Sondersitzung getroffen, um über den Umgang mit der Corona-Pandemie im Schulbetrieb nach den Feiertagen zu beraten – insbesondere mit Blick auf die sich schnell ausbreitende Omikron-Variante.

Bereits im Vorfeld forderte Susanne Lin-Klitzing, die Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands (DPhV): „Wir brauchen einen Stufenplan, der sich an Inzidenz, Impfquote und Hospitalisierungsrate orientiert und je nach Lage vor Ort entsprechend umgesetzt werden kann. So sind Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte und Eltern vorbereitet, geeignete Maßnahmen werden planbar und es wird mehr Vertrauen in politische Schulentscheidungen geschaffen.“ Dazu gehöre auch ein Plan, der festhält, bis zu welchem Quarantäne-Prozentsatz von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern weiter „voller Präsenzunterricht“ geleistet werden kann. Einheitliche Kriterien schützten außerdem auch vor politischen Alleingängen in einzelnen Bundesländern und gewährleisteten trotzdem ein regional angepasstes Handeln. Lin-Klitzing: „Gerade in einem Jahr, in dem vier Landtagswahlen anstehen, sollte die Corona- und Schulpolitik kein Wahlkampfinstrument sein. Wir erwarten von den Kultusministerinnen und -ministern stattdessen vorausschauendes und verantwortungsbewusstes Handeln im Sinne der Kultushoheit der Länder.“

Gleichzeitig wies die DPhV Chefin darauf hin, dass die Vorbereitungen für den Präsenzunterricht immer noch nicht gut genug sind: „Wir brauchen ausreichend FFP2-Masken, niedrigschwellige Impfangebote für Schülerinnen und Schüler mit Beratung für die Eltern, Booster-Angebote für die Lehrkräfte und PCR-Tests für die Schulgemeinden, dreimal die Woche. Da an den Schulen weiterhin regelmäßig gelüftet werden muss, wäre es neben weiteren Maßnahmen gut, wenn nachts die Heizungstemperatur nicht mehr abgesenkt wird, damit die Schulgebäude nicht auskühlen und eine höhere Grundtemperatur trotz Lüften alle 20 Minuten erhalten bleibt.“ Lin-Klitzing wiederholte außerdem die Forderung, die Bedingungen für Distanzunterricht zu verbessern. „Bei der derzeitigen Lage müssen sowohl die Bedingungen für den Präsenzunterricht als auch für einen möglichen Distanzunterricht von den Kultusministerinnen und Kultusministern verbessert werden – und zwar schnell. Außerdem muss das Programm zum Aufholen nach Corona endlich wirksam ausgestaltet werden, damit diejenigen Schülerinnen und Schüler, die in den Distanzunterricht müssen, bestmöglich gefordert und gefördert werden“, so Lin-Klitzing.

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), zeigte sich im Anschluss an die KMK-Sitzung von den Ergebnissen enttäuscht: „Dass die KMK erneut keine klaren Standards definiert, welche Maßnahmen bei einem bestimmten Infektionsgeschehen zu ergreifen sind, sondern die Verantwortung an die Schulen abschiebt, ist ein Armutszeugnis. Schulleiterinnen und Schulleiter sind keine Virologinnen und Virologen und sollten keine entsprechenden Entscheidungen treffen müssen. Es ist unbestritten, wie wichtig Präsenzunterricht für die kognitive und sozial-emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist und welche Entlastung hierdurch für Eltern gegeben ist. Aber zu einem Unterricht vor Ort gehört auch, dass alle, die mit Schule in Berührung kommen, ausreichend geschützt werden. Dies sicherzustellen, ist in den letzten fast zwei Jahren weitgehend versäumt worden. Jetzt sind wir aufgrund des dynamischen Infektionsgeschehens wieder an einem Punkt, wo uns die bereits vor der Pandemie von der Politik verweigerten angemessenen Investitionen in Personalausstattung, Infrastruktur und digitale Ausstattung auf die Füße fallen können. Anstatt Verantwortung zu übernehmen, flüchtet sich die KMK in Plattitüden und Anregungen, ohne konkrete Vorschläge zu machen. Die Frage, wie belastbare Testoffensiven bei der herrschenden Überlastung in den Schulen, Gesundheitsämtern und Laboren durchgeführt werden können, bleibt offen. Auch wie man dem verstärkten Lehrkräftemangel, der durch zunehmende Quarantäneanordnungen entsteht, Rechnung tragen will, fand leider keine Beantwortung.“

Der VBE forderte vor dem Hintergrund der steigenden Infektionszahlen, schnell und beherzt den wissenschaftlichen Empfehlungen der Expertinnen und Experten zu folgen. „Die Schulen brauchen klare Richtlinien für den Umgang mit Infektionen. Anhand der Inzidenzen, der Hospitalisierungsrate und der Impfquote aber auch der räumlichen Situation, müssen endlich transparente bundeseinheitliche Regeln her, an denen sich alle Gesundheitsämter orientieren müssen. Ein bestimmtes Infektionsgeschehen muss konkrete, ausgewogene und realisierbare Maßnahmen nach sich ziehen. Der Dienstherr muss Schulleitungen hier vollumfänglich zur Seite stehen. Die Wahrung von Mindestabständen ist in der überwiegenden Zahl der Schulen angesichts von zu kleinen Räumen für zu große Klassen nicht einhaltbar. Dauerlüften bei winterlichen Temperaturen birgt ein zusätzliches Gesundheitsrisiko für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte. Dass die zurückliegenden Monate nicht konsequent genutzt wurden, um Luftfilteranlagen und Luftreiniger zu installieren, kommt erschwerend hinzu. Schulen ‚von oben‘ zu sicheren Orten zu deklarieren, obwohl man im Sommer nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat, macht mich fast sprachlos“, so Beckmann.

Auch Joachim Maiß, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB), hatte bereits am Vortag der KMK-Sitzung deutliche Worte gefunden. Noch immer halte die Politik einzig an den AHA-L-Regeln fest, um das Virus im Schulalltag zu bändigen und die Schulen offen zu halten. „Das ist absurd. Drohende Schulschließungen kommen einem Versagen der Politik gleich und können verhindert werden. Dafür muss nur das zur Verfügung stehende Instrumentarium konsequent genutzt werden. Selbst wenn mit Omikron der Schrecken der Pandemie verfliegen könnte, weil das Virus nicht so gefährlich, aber deutlich ansteckender ist und so das Infektionsgeschehen endemisch wird, bleibt die Gefahr für eine Erkrankung in den nächsten Wochen groß. Wenn dann immer mehr Kolleginnen und Kollegen in Folge von Impfdurchbrüchen erkranken und damit ausfallen, stoßen die beruflichen Schulen an ihre Funktionsgrenzen. So kollabiert das System, weil Unterricht nicht mehr erteilt werden kann. Das ist nur zu verhindern, wenn alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um berufliche Schulen endlich zu einem sicheren und zugleich technisch zukunftsfähigen Ort zu machen“, so Maiß.

Präsenzunterricht sei für die Berufsbildner elementar und könne auf Dauer nicht durch reinen Distanzunterricht ersetzt werden. „Aber im Falle eines Falles muss guter Distanzunterricht möglich sein. Die nach wie vor mangelnde digitale Ausstattung an den Schulen, die fehlende Gigabitanbindung in der Fläche und Datenschutzprobleme offenbaren, dass Deutschland nach wie vor ein digitales Entwicklungsland ist und nicht darauf vorbereitet ist, überall guten Distanzunterricht gewährleisten zu können. Dieser ist aber nötig, wenn Lehrkräfte in großer Zahl ausfallen oder Quarantänemaßnahmen greifen. Angesichts der Tatsache, dass das griechische Alphabet noch einige Buchstaben mehr zur Verfügung hat als bisher durch Virusvarianten belegt sind, ist der Handlungsdruck mehr als gegeben“, so der BVlB-Chef.

 

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