Neue Studie zu Gewalt

BMI und Gewerkschaften wollen mehr Sicherheit für Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Anlässlich der Veröffentlichung einer neuen Studie zu Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes haben dbb Chef Ulrich Silberbach und Katja Karger, die Vorsitzende vom DGB-Bezirk Berlin-Brandenburg, gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser am 24. Juni 2022 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Berlin-Mitte besucht, die von ihren eigenen Gewalterfahrungen berichteten.

Die von dbb und DGB mitgetragene Studie wurde 2020 vom Bundesinnenministerium beim Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung (FÖV) in Speyer in Auftrag gegeben. Sie trägt erstmals vorhandenes Datenmaterial zusammen und ist in diesem Umfang einmalig. Insgesamt wurden über 10.000 Beschäftigte und mehr als 1.600 Behörden (exklusive Polizei) befragt. 23 Prozent der Beschäftigten gaben an, bereits Gewalterfahrungen gemacht zu haben, 12 Prozent erlebten sogar mehrere Vorfälle innerhalb eines Jahres. Dabei unterscheidet sich das Aufkommen stark nach Beschäftigungsbereich: Während bei Feuerwehr, Rettungskräften, Justizvollzug und Ordnungsamt sogar ein Drittel der Beschäftigten innerhalb eines Jahres eine Gewalterfahrung machen mussten, sind es bei Beschäftigten in der Sozial- und Arbeitsverwaltung weniger als 10 Prozent. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Die Zahlen sind während der Corona-Pandemie – mit Ausnahme bei Beschäftigten in der Bildungs- und Sozialverwaltung – angestiegen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser kommentierte die Studienergebnisse: „Einer von vier Beschäftigten im öffentlichen Dienst hat schon Gewalt erlebt. Das ist das erschütternde Ergebnis einer Befragung von mehr als 10.000 Beschäftigten. Mein Austausch mit von Gewalt Betroffenen hat meine Entschlossenheit nur noch verstärkt: Wir müssen mehr tun, um die Menschen zu schützen, die unser Land jeden Tag am Laufen halten – ob auf dem Amt oder als Retter in der Not. Das gebietet die Fürsorgepflicht für die Beschäftigten. Und das ist eine Frage des Schutzes unserer Demokratie vor Verrohung, Hass und Gewalt. Wichtig ist, jeden Übergriff ernst zu nehmen, zu melden und zur Anzeige zu bringen. Hier darf es keine falsche Scham und keine Hürden geben. Die Täter müssen hart verfolgt werden – und die Betroffenen brauchen Unterstützung. Wir werden uns mit den Gewerkschaften gemeinsam für eine bessere Gewaltprävention und einen besseren Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einsetzen.“

dbb Chef Ulrich Silberbach betonte: „Die Daten bestätigen unsere langjährigen Forderungen nach einer systematischen Erfassung der Angriffe auf die Beschäftigten und der Methoden der Prävention, Reaktion und Nachsorge. Es muss aufhören, dass die Ahndung der Fälle weitgehend volatilen Bewältigungsmustern vor Ort folgt. Neben dem breiten Konsens, dass eine Attacke auf Repräsentantinnen und Repräsentanten des Staats ein Angriff auf unsere demokratischen Institutionen und Werte und damit auf uns alle ist, brauchen wir bundesweit umfängliche einheitliche Handlungsempfehlungen, um die Kolleginnen und Kollegen nachhaltig zu schützen. Und ihnen in dem Fall, der dann trotz bestmöglicher Prävention doch eintritt, konsequent und sofort zur Seite zu stehen. Die belegte hohe Dunkelziffer muss uns alle alarmieren. Es kann nicht angehen, dass attackierte Beschäftigte Vorfälle nicht anzeigen, weil sie sich von ihren Vorgesetzten ohnehin keine Unterstützung versprechen. Wenn der Stellenwert des Themas Gewalt gegen Bedienstete mit jeder Hierarchieebene abnimmt, ist das schlicht ein Skandal. Auch da müssen wir ran – mit entsprechenden Fortbildungen und der Entwicklung von Leitfäden. Auch die Erkenntnis, dass Gefährdungsbeurteilungen einen vergleichsweise niedrigen Verbreitungsgrad besitzen, obwohl die Behörden zu ihrer Durchführung und Umsetzung der Ergebnisse gesetzlich verpflichtet sind, muss dringend aufgearbeitet werden“, forderte der dbb Chef.

Friedhelm Schäfer, dbb Vize und Fachvorstand Beamtenpolitik, untermauerte im Vorfeld der Fachtagung zur Veröffentlichung der FÖV-Studie „Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes“ am 24. Juni 2022 in Berlin die dbb Forderungen nach einem effektiveren Schutz der Beschäftigten vor jeglicher Form von Gewalt. „Die Sicherheit der Menschen im öffentlichen Dienst muss für alle Dienst- und Arbeitgebenden oberste Priorität haben. Wer will, dass der Staat verlässlich funktioniert, muss sich schützend vor diejenigen stellen, die ihn tragen.“ Von Politik und Gesellschaft, aber ebenso von den Führungskräften im öffentlichen Dienst erwarte der dbb deutlich mehr Respekt und Rückhalt. „Beleidigungen, Bedrohungen, Körperverletzungen, sexuelle Gewalt, Mord – es gibt leider nichts, was Kolleginnen und Kollegen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht schon wiederfahren ist. Die nun vorgelegten Zahlen machen endgültig klar, dass dringender Handlungsbedarf für konkrete Präventions-, Schutz- und Nachsorgemaßnahmen besteht“, so Schäfer, zumal die Beschäftigten nur rund 30 Prozent der Übergriffe überhaupt meldeten. „Dieser hohen Dunkelziffer müssen wir uns in naher Zukunft widmen und der weit verbreiteten Auffassung und Erfahrung, dass Anzeigen ohnehin nichts bringen, mit konkreten Maßnahmen entgegenwirken. Es muss in Zukunft allgemein klar sein, dass es null Toleranz bei Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und der privatisierten Bereiche gibt.“

Einen vollständigen Bericht der Fachtagung sowie weitere Informationen gibt es auf dbb.de.

 

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