Arendes: Bologna mutiger umsetzen

„Zehn Jahre nach Änderung des Hochschulrahmengesetzes im August 2002 ist Bologna in Deutschland immer noch Stückwerk, viele Hauptziele sind bisher noch nicht oder nur ungenügend erreicht worden“, zieht Josef Arendes, Bundesvorsitzender des Verbands Hochschule und Wissenschaft (vhw) Bilanz. Die Reform sei nur halbherzig umgesetzt worden.

Mehr Wissen in weniger Zeit zu vermitteln, mit einer knapperen Mittelausstattung, das ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit.“ Allerdings sei die Entwicklung der letzten Jahre nicht nur negativ gewesen. Durch die Bologna-Reform ist die Qualität von Studienstruktur, Studienorganisation und Studien- und Lehrkultur in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. „Mittlerweile wird auch europäisch über die Qualität von Hochschulbildung diskutiert, Erfahrungen über Grenzen hinweg ausgetauscht“, so Arendes.

Die Bologna-Reformen sollten die Hochschullandschaft in Europa vergleichbar machen und die Mobilität von Lehrenden und Lernenden erhöhen. „Nach wie vor gibt es nicht genug Austausch. Der Hohe Zeitdruck hat es für alle sogar schwerer gemacht, für ein Semester oder eine Forschungsperiode ins Ausland zu gehen. Hier müssen wieder mehr Freiräume geschaffen werden“, so Arendes. Vergleichbarkeit sei wichtig, aber diese dürfe sich nicht nachteilig auf die Qualität der Bildung ausüben. „Wissenschaft darf nicht nur unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Verwertbarkeit betrach-tet werden. Erfolge sind nicht immer sofort messbar.“

Die Hochschule müsse künftig wieder verstärkt als wichtiger Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden. „Unter Bologna hat die Vielfalt gelitten. Studenten schließen heute teilweise in kürzester Zeit ihr Studium ab und starten danach direkt in ihr Berufsleben. Es gibt viel weniger Platz für hilfreiche Umwege oder Quereinsteiger“, erklärte Arendes. Aber auch diesen müsste die Chance auf einen Hochschulabschluss gegeben werden. „Bologna sollte helfen, Vielfalt in der Bildung bei gleichzeitiger Vergleichbarkeit zu schaffen. Derzeit ist beides noch nicht vollständig verwirklicht. Die Vorteile der Reform können nicht wirken.“

Arendes fordert ein Umdenken, um Europa für Studenten aller Wissenschaftsbereiche attraktiver zu machen. „Es kann nicht sein, dass Seminarräume aus allen Nähten plat-zen, ein Dozent hunderte Studenten direkt betreuen soll und dann zusätzlich noch ein Turbostudium erwartet wird“, so der vhw-Vorsitzende. „Das Verhältnis von Lehrenden zu Lernenden muss wieder deutlich verbessert werden, sonst leidet darunter langfristig die Qualität des Wissenschaftsstandorts Deutschland.“ Den Universitäten sei durch die Bologna-Reformen eine deutlich höhere Belastung auferlegt worden, die nicht durch zusätzliche Mittel aufgefangen worden sei. „Eine hochwertige Hochschulbildung ist die Grundlage eines kulturell, wissenschaftlich und wirtschaftlich erfolgreichen Landes.“

Für die kommenden Monate und Jahre sei es deshalb nun wichtig, den Reformprozess weiter an der Realität zu messen und nötige Korrekturen vorzunehmen. Eine hochwertige Bildung, mit europaweit einheitlichen Qualitätsstandards sei durchaus möglich. „Bildung erfordert immer ein gewisses Maß an Flexibilität. Diese ist auch im Bologna-Prozess dringend gefragt“, fordert Arendes. „Europa ist auch aus dem Hochschulleben nicht mehr wegzudenken, aber bei der praktischen Umsetzung muss nachgebessert werden.“

 

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