11. dbb bundesfrauenkongress: Plädoyer für gleiche Berufschancen von Frauen und Männern

Mit einem gemeinsamen Plädoyer für gleiche Einstiegs- und Aufstiegschancen von Frauen und Männern im Beruf haben der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt und die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung Helene Wildfeuer am 8. Mai 2015 den 11. dbb bundesfrauenkongress in Potsdam eröffnet. 370 Delegierte aus Mitgliedsgewerkschaften und Landesbünden des dbb sind zu der zweitägigen Veranstaltung (bis 9. Mai) unter dem Motto „Erfolgsfaktor Zukunft: Frauen und Männer – gemeinsam stark!“ zusammengekommen.

Bundesfrauenkongress

Das Solidaritätsprinzip sei nicht nur Grundlage jedes gewerkschaftlichen Wirkens, „es gehört auch in die Arbeitswelt als partnerschaftliches Miteinander“, sagte Wildfeuer. Die gezielte Karriereförderung, um mehr gut qualifizierte Frauen im öffentlichen Dienst in Führungspositionen zu bringen, sei eine vorrangige Aufgabe der Politik, so Helene Wildfeuer weiter. „Dabei muss der öffentliche Dienst mit gutem Beispiel vorangehen und darf nicht hinter den Regelungen für die Privatwirtschaft zurückstehen.“ Die bestehende Entgeltlücke – im öffentlichen Dienst: acht Prozent – müsse endlich geschlossen werden: „Deshalb fordern wir Gender Budgeting als Handlungsprinzip auch für die Staatsfinanzen einzuführen. Durch geschlechtergerechte Haushaltspläne kann sichergestellt werden, dass die finanziellen Mittel allen, Männern und Frauen, Jungen und Alten gleichermaßen und bedarfsgerecht zu Gute kommen. Deshalb können und wollen wir nicht verstehen, warum Gender Budgeting für die Bundesregierung kein Thema ist“, wandte sich die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung an die anwesenden Regierungsvertreter, Staatssekretär Dr. Ralf Kleindiek (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und Cornelia Rogall-Grothe (Bundesministerium des Innern).

Weil es so schön war. Die öffentliche Veranstaltung des 11. dbb bundesfrauenkongress vom 8. Mai 2015 in Potsdam im Film:

Auch dbb Chef Klaus Dauderstädt verwies auf die noch immer bestehenden Einkommensunterschiede. Das von der Bundesregierung geplante Entgeltgleichheitsgesetz könne nur einige Rahmenbedingungen ändern. „Was nicht gelöst wird, sind die eigentlichen Ursachen unterschiedlicher Bezahlung.“ So seien die Tarifparteien in der Pflicht, abweichende Bewertungen typischer Frauen- und Männerberufe innerhalb der Tätigkeitsmerkmale – wie etwa jetzt bei den Kitas – anzupacken. „Gravierender sind aber häufiger noch die Karriere-Brüche, die bei Frauen auftreten, wenn sie durch Kindererziehung oder Pflege genötigt sind, Pausen im Beruf einzulegen oder auf Teilzeit zu wechseln“, so der dbb Chef. „Wenn wir also über Vereinbarkeit von Familie und Beruf reden, dann ist das vor allem ein Thema, das Frauen betrifft, und das werden wir bei unseren Aktivitäten in der Demografie-Strategie der Bundesregierung nicht aus den Augen verlieren. Mit Blick auf die sogenannte Mütterrente unterstrich der Bundesvorsitzende die dbb-Auffassung, dieses Thema sei nicht zu den Akten gelegt: „Was mit dem Rentenversicherungs-Leistungsverbesserungsgesetz für Tarifbeschäftigte eröffnet wurde, darf auch Beamtinnen und Beamten ernsthaft nicht verweigert werden.“ Vehement bekräftigte Dauderstädt die Ablehnung des anstehenden Tarifeinheitsgesetzes „Der dbb steht nicht für Einheitsgewerkschaft“, sagte er. Sollte das Gesetz kommen, werde sich das Bundesverfassungsgericht damit befassen müssen. „Wir sind gerüstet, und wir werden in Karlsruhe obsiegen.“

Staatssekretär Ralf Kleindiek reagierte auf Wildfeuers Appell, tätig zu werden, mit der Ankündigung, die Bundesregierung beabsichtige, durch ein „Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit“ mehr Transparenz zu schaffen. „Darin geht es sowohl um mehr Transparenz in den Lageberichten großer Kapitalgesellschaften, wie auch um einen individuellen Auskunftsanspruch für alle Beschäftigten und um die Einführung von Verfahren, nach denen die Unternehmen Entgeltdiskriminierung erkennen und beseitigen können. Hier wollen wir Regelungen für den öffentlichen Dienst mit einbeziehen“, versprach Kleindiek. Der Staatssekretär verkündete zudem, dass sein Ministerium das Vorhaben von Arbeitsministerin Andrea Nahles unterstütze, ein flexibles Rückkehrrecht aus Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung zu schaffen, das insbesondere die Einkommensmöglichkeiten und Karrierechancen von Frauen deutlich verbessern könne. „Es gibt viele Gründe über die Bewertung von Frauenarbeit nachzudenken. Wir müssen in allen Branchen, in denen vorwiegend Frauen arbeiten, überprüfen, ob die Bewertungen dieser Berufe noch zeitgemäß sind: Die Beschäftigen, beispielsweise in der frühkindlichen Bildung oder in der Pflege, tragen große Verantwortung, stehen unter enormer Belastung, sehen dies aber leider nicht auf ihren Lohnzetteln“, sagte Kleindiek.

„Ich finde es wichtig, dass Frauen und Männer gleiche Chancen haben“, startete Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe ihr Grußwort, in dem sie die Entwicklung der Frauenförderung in den Bundesministerien der vergangen drei Jahrzehnte beleuchte. „Als ich in den 1970er Jahren im Bundesministerium des Innern (BMI) anfing, gab es dort keinerlei Gleichstellungsmaßnahmen. Inzwischen haben sich die Rollenbilder stark zu Gunsten einer Partnerschaftlichkeit verändert. Dennoch ist es wichtig, dass der öffentliche Dienst in seiner Funktion als Taktgeber weiter lebendige Vorbilder schafft, an denen sich junge Frauen oder auch Migranten und Migrantinnen orientieren können.“ Noch hinke der auch der öffentliche Dienst hinter seinen eigenen Ansprüchen hinterher, und dass dürfe nicht so bleiben: „Wir müssen uns um qualifizierte Frauen bemühen, sonst werden wir die Auswirkungen des demografischen Wandels ungebremst zu spüren bekommen“, sagte Rogall-Grothe.

Die Journalistin Bascha Mika legte den Delegierten des dbb bundefrauenkongresses in ihrem Impulsvortrag eine bewusst provokative Frage vor: Die Geduld der Frauen in Sachen Gleichstellung scheine ihr unendlich: „Wann reicht es uns denn wirklich?“ Sie zitierte den Soziologen Ulrich Beck, der gesagt habe, in Deutschland gebe es beim Thema Emanzipation eine große verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre. „Unter der Oberfläche treiben die alten Verhaltensweisen ihr hässliches Unwesen und alte Rollenmuster werden beibehalten. Seit den 70er Jahren reden wir über Lohngleichheit: mir ist das alles viel zu langsam! Doch warum ist das so? Weil wir in Deutschland zwar kein Erkenntnisproblem haben, sondern ein Umsetzungsproblem, was die Strukturen betrifft.“ Aus ihrer Sicht dürfe nicht immer nur über die Frauen geredet werden, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehe, betonte Mika. Dieses Thema betreffe beide Geschlechter gleichermaßen, Männer müssten sich für Kindererziehung und Pflege genau so verantwortlich fühlen wie ihre Partnerinnen. „Wir Frauen müssen uns aber auch selbst in den Blick nehmen. Wir stellen uns gerne ein Bein, in dem wir durch die Selbstverständlichkeit, mit der wir in Teilzeit gehen und uns für die Familie verantwortlich fühlen, das System am Leben halten.“

Zu dem Tagungsmotto „Erfolgsfaktor Zukunft: Frauen und Männer gemeinsam stark!“ fand zum Abschluss der öffentlichen Veranstaltung eine Podiumsdiskussion statt. Unter der Moderation der Journalistin Tanja Samrotzki diskutierten Dr. Martina Kloepfer (BundesKongress GenderGesundheit), Martin Rosowki (Vorsitzender Bundesforum Männer), Monika Schulz-Strelow (Präsidentin FidAR e.V.) und Henrike von Platen (Präsidentin Business and Professional Women BWP).

Eröffnungsfilm des 11. dbb bundesfrauenkongress 2015 „Erfolgsfaktor Zukunft: Frauen und Männer gemeinsam stark!“

 

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