dbb magazin 4/2024

BLICKPUNKT Gesundheitskosten Vermeiden geht vor Kürzen Die Kosten für unser Gesundheitssystem laufen aus dem Ruder. Dabei sind die Einsparpotenziale bei Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Krankenhäusern gering. Zudem befeuern Inflation, demografischer Wandel, medizinisch-technischer Fortschritt und der Fachkräftemangel die Misere. Um die Kostenexplosion zu dämpfen, sollten Prävention und Rehabilitation gefördert werden. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung lagen im Jahr 2022 bei insgesamt knapp 290 Milliarden Euro. Den größten Teil machten die Kosten für stationäre Versorgung aus. Insgesamt mussten hierfür 88 Milliarden Euro aufgebracht werden. Mit jeweils knapp 50 Milliarden Euro folgten die Ausgaben für Arzneimittel sowie für die ambulante ärztliche Versorgung. Diese Kosten sind im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von 6,7 Prozent im Jahr 2017 auf 7,1 Prozent im Jahr 2022 gestiegen. Auch die privaten Krankenversicherungen hatten im Jahr 2022 mit rund 40 Milliarden Euro bei deutlich weniger Versicherten einen erheblichen Aufwand für Gesundheitsausgaben zu tragen. Zum 1. Januar 2024 haben zahlreiche Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge erhöht. Finanzierungslöcher werden derzeit nur noch durch ein Abschmelzen der Finanzreserven der Krankenversicherungen und durch die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gestopft – dabei sind die Finanzpolster begrenzt, und die Ausgaben steigen weiter. Ambulante und stationäre Versorgung Auch wenn die Ärztedichte in ländlichen Regionen zu gering ist, besteht in der ambulant-ärztlichen Versorgung wenig Einsparpotenzial. Aus der Politik werden bereits erste Forderungen laut, die Praxisgebühr wieder einzuführen oder die Konsultation des Hausarztes einem direkten Besuch beim Facharzt vorzuschalten. Bei allen datenschutzrechtlichen Bedenken kann die elektronische Patientenakte zu Einsparungen beitragen, da sie sämtliche Gesundheitsinformationen der Patientinnen und Patienten enthält und damit unnötige Doppeluntersuchungen zu vermeiden hilft. Während Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach immer noch mit den Ländern um die Reform der stationären Versorgung ringt, treten die finanziellen Probleme der Kliniken immer deutlicher zutage. Das System der Fallpauschalen war ursprünglich eingeführt worden, um die Krankenhäuser zu mehr Wirtschaftlichkeit zu zwingen. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Konzeption nicht ideal war und es zahlreiche negative Anreizeffekte gab, die letztlich zulasten des Personals und der Patienten gingen. Die sogenannte Klinikreform muss die Bundesländer bei den Investitionskosten in die Verantwortung nehmen. Hier hat sich ein Investitionsstau im hohen zweistelligen Milliardenbereich aufgebaut, der einen großen Beitrag zur finanziellen Misere der Häuser geleistet hat. Die in einem ersten Schritt bereits eingeführte Möglichkeit für Krankenhäuser, Tagesbehandlungen anzubieten, ist ein richtiger Schritt zu mehr Kosteneinsparung und zu Entlastungen des Pflegepersonals. Eine bessere Vernetzung von ambulanter und stationärer Versorgung kann zu mehr Effizienz führen. In diese Richtung sollte weiter gedacht werden, ohne jedoch die Patientensicherheit zu gefährden. Unabhängig von der Krankenhausreform müssen Patienten besser vor unnötigen Eingriffen und Mehrfachuntersuchungen geschützt werden – zum Patientenwohl und für Kosteneffizienz. Der Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung vor operativen Eingriffen kann dabei nur ein Anfang sein. Arzneimittelausgaben und Prävention Die bisher gefahrene „Geiz ist geil“-Strategie ist bei der Arzneimittelversorgung nicht aufgegangen. Versorgungsengpässe bei Medikamenten beispielsweise im Bereich der Reserveantibiotika, der Fiebersäfte für Kinder oder auch der Narkosemittel in den Operationssälen zeigen, dass die Versorgungssicherheit gefährdet ist, wenn der Fokus zu sehr auf Billigimporten aus dem Ausland liegt. Für mehr Unabhängigkeit müssen wieder mehr Arzneimittel in der EU produziert werden. Damit die Arzneimittelkosten nicht weiter aus dem Ruder laufen, bedarf es einer Reform der Foto: Colourbox.de 28 INTERN dbb magazin | April 2024

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