dbb magazin 4/2024

dbb magazin Öffentliche Finanzen | Spielräume erhalten Interview | Dr. Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Bundesimmobilien | Die Vermieter 4 | 2024 Zeitschrift für den öffentlichen Dienst

STARTER 16 8 TOPTHEMA Öffentliche Finanzen AKTUELL NACHRICHTEN Bund stoppt Besoldungsanpassung: Gesetzentwurf auf Eis 4 Beamte: Verfahren zur Bundesbeihilfe wird vereinfacht 5 TARIFPOLITK Einkommensrunde TV-H: Hessen zieht mit anderen Bundesländern gleich 6 MITBESTIMMUNG Personalratswahlen 2024: „Es geht um viel“ 7 INTERVIEW Dr. Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes: Wir ersticken in Vorschriften und Bürokratie 8 FOKUS DOSSIER ÖFFENTLICHE FINANZEN Länderfinanzausgleich: Finanzgeflecht mit Konfliktpotenzial 12 Kommunale Finanzen: Wie ausgeglichen ist der Ausgleich? 14 Bundesimmobilien: Die Vermieter 16 Korruptionsbekämpfung: Deutschland muss noch konsequenter handeln 19 Behördenneugründung BBF: Mehr Schlagkraft gegen Finanzkriminalität? 20 ONLINE Rechtssicherheit für Big Data und künstliche Intelligenz: Datenschürfen in der Grauzone 22 D21-Digital-Index: Digitaler Skeptizismus 24 Nachgefragt bei Prof. Dr. Doris Weßels: KI wird unser Leben gravierend verändern 26 INTERN BEAMTE Beamten Basics – Fragen und Anworten: Ruhestand, Hinzuverdienst und Versorgung 27 BLICKPUNKT Gesundheitskosten: Vermeiden geht vor Kürzen 28 EUROPA Kurzinterview mit Ralf Fücks, Zentrum Liberale Moderne: „Demokratisches Selbstbewusstsein statt Furcht“ 32 Impressum 36 KOMPAKT Gewerkschaften 44 22 Staatsfinanzen aus dem Gleichgewicht Die Staatseinnahmen werden im Jahr 2025 wahrscheinlich die Eine-Billion-Grenze übersteigen. Dennoch sorgt die Mittelverteilung in Deutschland immer wieder für Kontroversen. Auch die Positionen zum Umgang mit alten und neuen Staatsschulden gehen auseinander, denn das Geld reicht nach wie vor nicht, um alle staatlichen Aufgaben zu erfüllen und gleichzeitig Spielräume für Daseinsvorsorge, Investitionen und Innovationen beizubehalten. Der Tragfähigkeitsbericht 2024 des Bundesfinanzministeriums nährt die Sorgen: Ohne politische Gegenmaßnahmen und die Einhaltung der Schuldenbremse könnte die Staatsverschuldung bis zum Jahr 2070 auf bis zu 345 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Strukturelle Veränderungen werden unausweichlich sein. Der Sachverständigenrat für Wirtschaft hat Vorschläge zur Anpassung der Schuldenbremse gemacht, um die Flexibilität zu erhöhen und die Stabilität der Staatsfinanzen zu wahren. Unter anderem empfehlen die Wirtschaftsweisen die Einführung einer Übergangsphase nach Notlagen: Nachdem die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse angewendet worden ist, soll das zulässige strukturelle Defizit über der normalen Regelgrenze liegen dürfen, muss aber Jahr für Jahr zurückgeführt werden. Eine weitere Empfehlung ist, die Regelgrenze für das jährliche strukturelle Defizit in Abhängigkeit von der Schuldenstandsquote zu staffeln. Die Maßnahmen sollen die Schuldenbremse zugunsten fiskalischer Spielräume weicher greifen lassen. Die Politik muss die Herausforderungen annehmen und volkswirtschaftliche Vernunft über parteipolitische Differenzen stellen. Es steht weit mehr auf dem Spiel als das politische Ansehen einzelner Gruppen. br Model Foto: Astrid Gast/Colourbox.de 28 AKTUELL 3 dbb magazin | April 2024

NACHRICHTEN Bund stoppt Besoldungsanpassung Gesetzentwurf auf Eis Der Gesetzentwurf, mit dem die Besoldung endlich auch auf Bundesebene verfassungskonform werden sollte, wird von der Ampel nicht weiterverfolgt. Der dbb übt daran scharfe Kritik. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Ausgabe vom 18. März 2023) berichtet, dass die Regierungskoalition sich immer noch „uneins über die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Reform der Beamtenbesoldung“ sei und der Referentenentwurf, der bereits im Januar 2023 vorgelegt wurde, deshalb „regierungsintern nicht weiterverfolgt werde“. Während alle Bundesländer bereits auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) reagiert und ihre Besoldungsgesetze angepasst haben, ist auf Bundesebene damit weiterhin keine Lösung in Sicht. Auch Abgeordnete der Ampelparteien kritisieren den Stillstand. Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach übte in der Zeitung wegen des Vorgangs scharfe Kritik an der Bundesregierung und insbesondere an Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Sie verlangt zu Recht Verfassungstreue von den Beamten, hält sich aber als Verfassungsministerin selbst nicht an die Entscheidungen des Verfassungsgerichts.“ Der dbb werde diese Untätigkeit nicht akzeptieren und behalte sich auch juristische Schritte vor. „Das Bundesverfassungsgericht kann nicht hinnehmen, dass die Bundesregierung seine Vorgaben ewig ignoriert“, so der dbb Chef. _ Erleichterungen für pflegende Angehörige Der dbb macht sich für pflegende Angehörige stark und schlägt eine steuerfinanzierte Entgeltersatzleistung vor. Bundesfamilienministerin Lisa Paus hatte anlässlich des Equal Care Day und des Weltfrauentags bekräftigt, dass pflegende Angehörige dringend stärkerer Unterstützung bedürfen. „Gemeinsam mit vielen weiteren Verbänden und Interessenvertretungen sind wir als Mitglied im unabhängigen Beirat zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf in Vorleistung getreten: Wir haben ein Modell einer steuerfinanzierten Entgeltersatzleistung entworfen und Empfehlungen abgegeben, wie die Situation für die Betroffenen verbessert werden kann“, sagte dbb Chef Ulrich Silberbach am 8. März 2024 in Berlin. Entsprechende Handlungsempfehlungen habe der dbb der Ministerin im vergangenen Sommer übergeben. Nun sei die Politik am Zug und müsse liefern. Wenn die Ministerin erkläre, innerhalb der Bundesregierung bereits mit Hochdruck daran zu arbeiten, die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf zu verbessern, sei das eine starke Aussage. „Wir nehmen die Ministerin beim Wort, denn bei allen notwendigen Einsparungserfordernissen darf nicht vergessen werden: Pflegende Angehörige haben nahezu keine Lobby. Hier sehen wir uns als gewerkschaftlicher Dachverband in der Pflicht, denn Pflege betrifft uns alle und sollte als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden.“ Eine steuerfinanzierte, konzeptionell an das Elterngeld angelehnte Entgeltersatzleistung sei ein richtiger und wichtiger Schritt, um die finanziellen Einbußen durch eine temporäre Freistellung abzumildern. „Wichtig ist es uns auch, die Pflege daheim geschlechtergerechter zu verteilen. Hierzu gibt es vielversprechende Ansätze und wir stehen bereit, diese zu unterstützen, wenn es um die Umsetzung geht.“ Dabei dürfe es nicht nur um Geld gehen. Auch eine Erweiterung des derzeitigen Angehörigenbegriffs, der eine wichtige Leistungsvoraussetzung in der Pflege darstelle, sei erforderlich. Silberbach: „Warum sollen nicht auch Personen, die in einem besonderen Näheverhältnis zum pflegebedürftigen Menschen stehen, eingebunden werden und Leistungen erhalten? Jetzt heißt es, den Worten Taten folgen zu lassen und die entsprechenden, im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben umzusetzen.“ Pflege und Beruf Model Foto: Colourbox.de © CC BY-SA 3.0 de/Rainer Lück 4 AKTUELL dbb magazin | April 2024

Beamte Verfahren zur Bundesbeihilfe wird vereinfacht Digitale Unterstützung in Gesundheit und Pflege, weiterentwickelte Leistungen, mehr Flexibilität: All das soll mit den neuen Regelungen kommen. Bei einem Beteiligungsgespräch im Bundesministerium des Innern und für Heimat am 20. Februar 2024 hat sich der dbb zum beamtenrechtlich eigenständigen, leistungsfähigen und transparenten System der Beihilfe sowie seiner systemgerechten Weiterentwicklung bekannt. Im Entwurf zur 10. Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung stehen viele Verfahrensvereinfachungen, digitale Gesundheits- und Pflegeunterstützungen sowie Weiterentwicklungen in den Leistungen im Mittelpunkt. Moderne digitale Technologien bieten vielfältige Unterstützung bei Krankheit und Pflege, die Beihilfeberechtigte im Alltag unterstützen können. „Besonders die Regelungen zur Vereinfachung der Abwicklung der Beihilfe bewerten wir positiv. Das ist wichtig, weil eine zügige und rechtssichere Abwicklung der Beihilfeleistungen ein zentraler Erfolgsfaktor ist“, sagte der Bundesvorsitzende des BDZ Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft, Thomas Liebel, der für den dbb an der Anhörung teilgenommen hatte. Dazu gehören nach Ansicht des dbb unter anderem die vorgesehenen einfacheren Antragsverfahren sowie die Verlängerung der Antragsfrist auf drei Jahre. Zusätzlich zu den geplanten Verbesserungen bei Heilmitteln fordert der dbb in diesem Bereich, langfristig eine konkurrenzfähige Kostenerstattung sicherzustellen und die Beträge gegebenenfalls zu dynamisieren. Liebel: „Seit der Änderungsverordnung vom Dezember 2019 ist einige Zeit vergangen. Während der Pandemie bestand schneller Handlungsbedarf, Vorgriffsregelungen haben das Beihilferecht weiterentwickelt. Viele der in dieser Zeit erfolgten guten und sinnvollen Anpassungen und Neuregelungen finden jetzt Einzug in die Bundesbeihilfeverordnung, was der dbb uneingeschränkt unterstützt.“ Die Änderungsverordnung soll im April in Kraft treten. _ Lehrkräftebildung braucht klare Standards Die dbb Bildungsgewerkschaften haben am 14. März 2024 in Berlin aktuelle bildungspolitische Herausforderungen mit den Mitgliedern der Kultusministerkonferenz (KMK) diskutiert. Vor dem Hintergrund des eklatanten Lehrkräftemangels lag der Fokus des diesjährigen Gesprächs auf der Lehrkräftebildung. „Die erstklassige Ausbildung unserer Lehrkräfte ist von entscheidender Bedeutung für den Bildungserfolg und die gesellschaftliche Teilhabe unseres Nachwuchses“, stellte die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Simone Fleischmann fest und kritisierte die fortschreitende Deprofessionalisierung der Lehrerausbildung. „Dieser schleichende Prozess gibt allen Anlass zur Sorge. Gerade in Zeiten des Lehrkräftemangels ist es fatal, die Qualitätsstandards in der Lehrkräftebildung abzusenken und die Bildungsqualität weiter zu gefährden.“ Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende der dbb Fachkommission Schule, Bildung und Wissenschaft, betonte: „Die Zweiphasigkeit der akademischen Ausbildung, ein Vorbereitungsdienst von idealerweise 24 und mindestens 18 Monaten sowie das grundsätzliche Festhalten am Zwei-Fach-Lehramtsstudium sind elementare Qualitätspfeiler in der Lehrkräftebildung, an denen nicht gerüttelt werden darf. Ein duales Studium im Sinne der Einphasigkeit lehnen wir entschieden ab.“ Angesichts des mangelbedingten Quer- und Seiteneinstiegs in den Lehrerberuf fordert sie zudem, dass nicht grundständig ausgebildete Lehrkräfte eine Weiterqualifikation durchlaufen, die sie auf das Niveau eines Masterabschlusses oder eines Staatsexamens mit einem anschließenden Referendariat qualifiziert. Fleischmann ergänzte: „Die Bildungsqualität kann nur gesteigert werden, wenn es der Politik gelingt, die Attraktivität und Qualität der Lehrkräftebildung zu verbessern. Dafür stehen wir beim dbb ein.“ Im Jahresgespräch mit der KMK bringen die dbb Bildungsgewerkschaften aktuelle Themen, Probleme und Lösungsansätze in die politische Debatte ein. Der aktuelle Austausch hat mit der Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Bildungsministerin des Saarlandes, Christine Streichert-Clivot (SPD), und zahlreichen weiteren Kultusministerinnen und -ministern der Länder stattgefunden. Jahresgespräch mit der Kultusministerkonferenz Gerlinde Kohl, Bundesvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft, Simone Fleischmann, stellvertretende Bundesvorsitzende des dbb und Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot, Gabriela Kasigkeit (DPhV), Ralf Neugschwender, Vorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer, und Pankraz Männlein, Bundesvorsitzender des Bundesverbands der Lehrkräfte für Berufsbildung (von links). © dbb Model Foto: Colourbox.de AKTUELL 5 dbb magazin | April 2024

TARIFPOLITIK Einkommensrunde TV-H Hessen zieht mit anderen Bundesländern gleich Einkommensplus für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Hessen: Der dbb hat sich am 15. März 2024 nach drei Verhandlungsrunden mit dem Land auf ein Tarifergebnis geeinigt, das den Abschluss des Tarifvertrages für die Länder (TV-L) vom Dezember 2023 im Wesentlichen nachzeichnet. Es war ein zähes Ringen, doch letztlich haben wir den Arbeitgeber überzeugt, den öffentlichen Dienst in ganz Hessen aufzuwerten und dadurch dessen Attraktivität dauerhaft zu sichern“, fasste dbb Tarifchef und Verhandlungsführer Volker Geyer die Verhandlungen in Bad Homburg zusammen. „Wir haben ein Ergebnis erzielt, mit dem die Beschäftigten spürbar mehr im Geldbeutel haben. Damit dieser Mehrwert nicht gleich von der Inflation wieder aufgefressen wird, haben wir zudem einen kräftigen Inflationsausgleich ausgehandelt.“ Der Tarifvertrag Hessen (TV-H) bleibe eine harte Währung, betonte Geyer. „Neben den spürbaren linearen Erhöhungen, die für die Beschäftigten in diesen schweren Zeiten essenziell sind, bin ich vor allem sehr zufrieden damit, dass wir das Land davon überzeugen konnten, die Entgeltordnung anzupacken und zeitnah die Gespräche dazu aufzunehmen. Das ist eine gute Nachricht und schafft Perspektive.“ In der Entgeltordnung ist festgeschrieben, nach welchen Merkmalen Beschäftigte in der Entgelttabelle eingruppiert werden. Heini Schmitt, Landesvorsitzender des dbb Hessen, ergänzte: „Dass Innenminister Roman Poseck die Übertragung auf Besoldung und Versorgung zugesichert hat, begrüßen wir ausdrücklich. Wir werden das in den kommenden Wochen im Detail ausarbeiten.“ Die Erhöhung der Entgelte für Auszubildende und Praktikanten habe ebenfalls eine große Signalwirkung. „Auch auf diese Weise sichern wir uns die Nachwuchskräfte, die wir im öffentlichen Dienst dringend brauchen.“ Vor der entscheidenden dritten Runde hatten die Beschäftigten in Hessen ihre Forderungen landesweit mit Demonstrationen und zum Teil mit Warnstreiks unterstrichen, unter anderem in Kassel, Fulda, Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden und Bad Homburg. Analog zur Einkommensrunde TV-L hatten sie 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 500 Euro gefordert. Das Tarifergebnis gilt für rund 45 000 Arbeitnehmende und indirekt knapp 120 000 Beamtinnen und Beamte sowie 95 000 Versorgungsempfängerinnen und -empfänger, auf die das Tarifergebnis übertragen werden soll. _ > Ein steuer- und sozialabgabenfreier Inflationsausgleich in Höhe von 3 000 Euro (dreistufige Auszahlung: spätestens Mai 2024, Juli 2024 und November 2024) > Ab dem 1. Februar 2025 Erhöhung der Tabellenentgelte um 200 Euro (Sockelbetrag) > Ab dem 1. August 2025 Erhöhung der Tabellenentgelte um 5,5 Prozent (Anpassung des Erhöhungsbetrags auf 340 Euro, wo dieser Wert nicht erreicht wird) > Ausbildungs- und Praktikantenentgelte: Erhöhung ab 1. Februar 2025 um 100 Euro und ab 1. August 2025 um 50 Euro > Jahressonderzahlung: bis Entgeltgruppe 8 erhöht auf 90 Prozent, ab Entgeltgruppe 9a erhöht auf 60 Prozent > Zeitgleiche und systemkonforme Übertragung der Einkommensverbesserungen auf Beamtinnen und Beamte sowie auf Versorgungsempfängerinnen und -empfänger > Vertragslaufzeit: 24 Monate bis 31. Januar 2026 Mehr: dbb.de/einkommensrunde Die Eckpunkte der Einigung Konstruktiv vor der dritten Verhandlungsrunde: dbb Tarifchef Volker Geyer, der Vorsitzende des dbb Hessen, Heini Schmitt, und Roman Poseck, Innenminister von Hessen (von links). © Friedhelm Windmüller (2) 6 AKTUELL dbb magazin | April 2024

MITBESTIMMUNG Personalratswahlen 2024 „Es geht um viel“ – dbb Gewerkschaften wählen Im Jahr 2024 werden im öffentlichen Dienst neue Personalräte und überwiegend auch neue Jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt – beim Bund, in den Jobcentern sowie in den Ländern Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach wendet sich mit einem Appell an alle Stimmberechtigten, die ihre Personalvertretungen noch zu wählen haben. Es geht um viel. Die Herausforderungen, die die neu zu wählenden Personalvertretungen angehen müssen, sind nicht kleiner geworden. Die Krisen der vergangenen Jahre und die berechtigte Erwartung, dass die öffentliche Verwaltung auch unter erschwerten Bedingungen reibungslos funktioniert, setzen den öffentlichen Dienst täglich einer großen Belastungsprobe aus. Dazu haben der Fachkräftemangel und die problematische demografische Entwicklung inzwischen den Verwaltungsalltag erreicht. Es fehlt an Personal, das die Aufgabenlast mitträgt. In manchen Verwaltungsbereichen ist die Grenze des Machbaren erreicht. Hinzu kommt die Notwendigkeit, die Digitalisierung der Verwaltung zur besseren Erfüllung der Aufgaben der Verwaltung voranzutreiben und im gleichen Zuge die veränderten Erwartungen der Beschäftigten an die Balance zwischen Arbeit, Familie und Freizeit zu erfüllen. Hier profilieren sich die Personalvertretungen: Sie stehen Ihnen in Ihrem dienstlichen Alltag kompetent mit Rat und Tat zur Seite, sei es für Sie als Person, sei es für die Gesamtheit der Beschäftigten. Sie setzen sich unter anderem ein für: > flexible Arbeitszeitregelungen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege > den Ausbau und eine flexiblere Handhabung von Tele- und mobiler Arbeit > eine Einbindung der Erfahrung und Kompetenz der Beschäftigten bei der Planung der Digitalisierung von Arbeitsprozessen > einen den Aufgaben angemessenen Personalaufwuchs > den Abbau belastender Mehrarbeit und Überstunden > eine gerechte Verteilung von Qualifizierungs- und Fortbildungsmöglichkeiten > gerechte Bezahlungsstrukturen > einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz Die Ausbildung und Motivation junger Beschäftigter ist entscheidend für die Qualität der Aufgabenerfüllung der öffentlichen Verwaltung von morgen. Die jungen Beschäftigten brauchen Sicherheit für ihre Lebensplanung von heute. Darum haben sie ein Anrecht darauf, dass sich jemand für ihre Interessen starkmacht und sich nach der Ausbildung für ihre Übernahme einsetzt. Das ist die gemeinsame Aufgabe von Personalräten sowie Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Ihre Stimme entscheidet darüber, welche Ihrer Kolleginnen und Kollegen in den kommenden vier Jahren Ihre Interessen gegenüber den Arbeitgebern vertreten. Ihre Stimme gibt den Personalvertretungen das für Verhandlungen mit den Dienststellenleitungen notwendige Gewicht. Machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch! Entscheiden Sie sich für eine sachliche und sachverständige Personalratsarbeit und wählen Sie die Kandidatinnen und Kandidaten der dbb Gewerkschaften! Mit kollegialen Grüßen Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender © Fotolia AKTUELL 7 dbb magazin | April 2024

INTERVIEW Dr. Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Wir ersticken in Vorschriften und Bürokratie Den Substanzverlust bei Straßen, Schulen, Sportstätten und öffentlichen Gebäuden in den Gemeinden beziffert der DStGB auf derzeit rund 13 Millionen Euro pro Tag. Das sind mehr als 4,7 Milliarden pro Jahr, die zum ebenfalls von Ihrem Verband errechneten Investitionsstau von rund 166 Milliarden hinzukommen. Wie schätzen Sie den Finanzbedarf in den kommenden zehn Jahren ein und wie können die Finanzierungslücken geschlossen werden? Der Finanzierungsbedarf in den Kommunen in den kommenden Jahren ist immens. Bei den von Ihnen genannten Zahlen handelt es sich um Geld, das uns fehlt, um überhaupt den Status quo zu halten. Das bedeutet, dass wir es jetzt schon nicht schaffen, die Schulen, Straßen oder Sportstätten in einem guten Zustand zu erhalten. In den kommenden Jahren stehen aber noch große Investitionsbedarfe an, etwa bei Klimaschutz und Klimaanpassung, beim Umbau der Energieversorgung, im Mobilitätsbereich oder für die Digitalisierung. Um diese Lücken zu schließen, brauchen wir eine deutlich bessere Finanzausstattung der Kommunen und mehr Unterstützung durch Bund und Länder. Wichtig ist zudem, dass die Politik nicht immer neue, teure Leistungsversprechen abgibt, die wir dann nicht umsetzen können. Neben hohen Aufwendungen für die Daseinsvorsorge haben viele Kommunen mit Altschulden zu kämpfen. Was bedeutet das für die Handlungsspielräume der betroffenen Gebietskörperschaften? Die Kommunen, die von hohen Altschulden betroffen sind, haben kaum noch Handlungsspielräume. Vielfach steht vor Ort kein Geld für die kommunale Selbstverwaltung oder die sogenannten freiwilligen Leistungen mehr zur Verfügung. Das bedeutet, dass keine Unterstützung für Vereine, den Sport oder Kultur mehr möglich ist. Fehlende Handlungsspielräume sind eine Gefahr für die lokale Demokratie. Wo nichts mehr zu gestalten ist, fehlt auch die Motivation, sich ehrenamtlich in den Stadt- oder Gemeinderäten zu engagieren. Der Länderfinanzausgleich ist ein Schlüsselinstrument für die Finanzierung von Ländern und Kommunen. Besonders bei den Geberländern sorgt die Verteilung der Mittel immer wieder für Unmut. Sehen Sie Reformbedarf? Der Länderfinanzausgleich ist ein Instrument, das zwischen den Ländern verhandelt und austariert werden muss. Für die Kommunen ist es aber sehr wichtig, dass die Finanzausstattung vor Ort verbessert wird. Da erwarten wir – unabhängig von der Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs –, dass mehr Geld für Investitionen zur Verfügung steht. Das gemeinsame Ziel von Bund, Ländern und Kommunen sollte es sein, Investitionen Vorrang vor konsumtiven Ausgaben einzuräumen. Sie haben Bund und Länder jüngst aufgefordert, mehr Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung zu setzen. Was meinen Sie damit? Viele Dinge, die auf der Ebene von Bund und Ländern diskutiert und festgelegt werden, könnten vor Ort besser entschieden werden. Städte und Gemeinden sind die Ebene, die über Umsetzungserfahrung verfügt und nah bei den Bürgerinnen und Ich wünsche mir das Vertrauen von Bund und Ländern, dass die Kommunen mit mehr Freiheiten viele Vorhaben schneller und effektiver umsetzen können und so auf mehr Akzeptanz bei den Menschen stoßen. © Sebastain Pieknik 8 AKTUELL dbb magazin | April 2024

Bürgern ist. Vieles wird überreguliert und wir ersticken in Vorschriften und Bürokratie. Das zeigt sich nicht zuletzt in der Flut an Nachweispflichten bei Fördergeldern oder der immer weiter steigenden Zahl an Bauvorschriften. Ich wünsche mir das Vertrauen von Bund und Ländern, dass die Kommunen mit mehr Freiheiten viele Vorhaben schneller und effektiver umsetzen können und so auf mehr Akzeptanz bei den Menschen stoßen. Über Verwaltungsdigitalisierung wird viel gesprochen, konkrete Ergebnisse – etwa in Form funktionierender digitaler Bürgerdienste – bleiben trotzdem rar. Wer hat da den Fuß auf der Bremse? Im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung zeigt sich exemplarisch, wie komplex unsere föderalistischen Verflechtungen geworden sind und wie wenig es gelingt, sich auf ein einheitliches Vorgehen zu verständigen. Der gute Wille, Dinge voranzubringen, ist niemandem abzusprechen. Wir erleben aber zu viel Besitzstandswahrung, starke Beharrungskräfte und den Wunsch, alle digitalen Leistungen ganz genau an die bestehenden analogen Prozesse anzupassen. Das kann nicht funktionieren. Digitalisierung wird erst dann zur Entlastung der Menschen, der Wirtschaft und auch der Verwaltungen beitragen, wenn wir bereit sind, ein gewisses Maß an Vereinheitlichung zu akzeptieren. Das kann auch bedeuten, alte Zöpfe abzuschneiden und die rechtlichen Bedingungen an die Erfordernisse der Digitalisierung anzupassen. Fachpersonal wird nicht nur für die Digitalisierung gebraucht. Wie schlagen sich die Kommunen im Wettbewerb mit Bund und Ländern? Gibt es genug Nachwuchs? Wir sind bereits jetzt im Wettbewerb um die besten Köpfe und es wird für den öffentlichen Sektor immer schwieriger, junge Menschen zu gewinnen. Wir konkurrieren ja nicht nur mit Bund und Ländern, sondern in vielen Bereichen auch mit der Wirtschaft. Hier muss es uns gelingen, die unbestrittenen Stärken des öffentlichen Dienstes besser zu kommunizieren. Gleichzeitig werden wir uns aber auch auf die Erwartungen der jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen müssen. Wir müssen ein attraktives Arbeitsumfeld bieten, flexibler werden und beispielsweise auch die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten anbieten. Klar ist, dass wir nicht mehr viel Zeit zu verlieren haben, denn in den nächsten zehn Jahren wird ein Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen in den Ruhestand gehen. Diese Lücke müssen wir so gut es geht schließen. _ … (DStGB) vertritt die Interessen der deutschen Städte und Gemeinden auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Durch 17 Mitgliedsverbände sind 11 000 große, mittlere und kleinere Kommunen vernetzt. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund arbeitet parteiunabhängig und ohne staatliche Zuschüsse. Die Besetzung der Organe orientiert sich an dem Votum der Wähler bei den Kommunalwahlen. Als kommunale Interessenvertretung sorgt der DStGB mit kontinuierlicher Kontaktpflege zu politischen Entscheidungsträgern auf Bundesebene und in der Europäischen Union für die gezielte Einbindung kommunalrelevanter Themen und Positionen in politische Entscheidungsprozesse und sensibilisiert Politik und Öffentlichkeit für kommunalpolitische Interessen. Uwe Brandl, 1. Bürgermeister von Abensberg, ist seit 1. Januar 2023 Präsident des DStGB. Der deutsche Städte- und Gemeindebund … Bürokratieabbau Die überforderte Verwaltung Bürokratie erschafft sich weder selbst noch ist sie ein negativ besetzter Begriff. Bürokratie entsteht aus den Anforderungen von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Aus ausufernden Anforderungen erwächst überbordende Bürokratie, die es zu bekämpfen gilt. Wie das gelingen kann, diskutierten Prof. Paul Kirchhof, Steffen Kampeter und Dorothea Störr-Ritter auf der Frühjahrssitzung des dbb Bundesvorstandes am 19. März 2024 in Berlin. Verfassungsrichter a. D. Prof. Dr. Paul Kirchhof skizzierte das Wesen der Bürokratie in einem Impulsvortrag und konstatierte einen Vertrauensverlust in den Staat, der aus einem ganzen Strauß an Missverständnissen darüber resultiere, was Verwaltung und Bürokratie leisten müssen und was nicht. Je lauter Bürger, Wirtschaft und Politik nach Detailregelungen in allen Bereichen riefen und Risiken auf das Verwaltungshandeln abwälzten, desto mehr Bürokratie entstehe. Hinzu komme eine perfektionistische Veranlagung der Verwaltung, alle Vorgaben so detailliert wie möglich umzusetzen. Bürokratie an sich sei eine gerechte „Herrschaft der Verwaltung“, ein positiver Begriff, da sie Entscheidungen nicht aus Eigeninteresse, sondern regelbasiert treffe – und je höher die Regelungsdichte, desto mehr Bürokratie sei erforderlich, um die Regelungen umzusetzen. Daher gelte es nicht, Bürokratie abzubauen, sondern deren Übermaß. Kirchhof gab zu bedenken, dass unsere Gesellschaft auf gegenseitigem Vertrauen fuße. Im Vertrauensverlust in den öffentlichen Dienst manifestiere sich in diesem Sinne ein Versagen des Staates, nicht des Berufsbeamtentums, das bestrebt ist, alle Vorgaben rechtssicher umzusetzen. In diesem Zusammenhang sei Unfehlbarkeit kein Prinzip: „Ganz praktisch organisieren wir ein System der Fehlerhaftigkeit unter Vermeidung von Fehlerquellen. Unfehlbarkeit ist darin nicht möglich.“ Als Beispiel nannte Kirchhof das bürokratielastige Informationsfreiheitsgesetz oder den überbordenden, politisch motivierten Verkauf von Rechten, etwa beim Emissionshandel: Durch den Rechtehandel entstünden AKTUELL 9 dbb magazin | April 2024

nicht nur gesellschaftliche Ungerechtigkeiten. Auch müsse die Verwaltung plötzlich wirtschaftliche Aufgaben übernehmen, über die sie gar keine Kenntnisse hat. „Ordnungsrecht und Finanzrecht entflechten, Handlungsmaßstäbe klarmachen, weniger Rechte verkaufen“, schlug Kirchhof als Lösung vor. Plädoyer für ein neues Risikobewusstsein Kirchhof kritisierte darüber hinaus, dass es für Bürgerinnen und Bürger immer schwieriger werde, Entscheidungen auf dem aktuellen rechtlichen Stand zu treffen: Die Regelungsdichte erhöhe sich in immer schnellerer Frequenz, während der Staat dazu neige, Risiken aus neu geschaffenen Gesetzen und Verordnungen auf Bürger und Wirtschaft abzuwälzen – Beispiel Heizungsgesetz. Stattdessen brauche es ein neues Risikobewusstsein in der Gesellschaft. Für Ungewissheiten sollten die Verursacher derselben haften. Im Zuge all dieser Entwicklungen hätten Beamtinnen und Beamte immer mehr Leistungen zu erbringen, die sie nicht erfüllen könnten. Als Beispiel nannte der Jurist die Asylbehörden. Sie müssten prüfen, ob jemand im Heimatland politisch verfolgt sei – eine Aufgabe, die weit über ihre eigentliche Verwaltungsarbeit hinausgehe und die gewissermaßen nicht leistbar sei. Ähnlich betroffen seien Pflegekräfte, die bis zu 50 Prozent ihrer Arbeitszeit für Bürokratie aufwenden müssten. Für die Zukunft gab Kirchhof zehn Impulse zum Bürokratieabbau, darunter die Vorgabe, für jede neue Norm zwei gleichwertige entfallen zu lassen, Bonussysteme für effiziente Verwaltungsarbeit einzuführen und Lösungen nicht an deren Perfektionsgrad, sondern an rechtlicher Praktikabilität zu messen. Der dbb solle in einem Jahrestreffen mit der Bundesregierung „jeweils drei Maßnahmen erarbeiten, wie sich die Attraktivität des Beamtenberufs steigern lässt“. Ein weiterer Vorschlag: „In keinem Sachgebiet darf es mehr Normen geben, als sich der Sachgebietsleiter merken kann.“ Steffen Kampeter, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, verglich Bürokratie in der anschließenden Diskussion mit dem Reich Lilliput aus Jonathan Swifts Roman „Gullivers Reisen“: Die deutsche Wirtschaft, repräsentiert durch Gulliver, werde von der Bürokratie, repräsentiert durch die vielen kleinen Seile der Zwerge, am Boden gehalten. Diese Seile gelte es zu lösen. Dazu sei eine „Revolution gegen den bürokratischen Overkill“ notwendig. Die Verwaltung brauche mehr Mut zur Pauschalisierung, statt immer neue Einzelfallregelungen. Gesetze sollten zudem nicht automatisch verlängert, sondern beim Auslaufen daraufhin überprüft werden, ob eine Verlängerung überhaupt sinnvoll ist. Ambitionsweltmeister Deutschland Kampeter stellte klar, dass „Deregulierung nicht Personalabbau bedeutet“, denn Personal sei in Wirtschaft und Verwaltung gleichermaßen knapp. Problematisch sei in diesem Zusammenhang, dass die Bundesregierung sich zu viele Ziele setze, deren Implementierung Personal binde und bei denen erst in der Umsetzung auffalle, dass sie gar nicht erfüllbar seien. „Die Politik ist Ambitionsweltmeister – mit oft amateurhafter Umsetzung.“ Großes Potenzial für die Produktivitätssteigerung sah Kampeter in generativer KI: „Wir sollten vorurteilsfrei an diese Technologie herangehen und ihre Chancen nutzen, statt Ängste zu schüren.“ Die letztinstanzliche Entscheidung müsse aber weiterhin beim Menschen liegen. Dorothea Störr-Ritter, Juristin, Landrätin a. D. und Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates, plädierte dafür, die Kommunen von Bürokratie zu entlasten. Ihrer Auffassung nach überfordere die Regelungsflut das Verwaltungspersonal und führe dazu, dass keine vernünftigen Entscheidungen mehr getroffen werden könnten. Das gehe letztlich zulasten der Bürgerinnen und Bürger. „Weniger Gesetze, die zudem nicht permanent durch neue Verwaltungsvorschriften verfeinert werden, sind bessere Gesetze“, so ihr Credo. Hier sei der Staat extrem gefragt, denn „noch mehr Komplexität können wir uns nicht leisten“. Störr-Ritter kritisierte, dass sich Bürokratieabbau zu sehr in Kleinteiligkeit verliere. Vor allem müssten Gesetze konsequent auf Vollzugsfähigkeit geprüft werden, „das würde viel Unsinn in Schwarz und Weiß verhindern“. Ebenso sei die Digitalisierungsgfähigkeit von Gesetzen und Verordnungen entscheidend für eine effiziente Verwaltung. dbb Chef Ulrich Silberbach rief die Politik dazu auf, die Angebote der Praktiker zur Entbürokratisierung anzunehmen und dabei Wirtschaft und Verwaltung gleichermaßen einzubeziehen, denn beide seien als Garanten des Wohlstandes auf praktikable Gesetze und beherrschbare Strukturen angewiesen. Kritisch werde es, wenn etwa Kontrollbehörden wie der Bundesrechnungshof von der Politik nicht mehr gehört würden oder wenn Urteile des Bundesverfassungsgerichts nur schleppend umgesetzt würden. „Das wirft nicht nur ein zweifelhaftes Licht auf den Politikstil, sondern schadet der ganzen Volkswirtschaft.“ _ „In keinem Sachgebiet darf es mehr Normen geben, als sich der Sachgebietsleiter merken kann.“ Paul Kirchhof Diskutierten Wege zum Bürokratieabbau: dbb Chef Ulrich Silberbach, Prof. Dr. Paul Kirchhof, Dorothea Störr-Ritter, Steffen Kampeter und Moderatorin Juliane Hielscher (von links). © Jan Brenner 10 AKTUELL dbb magazin | April 2024

DOSSIER ÖFFENTLICHE FINANZEN Länderfinanzausgleich Finanzgeflecht mit Konfliktpotenzial Der Länderfinanzausgleich soll eine annähernd gleiche Lebensqualität und Infrastruktur in allen Regionen Deutschlands sicherstellen. Unmittelbar nach der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 eingeführt und im Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland verankert, sorgt der komplexe Mechanismus immer wieder für politische Diskussionen. Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist sicherzustellen, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind in dem Gesetz Zuschläge zu und Abschläge von der jeweiligen Finanzkraft bei der Verteilung der Länderanteile am Aufkommen der Umsatzsteuer zu regeln.“ So steht es in Art. 107 Abs. 2 GG. Das Grundprinzip: Finanzstarke Bundesländer geben einen Teil ihrer Einnahmen an finanzschwächere Bundesländer ab. Verteilt werden die Gelder im Wesentlichen aus Umsatzsteuereinnahmen und Ergänzungszuweisungen aus Bundesmitteln. Bis einschließlich 2020 gehörten dazu auch Mittel aus dem Solidaritätszuschlag, den die Bundesregierung 2021 für den Großteil der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abgeschafft hat. Die genauen Berechnungen und Regelungen für den Länderfinanzausgleich werden regelmäßig überprüft und angepasst, um die aktuelle wirtschaftliche Lage und die finanziellen Bedürfnisse der Bundesländer angemessen zu berücksichtigen. Auch politische Entscheidungen spielen eine Rolle bei der Festlegung der Parameter des Länderfinanzausgleichs. Stetige Überprüfung Die Prüfung und Anpassung des Länderfinanzausgleichs erfolgen in erster Linie durch die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag. Die Beteiligten berücksichtigen verschiedene Faktoren, darunter wirtschaftliche Entwicklungen, Haushaltslagen der einzelnen Bundesländer, Veränderungen im Steueraufkommen und der Bevölkerungsdichte sowie politische Zielsetzungen. Dabei werden verschiedene Gremien eingesetzt, die speziell mit der Analyse und Bewertung der finanziellen Situation der Bundesländer beauftragt sind, darunter Expertenkommissionen oder Arbeitsgruppen, die Empfehlungen für mögliche Anpassungen des Länderfinanzausgleichs erarbeiten. Die Entscheidung über konkrete Änderungen oder Neuregelungen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs obliegt dem Parlament. Neben den Bundesländern profitieren Kommunen und Gemeinden indirekt vom Länderfinanzausgleich, da sie einen Teil der den Bundesländern zugewiesenen finanziellen Mittel erhalten. So fließen einige Mittel in Form von Schlüsselzuweisungen an die Kommunen weiter. Sie dienen dazu, die Finanzkraft der Kommunen auszugleichen und sicherzustellen, dass auch finanzschwachen Kommunen ausreichend Mittel für Bildungseinrichtungen, soziale Einrichtungen, Infrastrukturprojekte und andere kommunale Aufgaben zur Verfügung stehen. Überdies können bestimmte Förderprogramme und Infrastrukturprojekte, die von den Bundesländern finanziert werden, auch den Kommunen zugutekommen. Komplexe Kriterien Die Höhe der Mittel, die einzelne Bundesländer über den Länderfinanzausgleich erhalten, bemisst sich anhand verschiedener Kriterien. Ein zentraler Faktor ist die Steuerkraft der Länder. Sie wird anhand verschiedener Steuerquellen wie der Einkommensteuer, der Umsatzsteuer und der Gewerbesteuer berechnet. Bundesländer mit geringerer Steuerkraft erhalten in der Regel höhere Ausgleichszahlungen. Die Bevölkerungszahlen der Länder spielen ebenfalls eine Rolle bei der Berechnung der Ausgleichszahlungen. Größere Bevölkerungen bedeuten in der Regel höhere Ausgaben für Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen. Deshalb erhalten bevölkerungsstarke Bundesländer entsprechend höhere Mittel. Die soziale Struktur und der damit verbundene Bedarf an sozialen Leistungen in einem Bundesland werden ebenfalls berücksichtigt. Bundesländer mit einem höheren Bedarf an sozialer Unterstützung, beispielsweise aufgrund einer höheren Arbeitslosenquote oder einer älteren Bevölkerung, erhalten zusätzliche Mittel. Die fiskalische Leistungsfähigkeit eines Bundeslandes, gemessen an seiner Fähigkeit, eigene Einnahmen zu generieren und effizient mit Ressourcen umzugehen, kann ebenfalls Einfluss auf die Höhe der Ausgleichszahlungen haben. Der Investitionsbedarf für 12 FOKUS dbb magazin | April 2024

die Infrastruktur und andere öffentliche Projekte fließt in die Berechnung ein. Bundesländer mit einem hohen Investitionsbedarf erhalten möglicherweise zusätzliche Mittel, um ihre Infrastruktur zu verbessern und die regionale Entwicklung voranzutreiben. Solidarität und Kritik Obwohl der Länderfinanzausgleich eine tragende Säule für die finanzielle Solidarität im föderalen System Deutschlands ist, führt seine Ausgestaltung immer wieder zu politischen Auseinandersetzungen. Befürworter betonen die Solidarität zwischen den Bundesländern und den Ausgleich regionaler Disparitäten: Deutschland ist ein föderales Land mit starken regionalen Unterschieden in Bezug auf Wirtschaftskraft, Bevölkerungsentwicklung und Infrastruktur. Der Länderfinanzausgleich hilft dabei, diese strukturellen Ungleichheiten zu mildern und die Grundversorgung in allen Regionen zu gewährleisten. Ein ausgeglichener Länderfinanzausgleich trägt zur Stabilität des gesamten Bundesstaats bei, indem er soziale Spannungen zwischen reicheren und ärmeren Regionen verringert und die soziale Kohäsion, die Fähigkeit einer Gesellschaft, das Wohlergehen all ihrer Mitglieder zu sichern, stärkt. Kritiker argumentieren, dass der Länderfinanzausgleich die Anreize für finanzschwache Bundesländer verringern kann, ihre eigenen Wirtschaftspotenziale zu entwickeln und effizient mit ihren Ressourcen umzugehen. Statt strukturelle Reformen durchzuführen, könnten sie auf die finanzielle Unterstützung aus wohlhabenderen Ländern angewiesen bleiben. Weiter stehen Bürokratie und Komplexität des Finanzmechanismus in der Kritik: Da der Länderfinanzausgleich ein komplexes System mit verschiedenen Berechnungsgrundlagen ist, kann er zu erheblichem Verwaltungsaufwand und zu Streitigkeiten zwischen den Bundesländern über die gerechte Verteilung der Mittel führen. In diesem Zusammenhang führen Kritiker auch das Argument ins Feld, der Länderfinanzausgleich belohne Länder, die ihre Wirtschaft nicht weiterentwickeln, und bestrafe wirtschaftlich erfolgreiche Länder, was letztlich den Wettbewerb zwischen den Bundesländern hemme. Work in Progress Die letzte große Reform des Länderfinanzausgleichs wurde im Jahr 2017 beschlossen und trat zum 1. Januar 2020 in Kraft. Die Reform beinhaltete eine Neugestaltung der Berechnung des Umsatzsteuerausgleichs zwischen den Bundesländern. Dabei wurde unter anderem eine dynamische Komponente eingeführt, um besser auf Veränderungen im Steueraufkommen reagieren zu können. Um die finanzschwachen Bundesländer weiterhin zu unterstützen, wurden die Bundesergänzungszuweisungen erhöht. Eine Rolle bei der Neugestaltung spielte auch das Auslaufen des Solidarpakts II zum 31. Dezember 2019. Nach dem Auslaufen ist am 1. Januar 2020 das gesamtdeutsche Fördersystem für strukturschwache Regionen in Kraft getreten, mit dem der Bund seine regionalpolitische Unterstützung der ostdeutschen Bundesländer fortsetzt. Geben und nehmen Die Reform des Länderfinanzausgleichs zielte darauf ab, das System transparenter, gerechter und effizienter zu gestalten. Nicht ausgleichen konnte sie die Geber- und Nehmerländerstruktur, die mit einem Verhältnis von aktuell 5:11 eine gewisse Unausgewogenheit aufweist. Im Rahmen des Länderfinanzausgleichs sind im Jahr 2023 nach Informationen des Bundesfinanzministeriums rund 18,3 Milliarden Euro umverteilt worden. Einzahler waren Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und Rheinland-Pfalz. Die anderen elf Bundesländer erhielten Geld aus dem Finanzausgleich. Bayern zahlte rund 9,1 Milliarden Euro, Baden-Württemberg 4,5 Milliarden, Hessen 3,4 Milliarden, Hamburg 934 Millionen Euro und Rheinland-Pfalz 320 Millionen. Größtes Empfängerland blieb Berlin mit rund 3,8 Milliarden Euro vor Sachsen (rund 3,4 Milliarden). Bayern hatte 2023 eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil es seit Jahren das meiste Geld einzahlt. br © Erdacht mit KI FOKUS 13 dbb magazin | April 2024

Kommunale Finanzen Wie ausgeglichen ist der Ausgleich? In zwei Gemeinden in Rheinland-Pfalz treten Bürgermeister und Gemeinderat zurück. Pirmasens und Kaiserslautern ziehen vor das Verfassungsgericht. Weil ein Programm nicht rechtzeitig fertig wurde, müssen 17 Gemeinden Kredite aufnehmen. Der Grund für all das: der Kommunale Finanzausgleich des Landes Rheinland-Pfalz. Was ist hier los? Der Kommunale Finanzausgleich (KFA) funktioniert ähnlich wie der Länderfinanzausgleich. Jedes der 13 Flächenländer verteilt Überschüsse und Mängel in seinen Kommunen um, um möglichst überall gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Im Zuge dessen soll die häufige Ungleichheit zwischen den finanzstarken Städten und den finanzschwachen ländlichen Räumen beseitigt werden. Denn für kaum eine Kommune der Flächenländer ist es möglich, ihre Aufgaben allein über Steuer- und Gebühreneinnahmen zu finanzieren. Sie sind auf den Kommunalen Finanzausgleich angewiesen. Analog zum Länderfinanzausgleich besteht der KFA eines Bundeslandes ebenfalls aus einer vertikalen und einer horizontalen Komponente. Beim vertikalen Finanzausgleich wird ein Teil der Steuereinnahmen eines Landes auf die einzelnen Kommunen verteilt. Diese Verteilung definiert die politischen Spielräume und steht deswegen regelmäßig im Zentrum von Konflikten zwischen Gemeinden und Landesregierung. Beim horizontalen Ausgleich erhalten die Kommunen einen Betrag abhängig von ihrer Finanzkraft – oder besser gesagt Finanzschwäche: denn finanzstarke Kommunen erhalten wenig oder keine, finanziell schwächere dagegen viele Zuweisungen. Für die Kommune sind die Zuweisungen oft der entscheidende Faktor, ob sie das Budget haben, ihre Pflichten zu erfüllen. Andreas Hemsing, stellvertretender dbb Bundesvorsitzender und Bundesvorsitzender der komba gewerkschaft, sieht Verbesserungsbedarf bei der horizontalen Verteilung: „Im Hinblick auf den demografischen Wandel wird in Zukunft eine stärkere Beteiligung von Bund und Ländern an den Kosten für die vielen Bereiche des öffentlichen Dienstes nötig sein. Alternativ müsste über eine Aufgabenreduzierung nachgedacht werden. Die Anforderungen an die Kommunen und der gedeckte Bedarf dürfen nicht großflächig aus dem Gleichgewicht geraten.“ Beim KFA ist häufig von einem „vertikalen Finanzausgleich mit horizontaler Wirkung“ die Rede. Die Verteilung ist häufig historisch gewachsen und weist daher eine hohe Durchmischung aus horizontalen und vertikalen Aspekten auf. Die Grenzen zwischen vertikal und horizontal sind daher nicht klar definiert. Jedes Land kann seinen Finanzausgleich individuell ausgestalten. Das ist auch richtig so, schließlich unterscheiden sich die demografischen und wirtschaftlichen Daten der etwa 11 000 Gemeinden sehr stark. Wer bekommt wie viel? Alle KFA basieren auf dem Prinzip der Schlüsselzuweisung: Mithilfe eines Schlüssels wird die vertikale Verbundmasse auf die Gemeinden verteilt und steht der jeweiligen Gemeinde dann zur freien Verfügung. Die ärmsten Gemeinden erhalten dabei am meisten, die Gemeinden mit der niedrigsten Differenz zwischen Bedarf und eigener Finanzkraft am wenigsten. Gleichzeitig greifen ausgleichende Mechanismen, damit finanzschwache Gemeinden am Ende nicht mehr haben als finanzstarke Gemeinden. Dies soll für die Kommunen den Anreiz aufrechterhalten, selbstständig Gewinne einzufahren, beispielsweise durch Gewerbe. Die wenigen Gemeinden in Deutschland, die über der Bedarfsmesszahl liegen, erhalten (offensichtlich) keine Zuweisungen, in einigen Bundesländern zahlen sie über eine Abundanz- und Finanzausgleichsumlage einen Teil ihres „Überschusses“ in die Verbundmasse ein. 14 FOKUS dbb magazin | April 2024

Wie die Verteilmasse zustande kommt, ist jedem Bundesland selbst überlassen. Es haben sich mehrere Modelle etabliert: Die meisten Bundesländer nutzen das Verbundquotenmodell, bei dem die Verteilung über Quoten geregelt ist. Ein paar Bundesländer berücksichtigen die gesamten Einnahmen von Kommunen und Land sowie die Belastungen der Aufgabenerfüllung. Hessen und Sachsen sind die Exoten: Nur Hessen nutzt ein Verstetigungsmodell, bei dem mögliche Schwankungen in der Verbundmasse durch einen Stabilitätsfonds abgefedert werden. Sachsen nutzt als einziges Bundesland das Bedarfssystem, bei dem die Menge und die Verwendung der finanziellen Ausstattung rein von der Leistungsfähigkeit der Kommune abhängig sind, welche jährlich ermittelt wird. Keins dieser Modelle ist das objektiv beste, da jedes seine Vor- und Nachteile hat. Die individuelle Ausgestaltung der Verteilung würde für diesen Artikel den Rahmen sprengen. Frust-Hotspot Rheinland-Pfalz Wie eingangs erwähnt, steht Rheinland-Pfalz im Zentrum des Unmuts über den KFA. Das Land hat im September 2022 seinen neuen Finanzausgleich vorgestellt, nach dem der alte vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde. Geklagt hatten 2020 die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern, da die Anforderungen und Aufgaben der Kommunen gestiegen waren und die Finanzierung durch das Land dafür nicht mehr ausreichte. Das neue Paket enthält circa 275 Millionen Euro mehr für die Kommunen. Trotzdem ebbte der Protest gegen den Haushalt nicht ab. Vier Landkreise, darunter wieder Kaiserslautern, monierten gemeinsam neben den zu geringen finanziellen Mitteln die fehlende Transparenz bei der Mittelverteilung. Besonders prekär: Das neue Landesfinanzausgleichsgesetz sieht vor, dass Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen müssen, was sie im Falle von Schulden aber nicht können. Deswegen traten 2023 in gleich zwei Gemeinden (Bosenbach und Freisbach) Bürgermeister und Gemeinderat geschlossen zurück. Die Möglichkeit, ihre Einnahmen durch die Erhöhung der Steuern zu steigern, hatten sie abgelehnt. Wie stark manche Kommunen auf das Geld aus dem KFA angewiesen sind, zeigt ein junges Beispiel – ebenfalls aus RheinlandPfalz: Da die Auszahlungssoftware wegen des neuen KFA neu programmiert werden musste und nicht rechtzeitig fertig wurde, erhielten die Kommunen die Zahlung erst einige Monate später. 17 der 24 Landkreise mussten daraufhin zusammengerechnet fast eine Million Euro an Krediten aufnehmen. Der Grund, warum das gerade in Rheinland-Pfalz so problematisch ist und bei vielen Gemeinden zu Frust führt, liegt an der hohen Verschuldung der Gemeinden. In kaum einem anderen Bundesland schreiben so viele Gemeinden rote Zahlen wie hier; rheinland-pfälzische Städte und Landkreise belegen regelmäßig die Spitzenplätze im Ranking der höchsten Verschuldung – darunter auch die Landkreise, die gegen den alten KFA geklagt hatten. Die Zahlungen, die die Gemeinden erhalten, werden häufig direkt von den Schulden geschluckt – ohne die Verschuldung maßgeblich zu reduzieren. Kommunaler Zündstoff Rheinland-Pfalz ist ein Extrembeispiel, in den anderen Bundesländern funktioniert der KFA (bisher) relativ geräuschlos. Wie zufrieden die Kommunen mit dem KFA sind, lässt sich allerdings schwer ermitteln. Einerseits will natürlich keine Empfängerkommune im Wettkampf um die Gelder zugeben, dass sie genug hat. Andererseits gibt es auch für die Geberkommunen keinen Anreiz, mehr zu geben als notwendig. Da die genaue Ausgestaltung der vertikalen Verteilung nicht genau geregelt ist, sorgt diese oft für Streit zwischen den Ebenen. Diese Konflikte gehen häufig bis zum jeweils zuständigen Verfassungsgericht. Mit der angespannten Haushaltslage in den Kommunen werden die Diskussionen über den KFA immer wieder hochkochen. Um das zu vermeiden, ist laut Hemsing jedoch eine grundsätzliche Neuregelung der kommunalen Finanzausstattung notwendig: „Der KFA sollte die gleichwertigen Lebensverhältnisse als Ziel haben. Für die immer steigende Aufgabenlast der Kommunen – 25 Prozent der staatlichen Aufgabenerledigung wird von den Kommunen getragen und nur 14 Prozent des Steuereinkommens kommt bei den Kommunen an – ist eine grundsätzliche Änderung der kommunalen Finanzierung notwendig. Jede staatliche Aufgabe muss in der Gebietskörperschaft, die diese prägt, direkt und ausreichend finanziert sein.“ Gleichzeitig müssen die Landesregierungen bei den Beschlüssen der Zuteilungen mehr auf die Kommunen zugehen. Auch die Bundespolitik hat den Handlungsbedarf mittlerweile erkannt: So hat sich der Finanzausschuss des Bundestages Mitte März für eine Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes ausgesprochen. dsc © Erdacht mit KI FOKUS 15 dbb magazin | April 2024

Bundesimmobilien Die Vermieter Seit 2005 betreut und verwaltet die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) die Dienstliegenschaften der Bundesrepublik im Inland. Ihr Ziel: Die Bundesliegenschaften sollen in gutem Zustand sein – und bleiben. So erklärt Manfred Reuß, Hauptstellenleiter des Geschäftsbereichs Facility-Management der BImA in Berlin, die zentrale Aufgabe der Behörde mit etwa 7 000 Beschäftigten. Bundesliegenschaften sind neben Dienstgebäuden von Bundesministerien und -behörden, Verfassungsorganen wie dem Bundesrat und Kasernen auch Bundesforste, bebaubare Grundstücke und Wohnungen. Um „den Werteverzehr transparent zu machen“, wie Reuß sagt, seien die Dienstliegenschaften 2005 ins Eigentum der Bundesanstalt übergegangen. Werteverzehr, das ist all das, was man als Kosten für den täglichen Betrieb und als Bauunterhaltung, also als längerfristige Instandhaltungskosten in ein Gebäude stecken muss, damit es genutzt werden kann und nicht verfällt. Die Nutzer, Behörden wie Zoll, Bundespolizei, Bundesanstalt für Materialforschung, aber auch die Bundesministerien, müssen die Gebäude seitdem zurückmieten. In diesem Betrag ist auch ein 15-prozentiger Aufschlag als Mehraufwand für die Gebäudeerhaltung inbegriffen. Die BImA hält die Gebäude instand und entlastet die Mieter von Reinigungsaufgaben und technischem Gebäudemanagement. Alles, was aus den Mieteinnahmen nicht in den Betrieb und Erhalt der Gebäude gesteckt werden muss, fließt jährlich an den Bundeshaushalt zurück, 2022 circa 2,3 Milliarden Euro. Etwa 4 800 Dienstliegenschaften werden so betreut und verwaltet. Im Bedarfsfall lässt die BImA neu bauen oder alte Gebäude herrichten. Über Wirtschaftlichkeitsanalysen lässt sie zunächst ermitteln, ob Um- oder Neubau ökonomisch sinnvoller ist als die Anmietung von Fremdimmobilien. In diesem Fall müssten die gemietete Gebäude vor einem Einzug meist sicherheitstechnisch aufgerüstet werden, sagt Reuß. Falls gebaut werden soll, analysiert die BImA, ob mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), also mit der nachgeordneten Behörde, oder aber in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) mit einem Unternehmen gebaut werde. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Thomas Zukunft und Manfred Reuß vor den frisch sanierten Gebäudeteilen, die heute vom Gesundheits- und Familienministerium genutzt werden. © HOCHTIEF © Anke Adamik 16 FOKUS dbb magazin | April 2024

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