dbb magazin 3/2024

Geske. „Die Wortwahl entspricht dem Level A1 bis A2 des europäischen Referenzrahmens für Sprachen.“ Einfache Sprache hingegen lasse etwas mehr Komplexität zu. Was die künstliche Intelligenz leistet Es gibt verschiedene Merkmale, die Sprache komplex und damit weniger verständlich machen. Dazu gehören lange Schachtelsätze, abstrakte Formulierungen, die Verwendung von Passiv und Fremdwörtern. „In Behörden kommen viele Begriffe zum Einsatz, die für die Beschäftigten selbstverständlich sind, aber nicht für Außenstehende“, sagt die ausgebildete Wirtschaftsinformatikerin. Mit ihrem Team hat sie die künstliche Intelligenz so trainiert, dass sie die Merkmale erkennt und in der Lage ist, sie in verständlichere Sprache umzuwandeln. Das war mit vielen Herausforderungen verbunden, denn Sprache ist nun einmal sehr komplex – Beispiele: „Die KI musste lernen, dass es eine Bank gibt, auf der man sitzt, und eine, bei der man Geld abhebt. Oder dass man über den Kantstein stolpern kann, aber eben auch gedanklich.“ Wie die Technologie in der Praxis funktioniert? Das Tool lässt sich über den Internetbrowser öffnen; bei manchen Behörden, die es bereits verwenden, ist es direkt ins IT-System integriert. Das Prinzip erinnert an Übersetzungsprogramme wie DeepL oder Google-Übersetzer: Links erfolgt die Eingabe des Originaltextes, rechts erscheint der übersetzte Text – wahlweise in Leichter oder Einfacher Sprache. Unten können die Nutzerinnen und Nutzer ihr Feedback zum Ergebnis abgeben. Jeder Hinweis kann helfen, die KI zu verbessern. „Wer das Tool zum ersten Mal nutzt, wird sich Probe aufs Exempel, links der Originaltext, rechts der Text in Leichter Sprache: Vom Prinzip her funktioniert das Tool von SUMM AI wie gängige Übersetzungstools. Ob in diesem Fall alles korrekt ist? Die dbb Rechtsexperten sagen: Statt „Arbeitgeber“ müsste es „Dienstherr“ heißen, „Alimente“ müsste in der Nachbearbeitung durch „Alimentation“ ersetzt werden. Außerdem bekomme die Familie nicht direkt Geld, die bessere Formulierung in Leichter Sprache wäre: „Beamte mit Familie bekommen mehr Geld.“ wahrscheinlich erst einmal an die leichte Sprache gewöhnen müssen“, sagt Geske. Die KI spaltet komplexe Schachtelsätze in einfache Hauptsätze und listet sie untereinander auf, vom Stil her ähnlich wie Aufzählungen mit Spiegelstrichen. Übrig bleiben die konkreten Kernaussagen des Textes. „Letztlich ist es genau das, was wir wollen und was einfache Sprache auszeichnet.“ Stimmen alle Informationen? Fehlen möglicherweise Details? Gibt es Redundanzen? Für SUMM AI spielt eine aufgeklärte Nutzung der Technologie eine große Rolle. Heißt: Nicht die KI entscheidet, ob die Inhalte eines Textes korrekt wiedergegeben sind, sondern der Mensch. Deshalb sind Behörden und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die über die inhaltliche Expertise zum Text verfügen, Zielgruppe für das Tool – es im großen Stil Menschen mit Behinderungen oder Lernschwächen zur Verfügung zu stellen, sei aktuell kein Thema. „Wir sehen die Zuständigkeit, Sprachbarrieren abzubauen, klar bei der Verwaltung“, unterstreicht Flora Geske. „Denn dazu ist sie gesetzlich verpflichtet. Wir kümmern uns um die Leichte Sprache, die Nutzenden stellen den faktisch korrekten Inhalt sicher.“ Derzeit müssten Behörden Übersetzungen von Texten in leichte und einfache Sprache händisch in Auftrag geben. Dies sei oft zeit- sowie kostenintensiv und lasse sich durch den Einsatz der KI vermeiden. Praxistest bestanden SUMM AI und die Hamburger Verwaltung verbindet eine enge Zusammenarbeit – die Hansestadt ist Pilotstadt für das Übersetzungstool. Auf hamburg.de sind Texte auch in leichter Sprache verfügbar. Wer – aus welchem Grund auch immer – vor Sprachbarrieren steht, kann sich über sämtliche Themen des Alltags informieren. Auch das Konzept, das hinter der leichten Sprache steckt, wird erklärt. Selbstverständlich in leichter Sprache. Unter anderem heißt es: „Wir erklären Sachen in leichter Sprache. Die Erklärungen stimmen. Die Erklärungen sind aber nicht rechtsverbindlich. Manchmal haben wir Sachen einfacher geschrieben. Oder Sachen nicht erklärt: Die sehr selten sind. Der genaue Text von Gesetzen steht nicht bei den Erklärungen. Der Text in leichter Sprache würde sonst zu lang.“ Neben dem Textblock ist eine Rechtsanwältin zu sehen, an der schwarzen Robe und einem Gesetzbuch in der Hand deutlich erkennbar. Auch neben anderen Texten in leichter Sprache gibt es Abbildungen, die den Inhalt des Textes symbolisieren und es somit erleichtern, ihn zu erfassen. „Die passenden Bilder schlägt künftig die KI vor“, berichtet Flora Geske. Die Mitarbeitenden in den Pressestellen der Behörden müssen nicht mehr aufwendig in Datenbanken suchen, sondern nur noch das passende Foto auswählen. Hierfür haben SUMM AI und die Hansestadt im Juni 2023 sogar einen Preis bekommen: Die Civic Innovation Platform (CIP) – das ist die Denkfabrik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales – zeichnete das Konzept auf der re:publica als eine von 27 Projektideen aus, die dazu beitragen, KI gewinnbringend in die Gesellschaft einzubringen. Wie es mit SUMM AI weitergeht? Geske, Theel und Wolf haben noch viel vor. Sie konnten Geldgeber von ihren Ideen überzeugen, die zuletzt eine siebenstellige Summe investierten. „Menschen mit kognitiven Behinderungen oder Lernschwächen können oft nicht selbst aufstehen und für ihre Rechte eintreten“, betont die Geschäftsführerin. „Deshalb wollen wir unser Tool bekannter machen und für mehr Barrierefreiheit sorgen.“ cdi 24 FOKUS dbb magazin | März 2024

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