dbb magazin 3/2024

KI und öffentlicher Raum Angsträume verkleinern Um die Sicherheit auf Bahnhöfen zu erhöhen, empfiehlt die DPolG Bundespolizeigewerkschaft Kameratechnik mit spezieller Software. Die wird gerade am Berliner Bahnhof Südkreuz getestet. Foto: Oleksandr Prykhodko/Colourbox.de Nachts durch die menschenleere Einkaufsstraße zum Bahnhof laufen oder auf einem einsamen Bahnsteig auf den Zug nach Hause warten – das mulmige Gefühl ist stets präsent. Auf Bahnhöfen gibt es besonders viele dieser oft verwahrlosten, schlecht beleuchteten und übel riechenden Angsträume. Soll die Verkehrswende gelingen, müssen sie dauerhaft attraktiver werden und sich die Reisenden subjektiv sicher fühlen können. Für eine Umgestaltung hat die DPolG Bundespolizeigewerkschaft immer wieder Vorschläge gemacht – zum Beispiel im Rahmen einer Anhörung vor dem Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages im März 2022. Neben der personellen Aufstockung vor Ort sind das Sicherheitskooperationen der zuständigen Behörden, gemeinsame Diensträume in den großen Bahnhöfen und Waffenverbotszonen, die die rechtlichen Befugnisse der Beamten erweitern würden. Flächendeckende Beleuchtung wird dringend empfohlen und mehr Personal für die 3-S-Zentralen der Bahn („Konzept Sicherheit, Service und Sauberkeit“). Zentrale Forderung aber ist der Einsatz von Kamerasystemen und spezieller Software. Kameras überwachen Bahnhöfe schon heute. Dafür verbaut die Deutsche Bahn AG im Auftrag der Bundespolizei Kamera- und Videotechnik. Die erhobenen Daten gehören der Bundespolizei und unterliegen dem Datenschutz. Problematisch ist jedoch, dass „der Einsatz von Kamera- und Videotechnik keinen Straftatverdrängungseffekt“ erzeuge, wie Manuel Ostermann, erster stellvertretender Bundesvorsitzender der DPolG Bundespolizei, bei der Anhörung betonte. Entsprechende Evaluationen hätten gezeigt, dass rational agierende, nicht aber alkoholisierte oder unter Drogen stehende Täter so abgeschreckt werden können, unterstrich Prof. Dr. Bernhard Frevel von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen. Bislang werden Kameraaufzeichnungen von Menschen kontrolliert. Grundsätzlich ist die Fülle des erhobenen Bildmaterials groß, die Personaldecke dünn und eine Echtzeitüberprüfung deshalb oft nicht möglich. Entsprechende Software könnte das Material KI-unterstützt automatisiert auswerten und bei akuten Unfällen, schweren Straftaten oder auch bei einsam herumstehenden Gepäckstücken Alarm auslösen. Ostermann sprach ausdrücklich von „teilautomatisierter Videoanalyse“, die mit dem Ziel der Verbesserung der Gefahrenerkennung und Gefahrenabwehr eingesetzt werden solle, nicht von biometrischer Gesichtserkennungssoftware. Er unterstrich: „Es werden keine personenbezogenen Daten gespeichert.“ In Situationen mit akuten Gefährdungslagen hingegen würde die Bundespolizeigewerkschaft auf Bahnhöfen gerne vorübergehend auch eine biometrische Gesichtserkennungssoftware einsetzen. Für Ostermann ist es vorstellbar, Reisenden mitzuteilen, dass in speziell klassifizierten Bereichen gerade eine solche Software arbeitet. Seit Juli 2022 wird im Rahmen des Projektes „Sicherheitsbahnhof“, bei dem Bundesinnenministerium, Bahn und Bundespolizei unter anderem am Berliner Südkreuz kooperieren, die Funktionsweise entsprechender Softwarelösungen erprobt. Im November 2023 richtete die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg (Die Linke), die auch beratendes Mitglied im Ausschuss für Digitales ist, eine Kleine Anfrage zum Projekt „Sicherheitsbahnhof“ an die Bundesregierung. Sie wollte wissen, wie die KI-gestützte Software erkannte Risiken klassifiziere. In ihrer Antwort führte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, aus, dass in einem mehrstufigen Verfahren erforscht werde, wie man eine Software für diese speziellen Situationen trainiert. „Zur bestmöglichen Erprobung erfolgt ein stufenweises Vorgehen, welches die Einhaltung der rechtlichen, datenschutzrechtlichen und ethischen Anforderungen sicherstellt.“ Die Erprobung unter Laborbedingungen solle nachweisen, „ob das System technisch grundsätzlich in der Lage ist, das sich aus dem Anwendungsfall ergebende Problem zu lösen. Die anschließende technische Erprobung unter realitätsnahen Bedingungen stellt das System in Bezug auf die Komplexität realistischer Betriebseinflüsse auf die Probe. Um das Zusammenspiel zwischen Technik und Mensch zu prüfen (Wirksamkeit und Nutzen), erfolgt schließlich eine soziotechnische Erprobung.“ ada 20 FOKUS dbb magazin | März 2024

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