dbb magazin 9/2023

Im Westen ist die Zufriedenheit mit der Demokratie um 2,5 Prozentpunkte gestiegen, im Osten hat sie um zwei Prozentpunkte abgenommen. In den alten Bundesländern ist nun gut die Hälfte (52 Prozent), in den neuen Bundesländern ist nur noch wenig mehr als ein Drittel der Menschen (34 Prozent) mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden. Die Studie zeigt auch, dass die Unzufriedenheit häufig mit einem Glauben an Verschwörungsmythen sowie einem höheren Zuspruch zu direkter Demokratie oder Expertokratie zusammenfällt. Forschende des Else-Frenkel-Brunswick-Instituts (EFBI) der Universität Leipzig haben sich näher mit dem Demokratieverständnis in den neuen Bundesländern auseinandergesetzt und in ihrem aktuellen Policy Paper „Autoritäre Dynamiken und die Unzufriedenheit mit der Demokratie“ herausgefunden, dass sich die deutliche Mehrheit der Ostdeutschen zwar mit der Demokratie als Idee identifizieren kann. Die repräsentative Befragung unter 3 546 Menschen aus den ostdeutschen Bundesländern und dem Osten von Berlin hat aber auch ergeben, dass weniger als die Hälfte zufrieden mit dem Alltagserleben in der Demokratie ist. Die große Mehrheit der Befragten gab an, sich ohne politischen Einfluss zu fühlen. Die Identifikation als Ostdeutsche ist hoch, die Bilanz der Wende durchwachsen: „Ein Viertel fühlt sich als Verlierer der Wende, nicht mal die Hälfte möchte sich als Gewinner bezeichnen. Rückblickend ist die Zufriedenheit unter den Befragten mit ihrem Leben in der DDR hoch“, fasst Studienautor Prof. Dr. Oliver Decker ein zentrales Ergebnis der Befragung zusammen. Die Studie, die auch Fragen zum Erleben und zur Bewertung der Wendejahre stellt, entstand in Kooperation mit dem Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) – einem Verbund aus elf Hochschul- und Forschungsinstituten, der die Widersprüche des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland in den Blick nimmt. Fremdeln mit der Demokratie Die Studie ergab außerdem eine hohe Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen in den ostdeutschen Bundesländern. Chauvinistische und ausländerfeindliche Aussagen würden nur von einer Minderheit der Befragten abgelehnt, betonen die Projektleiter. Elemente der Neo-NS-Ideologie würden zwar nicht im selben Maße offen geäußert, antisemitische und sozialdarwinistische Statements finden aber ebenfalls Zustimmung – ein Drittel der Bevölkerung stimmt ihnen vollständig oder teilweise zu. Ausgeprägt sei die Zustimmung in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. „Hier ist damit das Potenzial für extrem rechte und neonazistische Parteien, Wähler zu finden, besonders hoch. Jeder Zweite wünscht sich eine ,starke Partei‘, die die ‚Volksgemeinschaft‘ insgesamt verkörpert. Statt pluralistischer Interessensvielfalt wird eine völkische Gemeinschaft gewünscht“, erläutert Prof. Dr. Elmar Brähler. Decker fügt hinzu: „Unsere Untersuchung zeigt, dass sich derzeit viele Menschen in den ostdeutschen Bundesländern nicht mehr demokratische Teilhabe und Sicherung der demokratischen Grundrechte wünschen, sondern die scheinbare Sicherheit einer autoritären Staatlichkeit.“ Die Zufriedenheit mit der Demokratie, wie sie im Alltag funktioniert, ist der Befragung zufolge schwach ausgeprägt. Nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung finde sich in ihr wieder. Das korrespondiere mit der hohen politischen Deprivation: Zwei Drittel halten es für sinnlos, sich politisch zu engagieren, und kaum jemand glaubt, einen Einfluss auf die Regierung zu haben. Dazu passt, dass die Verschwörungsmentalität neben der autoritären Aggression das am weitesten verbreitete Element des autoritären Syndroms ist. „Wir beobachten also ein ausgeprägtes Fremdeln mit der Demokratie, sie wird von vielen nicht als etwas Eigenes verstanden“, ergänzt der ebenfalls an der Studie beteiligte stellvertretende Direktor des EFBI, Dr. Johannes Kiess. Diese Werte seien seit etwa 20 Jahren konstant. Die Sehnsucht nach der DDR sei ausgeprägt, zwei Drittel teilen sie. Drei Viertel fühlten sich als Ostdeutsche. Viele fühlten sich aber auch als Deutsche und als Bürger der Bundesrepublik, mehrere Identitäten können also parallel zueinander existieren. Dieser Rückblick auf die DDR hängt nicht zuletzt mit dem Wunsch nach einer Einparteiendiktatur zusammen, wie es die hohe Zustimmung zur Forderung nach „einer einzigen starken Partei, die die Volksgemeinschaft verkörpert“ verdeutlicht. Diese Ergebnisse zeigen, dass extrem rechte Parteien mit ihren ideologischen Angeboten zahlreiche Anknüpfungspunkte in die Breite der Bevölkerung haben. Konsequenterweise finden sich unter den Anhängern der AfD auch die meisten Menschen mit rechtsextremen Einstellungen. ■ Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung: t1p.de/demokratievertrauen Die Studie des EFBI: t1p.de/autoritaere_dynamiken Webtipps Fotos: Colourbox.de (3) FOKUS 21 dbb magazin | September 2023

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