dbb magazin 9/2023

Demokratieforschung Warnsignale müssen ernst genommen werden Demokratische Strukturen allein sind noch kein Garant für eine lebendige und resiliente Demokratie. Die ganze Gesellschaft muss permanent und aktiv für ein faires Zusammenleben zwischen Debatte, Kompromiss und Konsens sorgen – gerade dann, wenn sich in Teilen der Bevölkerung Demokratieverdrossenheit breitmacht. Zwei aktuelle Studien geben Aufschluss über den Zustand unserer Demokratie. Das Vertrauen der Deutschen in die Demokratie ist trotz vielfältiger Krisen stabil. Das hat die repräsentative und bundesweit durchgeführte Studie „Demokratievertrauen in Krisenzeiten. Wie blicken die Menschen in Deutschland auf Politik, Institutionen und Gesellschaft?“ der Friedrich-Ebert-Stiftung ergeben. Sie attestiert aber auch teils große Unterschiede, je nach regionaler Herkunft, Bildung und sozialer Lage der Befragten. Im Vergleich zu einer vorangegangenen Studie von 2019 sind die Menschen heute sogar etwas zufriedener mit dem Funktionieren der Demokratie – und das trotz Krisen wie der Coronapandemie, dem Krieg in der Ukraine und der Inflation. Insgesamt ist der Wert um zwei Prozentpunkte angestiegen. Ein Grund zum Aufatmen ist dies nur bedingt. Denn nach wie vor sind mit 48,7 Prozent etwas weniger als die Hälfte der Menschen zufrieden mit der Demokratie. Verteilungsgerechtigkeit ist wichtig Teils große Unterschiede bei der Zufriedenheit gibt es je nach sozialer Lage. Menschen, denen es ökonomisch schlechter geht, die niedrigere Bildungsabschlüsse haben oder sich der Unter- oder Arbeiterschicht zurechnen, sind deutlich unzufriedener als diejenigen, denen es materiell gut geht. Nur 32,8 Prozent der Befragten, die sich der Unter- oder Arbeiterschicht zuordnen, sind mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden, während es in der oberen Mittel- und Oberschicht 64,2 Prozent sind. Eine Politik, die auf mehr Verteilungsgerechtigkeit und sozialen Ausgleich setzt, kann demnach auch das Vertrauen in die Demokratie wieder steigern. So spricht sich eine deutliche Mehrheit der Befragten beispielsweise für höhere Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen aus (57,6 Prozent). Darüber hinaus werden politische Probleme oft als (zu) komplex wahrgenommen. Parallel dazu scheint sich eine Sehnsucht nach einfachen und vermeintlich sachlich-neutralen Antworten zu zeigen: Die Zustimmung zu Formen wie direkter Demokratie und Expertenregierung steigt. Für die repräsentative Demokratie heißt das, dass sie ihre Stärken – einen fairen Interessenausgleich und die Organisation von gesellschaftlichem Zusammenhalt – besser zur Geltung bringen und neue Wege der Beteiligung eröffnen muss. Als weiteren beunruhigenden Befund weist die Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung aus, dass Verschwörungserzählungen zumindest in Teilen der Bevölkerung verfangen und gerade im rechten politischen Spektrum relativ hohe Zustimmung finden, was fast immer mit einer negativen Bewertung der Demokratie korreliert. Unterschiede zwischen Ost und West Zwischen Menschen im Osten und im Westen Deutschlands haben die Unterschiede im Vergleich zu 2019 weiter zugenommen: BRENNPUNKT 20 FOKUS dbb magazin | September 2023

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