dbb magazin 9/2022

Wissen darum, wie man einen Ordner im Computer anlegt und darin eine Datei abspeichert, fehlt vielen“, sagt Lyssenko. Lena Schrader unterrichtet seit zehn Jahren Mathe und Chemie. Seit zwei Jahren ist sie zudem in einer Weiterbildungsmaßnahme für Informatik in der Sekundarstufe I, das ab dem nächsten Schuljahr ein Pflichtfach im Land Niedersachsen ist. Derzeit bietet die 36-Jährige eine Informatik-AG am Ernestinum an. Um Grundlagen des Computers geht es aber auch hier nicht ausschließlich. Das sei eine beliebte, aber falsche Vorstellung, sagt sie. „Sie werden in Informatik unter anderem Programmieren lernen oder sich mit verschiedenen Verschlüsselungstechniken und Anwendungen auseinandersetzen. Fragen wie ,Wo speichere ich eine Datei?‘ oder ,Wie benutze ich eine Textverarbeitung?‘ kommen da nur am Rande vor.“ Es gibt aber bereits einen sechswöchigen Grundlagenkurs, aber auch das sei noch viel zu wenig. Zusammen mit ihrem Kollegen Paul Bauer administriert sie die IServ-Plattform für die Schule. „Besonders in der Pandemie hat uns die Plattform sehr geholfen, weil wir Aufgaben und Lerninhalte einfach hochladen und mit der Videofunktion auch die SchülerInnen im Homeschooling erreichen konnten.“ Einerseits wachsen die Kinder am Ernestinummit IServ auf, erzählt Bauer. Sie erhalten ihr Konto, wenn sie auf die Schule kommen. Andererseits zeigen sich auch in dieser Anwendung die angesprochenen Defizite in der Erkennung von Ordnerstrukturen oder „beim Schreiben von E-Mails fehlen die Standards wie die Begrüßungs- oder Schlussformel“. Die Schule bemühe sich um Grundlagenschulung, aber der Bedarf sei riesig und nicht immer zu decken. „Im Prinzip erreichen wir alle mit der Plattform“, sagt Bauer. „Wir erwarten eigentlich, dass die SchülerInnen mehrfach pro Woche reingucken, weil schon einige Mails geschrieben werden.“ SchülerInnen in Quarantäne schicke er überdies die Arbeitsblätter nach Hause. „Aber wir können uns nicht darauf verlassen, dass bei allen zu Hause das Internet funktioniert, dass die SchülerInnen einen Drucker haben oder überhaupt ein Endgerät zur Verfügung steht.“ Aus dem Grund laufen derzeit in einer Arbeitsgruppe aus Eltern, SchülerInnen und Lehrkräften Diskussionen darum, das Ernestinum zur sogenannten IPad-Schule auszubauen – ein geflügeltes Wort –, ohne dass über den Anbieter schon entschieden ist. Jeder Schüler und jede Schülerin bekommt ein eigenes Tablet, wie bei anderen Lehr- und Lernmaterialien sind die Eltern an der Anschaffung finanziell beteiligt. Anlass der Debatte war die Anschaffung eines neuen modernen Taschenrechners für die SchülerInnen, der pro Stück zwischen 150 und 200 Euro kosten soll. „Da haben wir überlegt, ob wir gleich Tablets anschaffen, die zwar in der Anschaffung teurer sind, aber die gleichen Funk- tionen haben und darüber hinaus weitere Möglichkeiten bieten“, sagt Bauer. „Eine andere Möglichkeit wäre das Prinzip ‚Bring Your Own Device‘.“ Viele Apps laufen plattformübergreifend, sodass die SchülerInnen die auch mit ihren eigenen Handys oder Tablets im Unterricht nutzen könnten. Das stellt aber die Lehrkräfte potenziell vor einige Mehrarbeit, weil sie dann Fragen zu mehreren Betriebssystemen beantworten können müssen. Arbeitserleichterung oder mehr Arbeit durch neue Technik? In der Pandemie habe sich die Nutzung von IServ „massiv verbessert“, sagt Paul Bauer. Viele KollegInnen, die vorher vielleicht noch skeptisch waren, hätten ihn angesprochen. Besonders das Videokonferenzmodul und das Aufgabenmodul seien stark genutzt worden, Ersteres habe vor der Pandemie keine Rolle gespielt. Digitalisierung sei in erster Linie eine Chance, meint Bauer, „aber es kommt immer darauf an, wen Sie fragen“. Ob man besser am Tablet oder mit einem Buch lesen lernt, darüber gehen die Meinungen stark auseinander. Diejenigen, die sich in ihrem Alltag viel mit digitalen Geräten beschäftigten, sähen weniger Probleme. Für Bauer bietet die Digitalisierung der Schule in erster Linie eine Chance, Kinder frühzeitig auf die digitale Welt vorzubereiten. Neben der Arbeitserleichterung wachse die Arbeit an anderen Stellen, sagt Lena SchraMit dem DigitalPakt Schule wollen Bund und Länder der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung tragen und die notwendigen Voraussetzungen für die Bildung in der digitalen Welt schaffen. Für den Förderzeitraum von 2019 bis 2024 stehen im Rahmen des Basis-DigitalPakts 5 Milliarden Euro zur Verfügung, die gemäß des Königsteiner Schlüssels an die Länder verteilt werden. Gefördert werden können unter anderem der Ausbau des Schul-WLAN, der Aufbau von Lernplattformen, interaktive Anzeigetafeln oder digitale Arbeitsgeräte. Um den Unterricht während der pandemiebedingten Schulschließungen aufrechterhalten zu können, wurde der DigitalPakt Schule 2020 um drei Zusatzvereinbarungen à 500 Millionen Euro erweitert. Mit diesen Mitteln sollten mobile Endgeräte für die Schülerinnen und Schüler, die IT-Administration an Schulen und digitale Leihgeräte für Lehrkräfte finanziert werden. Zum Stichtag 31. Dezember 2021 flossen aus dem Basis-DigitalPakt 423 Millionen Euro von den zur Verfügung stehenden 5 Milliarden Euro ab. Der Mittelabfluss zur Förderung mobiler Endgeräte für Schülerinnen und Schüler lag bei 495 Millionen Euro, für die Lehrkräfte lag er bei knapp 300 Millionen, bei der Finanzierung von IT-Administratoren waren es 11 Millionen Euro. jos DigitalPakt Schule „Eine App bedienen können die meisten, das Wissen darum, wie man einen Ordner im Computer anlegt und darin eine Datei abspeichert, fehlt vielen“, sagt Kunstlehrerin Maria Lyssenko. Lena Schrader und Paul Bauer administrieren die IServ-Plattform des Ernestinums. „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass bei allen zu Hause das Internet funktioniert oder überhaupt ein Endgerät zur Verfügung steht.“ Paul Bauer 22 FOKUS dbb magazin | September 2022

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