dbb magazin 3/2022

bildeten. Doch Frauen können Technik und Männer Pflege! Um diese tradierten Rollenstereotype zu ändern, nimmt Bildung eine Schlüsselposition ein. Wir brauchen vorurteilsfreie und geschlechterneutrale pädagogische Konzepte in Schule, Hochschule und vor allem bei der beruflichen Beratung. Es genügt nicht, in der Schule eine AG Programmierung anzubieten, an der dann nur Jungs teilnehmen. Es ist wichtig zu fragen: Warum nehmen Mädchen nicht daran teil? Liegt es an der Gestaltung des Raums, liegt es an der Ankündigung, dem Thema, liegt es an Rollenklischees, die in der Klasse, an der Schule, durch das Lehrpersonal bewusst oder unbewusst vermittelt werden? Ein Pflichtfach Informatik, das Jungen und Mädchen für IT begeistert und das Geheimnis um künstliche Intelligenz entmystifiziert, wäre ein guter Anfang, hier etwas zu verändern. Schauen wir konkret auf den öffentlichen Dienst. Welche beruflichen Chancen bietet der öffentliche IT-Sektor Frauen aus dem Tech-Bereich – insbesondere weiblichen IT-Fachkräften? Welche Eigenschaften machen den öffentlichen Dienst aus Ihrer Sicht zum interessanten Arbeitgeber für ITlerinnen? Die Tarifverträge im öffentlichen Dienst sind ein gutes Instrument, um gleiche Bezahlung für gleiche Tätigkeiten zu garantieren. Interessant wird es bei der Beurteilung und Beförderung. Welche Kriterien und Einschätzungen zählen hier? Wer nimmt sie vor und wie wird verhindert, dass unbewusste Vorurteile mitspielen? Niemand ist frei von unconsious bias. Sind Familienauszeiten und Teilzeit Ausschlusskriterien für Weiterbildung und Beförderung? Wenn der öffentliche Dienst sich hier als Vorreiter positioniert, hat das Vorteile im Kampf um die raren weiblichen IT-Kräfte. Was können Personaler(innen) beimRecruiting besser machen, umweibliche IT-Spezialistinnen und technikaffine Fachkräfte für eine Anstellung im öffentlichen Dienst zu begeistern? Personaler(innen) können ein Unternehmen nicht attraktiv machen. Möchte ich diverse Teams, weil sie effizienter und ökonomischer wirtschaften, wie viele Studien belegen, muss sich die Unternehmenskultur ändern. Bei den Stellenausschreibungen liegt die Verantwortung aber sehr wohl bei den Personalverantwortlichen. Es reicht leider nicht „m/w/d“ anzuhängen, der ganze Ausschreibungstext muss überprüft werden. Frauen hinterfragen sich oft selbstkritischer als Männer. Sie überlegen sich dreimal, ob sie zum Beispiel analytische Fähigkeiten haben. Diese Leerphrase durch die konkrete Aufgabe zu ersetzen, zum Beispiel: „Sie können mit Phyton umgehen?“, ermöglicht eine eindeutige Antwort. Und verhindert gleichzeitig, dass sich Menschen bewerben, die sich für analytisch halten, aber die spezielle Aufgabe gar nicht umsetzen können. Welche Rolle spielt eine stärker auf IT-Themen zielende Aus- und Weiterbildung des Bestandspersonals, um die Fachkräfteproblematik im öffentlichen Sektor langfristig in den Griff zu bekommen? Eine wichtige Maßnahme, doch müssen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder der Zugang zu digitaler Ausrüstung Frauen und Männern zu gleichen Teilen zur Verfügung stehen. Typische Lebensbiografien von Frauen sind mitzudenken – Teilzeit und Familienauszeiten dürfen keine Rolle spielen. Ein Quereinstieg ist in vielen Bereichen möglich. Selbstverständlich müssen sich die erworbenen Fähigkeiten in höherem Entgelt widerspiegeln. Ebenso müssen Frauen konsequent an der Entwicklung mobiler Arbeitsprozesse beteiligt werden, damit Wissen und Kenntnisse von allen Beteiligten die Umwandlungsprozesse so erfolgreich wie möglich gestalten. Diskutiert wird auch die Frage, ob es für IT-Kräfte gesonderte Tarifverträge im öffentlichen Dienst geben sollte. Wie stehen Sie zu dieser Debatte mit Blick auf geschlechtergerechte Bezahlung? Nach demMotto der Markt erfordert es, sonst heuern die raren Fachkräfte in der freien Wirtschaft an Interessant, dass es in diesem Fall eine Berufsgruppe trifft, in der überwiegend Männer arbeiten. 80 Prozent aller Programmierenden sind männlich. Geschlechtsneutrale Kriterien für die Bezahlung sind auf jeden Fall der bessere Weg, da sollte auch der IT-Bereich keine Ausnahme machen. Ernüchternd auf der anderen Seite ist, dass es für die händeringend Fachkräfte suchende Pflegebranche, in der vor allem Frauen arbeiten, nicht schon längst einen branchenübergreifenden Tarifvertrag gibt. Wie sollte ein IT-Tarifvertrag öffentlicher Dienst aus Ihrer Sicht ausgestaltet sein, um Entgeltunterschiede langfristig auszuschließen und günstigstenfalls sogar gendergerechte Bezahlung festzuschreiben? Gleiche Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit ist die Voraussetzung, um die geschlechtsspezifische Lohnlücke zu verringern. Doch selbst bei gleicher Tätigkeit, Qualifikation und Erfahrung verdienen Frauen immer noch sechs Prozent weniger, in Informatikberufen laut Expertise von Aline Zucco für den Dritten Gleichstellungsbericht sogar sieben Prozent. Faire Bezahlung wird durch geschlechtsneutrale, transparente Gehaltskriterien erreicht wie sie zum Beispiel der Comparable Worth Index der Hans-­ Böckler-Stiftung vorschlägt. Jede Anforderung, die ein Beruf stellt, erhält einen Punkt – gleiche Punktzahl, gleiche Bezahlung. Die Fragen stellte Birgit Strahlendorff. Personaler(inn)en können ein Unternehmen nicht attraktiv machen. Möchte ich diverse Teams, weil sie effizienter und ökonomischer wirtschaften, wie viele Studien belegen, muss sich die Unternehmenskultur ändern. Gleiche Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit ist die Voraussetzung, um die geschlechtsspezifische Lohnlücke zu verringern. INTERN 33 dbb magazin | März 2022

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