dbb magazin 1-2/2022

Nachgefragt beim dbb Bundesvorsitzenden und Verhandlungsführer SuE, Ulrich Silberbach In diesem Jahr sind verantwortungsbewusste Tarifverhandlungen möglich Herr Silberbach, 2020 wurden die SuE-Verhandlungen wegen der Coronapandemie vertagt. Was ist denn heute anders? Niemand kennt sich mit „Verantwortung“ besser aus als die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst. Und es erschien uns unverantwortlich, in der gerade Fahrt aufnehmenden Pandemie mit allen ihren Unwägbarkeiten und schlimmen Folgen über die wichtigen Themen im Berufsfeld auf Teufel komm raus zu verhandeln. Zeitgleich haben wir mit den kommunalen Arbeitgebern ja beispielsweise einen Tarifvertrag über Kurzarbeit abgeschlossen – ein absolutes Novum im öffentlichen Dienst! Heute stellt sich die Situation deutlich anders dar: Die Pandemie ist natürlich nicht vorbei, aber dank des Impffortschritts und der gesammelten Erfahrungen der letzten Monate sind wir der Meinung, verantwortungsbewusste Tarifverhandlungen führen zu können. Unsere Themen werden ja auch nicht weniger drängend. Also müssen sich Eltern, von denen viele in den letzten Monaten ohnehin enorm belastet waren, imMärz und April auf Kitastreiks einstellen? Das haben in erster Linie die Arbeitgeber in der Hand. Leider sieht es nicht so aus, als wären sie derzeit bereit, die notwendigen Schritte zu gehen. Aber das ist ja auch nicht unüblich, und Streiks sind nun mal ein wesentlicher Bestandteil von Tarifkonflikten beziehungsweise Arbeitskämpfen. Und seien wir ehrlich: Irgendeinen Grund werden Gegner der Wertschätzung für die Beschäftigten immer finden, warum ein Streik in einem bestimmten Moment total unpassend ist. Aber ich kann versprechen, dass wir verantwortungsvoll mit dem Streikrecht umgehen. Das haben wir immer getan. Deshalb ist etwa im Kitabereich eine deutliche Mehrheit der Eltern auf unserer Seite. Statt wütend auf die Erzieherinnen und Erzieher zu sein, stellen die sich mittlerweile mit einem Plakat zusammen mit uns zum Protestieren vor das Rathaus. Das ist wunderbar. Haben Sie keine Sorge, dass die Pandemie Ihre Aktionsfähigkeit als Gewerkschaft einschränkt? Nein. Als wir mit den Verhandlungen zur dauerhaften Aufwertung des SuE-Bereichs angefangen haben, war bei den Beschäftigten eine große Zurückhaltung zu spüren. Da musste man die Leute gefühlt noch zum Jagen tragen. Das Phänomen ist ja aus vielen sozialen Berufen bekannt. Aber das ist lange vorbei, wie man ja auch etwa an den Pflegestreiks letztes Jahr in Berlin gesehen hat. Es gibt ein ganz neues Selbstbewusstsein bei den Beschäftigten, und das freut mich sehr! Daher bin ich mir sicher, dass wir auch unter Berücksichtigung der Coronaregeln den notwendigen Rückenwind erzeugen können. Und den brauchen wir als Gewerkschafter, die am Verhandlungstisch die Gespräche führen, auch. Ob mit Streiks oder neuen, kreativen Protestformen: Wir werden gemeinsam für ein starkes Ergebnis kämpfen! Die Fragen stellte Michael Eufinger. © Marco Urban ? Arbeitgeber und Gewerkschaften haben zunächst drei Verhandlungsrunden vereinbart: Auftakt ist am 25. Februar 2022 in Potsdam, das zweite Treffen findet am 21./22. März ebenfalls in Potsdam statt. Der dritte Termin war zum Redaktionsschluss noch in Abstimmung. Alle Informationen zur Tarifrunde werden unter www.dbb.de/sue zur Verfügung gestellt. Termine gleich unter mehreren Gesichtspunkten: So sollen beispielsweise Leitungsfunktionen nicht nur entsprechend bezahlt, sondern auch durch die verpflichtende Einführung von Stellvertretungspositionen entlastet werden – die dann natürlich ebenfalls entsprechend der Verantwortung entlohnt werden müssen. Aber auch ganz grundsätzlich soll die Arbeit „amMenschen“ qualitativ besser werden, in demmehr Vorbereitungszeit für Inhalte und auch Organisatorisches eingeplant wird. Nicht zuletzt wird es bei den Verhandlungen, die für den dbb der Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach (siehe Interview) führen wird, auch um das Thema „Qualifikation“ gehen. Hier fordern die Gewerkschaften nicht weniger als einen Rechtsanspruch der Beschäftigten auf regelmäßige Fortbildungen, ganz im Sinne einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung und Sozialen Arbeit. Fort- und Weiterbildungen sollten dann selbstverständlich auch bei der Bezahlung honoriert werden. Mehr Qualität soll nicht zuletzt auch durch eine bessere Vergütung und größere Zeitkontingente für jene Beschäftigten erreicht werden, die die Praxisanleitung von Nachwuchskräften übernehmen. ef AKTUELL 9 dbb magazin | Januar/Februar 2022

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