dbb magazin 11/2021

nachgefragt Wir wollen Taten sehen Welche Erwartungen hat der dbb an die Ampelkoalitionäre? Welche Projekte soll die neue Bundesregierung zuerst an­ packen? Wir erwarten vor allem ein Sofortprogramm zur Ertüch­ tigung des öffentlichen Diens­ tes. Es wurde genug geredet, genug applaudiert, es gab ge­ nug mehr oder weniger kluge Studien und Arbeitsgruppen über die Herausforderungen, vor denen der öffentliche Dienst zum Beispiel bei den Themen Digitalisierung, Quali­ fizierung und Weiterbildung, demografiefeste Personalaus­ stattung, wettbewerbsfähige Arbeits und Einkommensbe­ dingungen oder Entbürokrati­ sierung steht. Wir wollen end­ lich Taten sehen! Konkret heißt das, wir fordern zum Beispiel eine staatsver­ traglich abgesicherte gemein­ same Digitalagentur von Bund, Ländern und Kommunen, die über die Kompetenzen und über die Personal- und Finanz­ ausstattung verfügt, um die Digitalisierung in Deutschland endlich wirklich voranzubrin­ gen. Im OECD-Ranking Digitali­ sierung liegen wir immer noch im letzten Viertel. Das ist in­ akzeptabel. Neben der technischen Ertüchtigung brauchen wir aber auch ein klares Signal der Wertschätzung an die Be­ schäftigten. Wir fordern reale Einkommenszuwächse, die Wiederherstellung einer ver­ fassungsgemäßen Alimentati­ on sowie die überfällige Rück­ nahme der Wochenarbeitszeit für Beamtinnen und Beamte des Bundes, die Senkung der Arbeitsbelastung und die Aus­ weitung der Ausbildungskapa­ zitäten in allen Bereichen. Wo ziehen Sie „rote Linien“? Wovon soll die Politik die Finger lassen? Natürlich von allen Maßnah­ men, die einer solchen Ertüch­ tigung imWege stehen: vom Personalabbau und weiteren Sparwellen, von Überregulie­ rung und Bürokratisierung zulasten der Bürger und Be­ schäftigten, vom wuchern- den Beraterunwesen, von der Zwangseinheitsversicherung und Eingriffen in die Beamten­ versorgung. Aus Sicht des öffentlichen Dienstes: Was waren die größ­ ten Fortschritte und Fehlent­ scheidungen der Merkel-Ära? Alles in allem waren das gute Jahre für Deutschland. Im Kri­ senmanagement hat sich der pragmatische Führungsstil der Kanzlerin bewährt, hat gehol­ fen, Finanz-, Flüchtlings- und Corona-Krisen gut zu überste­ hen und Europa zusammenzu­ halten. Im internationalen Ver­ gleich stehen wir insgesamt immer noch gut da. Es waren aber auch sehr reak­ tive Jahre. Zukunftsweisende Projekte, erst recht mit Blick auf die Stärkung und Moder­ nisierung des öffentlichen Dienstes, hat es unter Merkel höchstens in Ansätzen gege­ ben. Wir könnten und müss­ ten da weiter sein. Und dann war da noch das unsägliche Tarifeinheitsgesetz. Ohne Not hat die Bundesregie­ rung hier eine Regelung beschlos­ sen, die die Koalitionsfreiheit infrage stellt, Unfrieden in die Betriebe trägt und die Gewerk­ schaften gegeneinander auf­ hetzt. Das war kein Pragmatis­ mus, sondern eine reine Gefäl- ligkeitsgesetzgebung für DBG und BDA. Diese Regelung gehört schleunigst rückabgewickelt. Unter den Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst sind die Grünen bei der Bundestagswahl stärkste Partei geworden. Wie erklären Sie sich das? Wenn man sich die grüne Programmatik mit Blick auf Zwangseinheitsversicherung und Beamtenstatus anschaut, können sie damit jedenfalls nicht materielle Eigeninteres­ sen verfolgt haben. Es dürfte eher mit der im Vergleich stabi­ len beruflichen Situation der Menschen im öffentlichen Dienst zu tun haben. Eine von uns in Auftrag gegebene forsa- Umfrage zumWahlverhalten hat ergeben, dass das Thema Klimawandel für die Kollegin­ nen und Kollegen noch viel zentraler bei der Wahlentschei­ dung war als beim Rest der Be­ völkerung. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst stellen die Interessen ihrer Kinder und Enkelkinder offensichtlich klar über kurzfristigen Eigennutz. Sympathisch ist das auf jeden Fall, ob es auch klug ist, will ich hier mal offenlassen. Die Fragen stellte Frank Zitka. ? nachgefragt bei ... ... dbb Chef Ulrich Silberbach < Ulrich Silberbach © Marco Urban 4 dbb > dbb magazin | November 2021

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