dbb magazin 10/2021

dialog Dialogreihe zur Verwaltungsdigitalisierung Zoll und Jugend wollen digitaler werden Im Rahmen der virtuellen Dialogreihe des dbb zum Stand der Verwaltungsdigitalisierung kamen im Sep- tember 2021 Beschäftigte aus dem Bereich Zoll in der Finanzverwaltung und junge Beschäftigte ins Gespräch mit dbb Chef Ulrich Silberbach. Das gemeinsame Fazit: Dem Staat fehlt die zentrale Idee. Für den stellvertretenden Bun- desvorsitzenden des BDZ Deut- sche Zoll- und Finanzgewerk- schaft, Thomas Liebel, hat die IT-Infrastruktur beim Zoll einen großen Stellenwert, wenn es darum geht, pro Jahr rund 52 Millionen Kfz-Steuerbescheide, 251 Millionen Zollabfertigun- gen, 145000 Geldwäsche-Ver- dachtsmeldungen sowie 56000 Überprüfungen möglicher Fälle von Schwarzarbeit zu bewälti- gen. Neuerdings werde beim Zoll auch künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt, was allerdings auch Nachteile mit sich bringe, wenn im Zuge dessen zum Bei- spiel Dienstpostenbewertungen angepasst würden. Ein weiteres Problem sei die Entgrenzung von Arbeit durch mobiles Arbei- ten, „hier müssen wir manche Kolleginnen und Kollegen vor sich selbst schützen, damit sie sich nicht selbst unter Druck setzen“, so Liebel. Mobile Arbeit brauche klare Regeln. In diesem Zusammenhang wies der BDZ- Vize darauf hin, dass die Model- le für mobiles Arbeiten nach der Pandemie flexibel auf die unter- schiedlichen Bedürfnisse der Beschäftigten zugeschnitten werden müssten, zumal im Zuge der Veränderungen in der Arbeitswelt auch das Liegen- schaftsmanagement neu aus­ gerichtet würde. Jörg Kirmße leitet den Ständigen Fachausschuss Informations- und Kommunikationstechnik beim BDZ und ist im Bundesmi- nisterium der Finanzen unter anderemmit der Stabsstelle KI und Quantencomputing be- fasst. Was die Nutzung privater Geräte im Dienst betrifft, ist seine Line klar: „Man kann nicht verlangen, dass private Geräte für den Dienst genutzt werden. Ausstattung ist Sache des Dienstherrn.“ Wenn Zöllner heute mit Tablets und Analyse- software zum Beschautermin gingen, seien private Geräte auch in rechtlicher Hinsicht kei- ne Alternative mehr, sondern ein „No-Go“. Kritisch betrachtet Kirmße die Beurteilung der Erfüllungsaufwände und Per­ sonalbedarfe für die Digitalisie- rung. Am Beispiel des Online­ zugangsgesetzes von 2017 illustrierte er, wie weit dort oft Wunsch und Wirklichkeit ausei- nanderliegen. So sei das Gesetz als kostenneutral mit einem Einsparpotenzial von 700 Mil­ lionen Euro pro Jahr entworfen worden. „In der Realität hat das Gesetz im Jahr 2021 einen Per- sonalkostenmehrbedarf von 2,2 Millionen Euro beim UTZ Bund zur Folge, und beim Zoll und in der Steuerverwaltung erwarten wir ebenfalls einen signifikanten Mehrbedarf.“ Kirmßes Forderungen: mehr Fachkompetenz bei Nachhal­ tigkeit der Digitalisierung, eine realistische Gesetzesfolgen­ einschätzung, realistische Zeit­ ansätze und mit Blick auf rund 23000 fehlende IT-Fachkräfte dauerhaft mehr Personal. Nur so könne der komplette struk- turelle Umbruch, den die IT- Konsolidierung im BMF be­ deute, gestemmt werden. Jana Danielle Kunze, die im BMF im Referat IT-Strategie ar- beitet und mitverantwortlich für die Dienstekonsolidierung ist, skizzierte, wie alle Beschäf- tigten von den Umstrukturie- rungen betroffen sind. So dürf- ten bis 2025 zum Beispiel nur noch zwei IT-Dienstleistungen pro Arbeitsvorgang zur Verfü- gung stehen, damit die Syste- me zentraler gesteuert werden können, das Bundesministeri- um des Innern erhebe dafür den Konsolidierungsbedarf. In der Folge könnten jedoch die individuellen Besonderheiten der einzelnen Systeme nicht mehr hinreichend berücksich- tigt werden, worunter die Nut- zerfreundlichkeit leide. Hier müssten die Interessenvertre- tungen der Beschäftigten aktiv einbezogen werden und die Nutzerfreundlichkeit im Vor- dergrund der Reformen stehen. < Zoll: Ausbildug muss Schritt halten Andreas Pawlak, freigestellter Personalrat im Infotechnik­ zentrum Düsseldorf, eine Bundesoberbehörde im Ge- schäftsbereich des Bundesfi- nanzministeriums, der vor sei- ner Freistellung viel Erfahrung im Bereich Serverinternet ge- sammelt hat, misst dem Faktor Ausbildung bei der Digitalisie- rung der Finanzverwaltung einen hohen Stellenwert bei: „Wir haben seit Jahren mehr Stellen, als wir besetzen kön- nen. Um hier gegenzusteuern, hat sich die Ausbildung für uns am nachhaltigsten erwiesen. Die jungen Leute sind zwar erst © zoll.de (2) 27 > dbb magazin | Oktober 2021

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