dbb magazin 10/2021

drei fragen an ??? drei fragen an ... Gerd Friedsam, Präsident des Technischen Hilfswerks (THW) Unsere Ehrenamtlichen haben mehr als zwei Millionen Einsatzstunden geleistet 1 Nach der Flutkatastro- phe vom Juli in Nord- rhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wurde Kritik amWarnsystem des Katastro- phenschutzes laut. Was muss aus Ihrer Sicht dringend ver­ bessert werden? Natürlich gibt es immer Mög­ lichkeiten, den Katastrophen­ schutz in Deutschland weiter zu verbessern. Zum Beispiel baut das THW aufgrund der Erfahrungen aus der Corona- Pandemie in einem ersten Schritt vier zusätzliche Logis­ tikzentren auf. Vier weitere sollen folgen, sodass zukünftig jeder der acht THW-Landesver­ bände über ein Logistikzen­ trum verfügen wird. Auch aus den Einsätzen an den Flüssen Ahr und Erft ergibt sich die Notwendigkeit, Dinge zu optimieren. Dazu wird dieser Einsatz auf den Ebenen von Bund, Ländern und Kommunen detailliert ausgewertet. Das THWwird – wie nach Einsätzen üblich und sinnvoll – Schluss­ folgerungen ziehen, um für die Zukunft zu lernen und notwen­ dige Anpassungen vorzuneh­ men. Derzeit sind wir weiterhin vor Ort an zahlreichen Einsatz­ stellen im Ahrtal tätig. Unsere ehrenamtlichen THW-Einsatz­ kräfte haben im Rahmen der Unwetterkatastrophe bereits mehr als zwei Millionen Ein­ satzstunden geleistet, um den Menschen in den betroffenen Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zu helfen. In der öffentlichen Debatte werden verschiedene Maßnah­ men zur Warnung der Bevölke­ rung diskutiert. Zwei davon will ich hier beispielhaft er­ wähnen, die bereits beschlos­ sen sind und umgesetzt wer­ den: Die Einführung von Cell Broadcast als zusätzlichem Ka­ nal zur Warnung der Bevölke­ rung über Handys sowie das Förderprogramm zum Ausbau des Sirenennetzes. Beide sind begrüßenswert. 2 Auch die Helferinnen und Helfer des THW sind wie andere Einsatzkräf- te zunehmenden tätlichen An- griffen ausgesetzt. Wie tritt das THW dem gegenüber? Unsere Erfahrung ist, dass die Betroffenen sehr dankbar für die Hilfe sind. Man muss aber auch verstehen, dass auf Kata­ strophen von diesem Ausmaß Menschen sehr unterschiedlich reagieren können. Auch wenn es die absolute Ausnahme ist, hat es während des Hochwas­ sereinsatzes in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ver­ einzelte, meist verbale Über­ griffe auf THW-Einsatzkräfte gegeben. Auch wenn wir diese Angriffe auf das THW und auf unsere Einsatzkräfte nicht tole­ rieren, können wir nachempfin­ den, dass sich diese Menschen in einem emotionalen Aus­ nahmezustand befinden. Wir behalten uns aber auch vor, Übergriffe bei der Polizei an­ zuzeigen. Unseren eigenen Einsatzkräf­ ten machen wir stets das An­ gebot, sich nach belastenden Einsätzen an ein sogenanntes „Einsatznachsorge-Team“ zu wenden. Diese Teams sind spe­ ziell ausgebildet, um Einsatz­ kräfte zu unterstützen, solche stressenden Situationen in Ein­ zel- oder Gruppengesprächen zu verarbeiten. 3 Ist das THW ausreichend ausgestattet und gibt es genügend interessierten Nachwuchs? In den vergangenen Jahren sind im Bundeshaushalt die Mittel für das THW zur Beschaffung von Fahrzeugen und Geräten deutlich erhöht worden. Da­ durch sind wir in diesem Jahr erstmals in der Lage, innerhalb von zwölf Monaten bundesweit mehr als 1000 fabrikneue Ein­ satzfahrzeuge, Anhänger und Großpumpen an unsere THW- Ortsverbände zu übergeben. Damit sind wir sehr zufrieden, denn eine moderne Ausstat­ tung trägt dazu bei, effektive Hilfe leisten zu können und hält natürlich die Motivation bei den Ehrenamtlichen hoch. Sehr erfreulich ist auch die Entwicklung, dass sich aktuell viele Menschen für ein ehren­ amtliches Engagement beim THW interessieren. Alleine im Juli 2021 haben sich im Rah­ men der THW-Kampagne „Dei­ ne Zeit ist jetzt.“ rund 3700 Interessierte bei uns gemeldet. In den ersten zwölf Monaten seit dem Start der Kampagne im September 2020 sind fast 6300 Frauen und Männer neu ins THW eingetreten und ha­ ben ihre Grundausbildung ge­ startet beziehungsweise tun dies in Kürze. Hinzu kommt ein großes Interesse, beim THW einen Bundesfreiwilligendienst abzuleisten. Derzeit engagie­ ren sich im THWmehr als 700 Frauen und Männer als Bun­ desfreiwilligendienstleistende. Über diese personelle Unter­ stützung für die Einsatzkräfte in den Ortsverbänden freuen wir uns sehr. < Gerd Friedsam © TWH 20 dbb > dbb magazin | Oktober 2021

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