dbb magazin 7-8/2021

desregierung nicht zu erreichen wären. Die Grünen im NRW- Landtag haben einen eigenen Entwurf für ein Fahrradgesetz vorgestellt, der einen zentralen Landesradverkehrsplan mit ver­ bindlichen Zielen und Fristen sowie mehr geschultes Pla­ nungspersonal in den Kommu­ nen sowie beim Landesbetrieb Straßen.NRW vorsieht. Beide Gesetzesentwürfe sollen Ende August in einer Anhörung mit Expertinnen und Experten im Landtag diskutiert werden. Die Bestrebungen der Politik für eine bessere Radinfrastruk­ tur in Nordrhein-Westfalen, sind wie in Berlin auf den Druck zivilgesellschaftlicher Initiativen zurückzuführen. Das Bündnis „Aufbruch Fahr­ rad“, dem 215 Vereine, Verbän­ de und Gewerkschaften ange­ hören, hatte 2019 für eine Volksinitiative fast 207000 Unterschriften für eine Ver­ kehrswende und konkrete Maßnahmen zur Förderung der Fahrradmobilität gesammelt. Der Landtag begrüßte das En­ gagement und beauftragte die Landesregierung, ein Gesetz zu erarbeiten, das die Forderun­ gen der Volksinitiative „Auf­ bruch Fahrrad“ aufgreift. Bei der Verbändeanhörung über das nun vorgelegte Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz forderten die Initiatoren und Unterstützer jedoch deutliche Nachbesserungen. „Insgesamt fehlt es an Konsequenz, Ver­ bindlichkeit und Ambition, um die bisher landesweit nur rund acht Prozent Radverkehrsanteil an der Gesamtmobilität in den nächsten Jahren auf 25 Prozent zu steigern. Die Landesregie­ rung scheut sich offenbar da­ vor, den vorhandenen Platz, der bislang für das Auto reser­ viert ist, neu aufzuteilen. Das ist aber die Grundvorausset­ zung für eine Mobilitätswen­ de“, sagte Thomas Semmel­ mann, Landesvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahr­ rad-Clubs (ADFC NRW). < Mehr Radverkehr, zu wenig Infrastruktur Die Corona-Pandemie hat dem seit Jahren zunehmenden Rad­ verkehr in Deutschland einen weiteren Aufschwung ver­ schafft. Ob als Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeit oder für den Urlaub: Über 80 Prozent der Deutschen nutzen das Fahr­ rad, 55 Prozent halten es für ein unverzichtbares Verkehrsmittel. Immer mehr Menschen lassen vor allem bei Distanzen von bis zu 15 Kilometern das Auto ste­ hen und nehmen stattdessen das Fahrrad. Jedoch wird die Verkehrsinfrastruktur den Ent­ wicklungen in den meisten Re­ gionen nicht gerecht, denn sie ist vor allem auf Automobilität ausgerichtet. Der Bund hat die Aufgabe, die Rahmenbedin­ gungen für den Radverkehr in seiner Zuständigkeit als Gesetz­ geber sowie den Bau von Rad­ wegen an Bundesstraßen zu fördern. Aber im Rahmen des föderalen Systems sind die Län­ der und Kommunen für die ein­ zelnen Maßnahmen der Rad­ verkehrsförderung vor Ort zu­ ständig. Seit Ende Januar 2021 können Länder und Gemeinden erstmals Bundesmittel vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) für ihre Radverkehrsinfrastruk­ turprojekte vor Ort einsetzen. Das BMVI hat dafür das Finanz­ hilfe-Sonderprogramm „Stadt und Land“ mit bis zu 657 Millio­ nen Euro ausgestattet. Die För­ derung soll für Investitionen in die Fahrradinfrastruktur einge­ setzt werden, die die Attraktivi­ tät und Sicherheit des Radfah­ rens erhöhen und zum Aufbau einer möglichst flächendecken­ den Radinfrastruktur beitragen. Stadt-Umland-Verbindungen – auch über kommunale Gren­ zen hinweg – werden dabei besonders begrüßt. < Fahrradland Deutschland Deutschland soll bis 2030 zum „Fahrradland“ werden, so sieht es der Nationale Radverkehrs­ plan (NRVP) vor. Der NRVP 3.0 ist die Strategie für die Rad­ verkehrsförderung in ganz Deutschland. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden, Ver­ waltung und Zivilgesellschaft haben daran mitgearbeitet. Auch die Bürgerinnen und Bür­ ger kamen zu Wort und haben im Rahmen einer Online-Betei­ ligung über 2000 Ideen zur Verbesserung des Radverkehrs eingereicht. Zudem stimmten sie auch über die Leitziele des NRVP 3.0 ab. Dabei bewerteten sie einen lückenlosen Radver­ kehr mit großem Abstand als wichtigstes Leitziel. Eine große Bedeutung wurde auch dem Pendeln und fahrradfreund­ lichen Strukturen sowie der gezielten Förderung des Rad­ fahrens in städtischen und ländlichen Räumen beigemes­ sen. Der NRVP 3.0 umfasst auch konkrete Ziele: Fahrräder und Autos sollten künftig gleichberechtigt nebenein­ ander existieren. Die durch­ schnittliche Länge der mit dem Rad zurückgelegten Wege soll sich von 3,7 auf sechs Kilome­ ter erhöhen. Außerdem ist geplant, dass sich die Zahl der im Verkehr getöteten Radfah­ renden gegenüber 2019 um 40 Prozent reduziert. Die finan­ zielle Förderung des Radver­ kehrs durch Bund, Länder und Kommunen orientiert sich zu­ künftig laut NRVP 3.0 an rund 30 Euro je Person und Jahr. < Lebensqualität in den Städten und Gemeinden Die Förderung des Radverkehrs kommt allen Menschen zugute, auch denjenigen, die überwie­ gend das Auto nutzen oder zu Fuß gehen, denn der Radverkehr ist umweltfreundlich. Der Flä­ chenbedarf ist gering und Fahr­ rad fahren ist weder mit Lärm noch mit schädlichen Emissio­ nen verbunden. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden Städ­ te, Gemeinden und Regionen mit hohen Radverkehrsanteilen oft von den Einwohnerinnen und Einwohnern als besonders lebenswert bewertet. Michaela Zimmermann < BundesRad, der Zusammenschluss von 35 Radentscheiden aus Deutschland, überreicht im September 2020 seine For­ derungen dem Gründer und Vorsitzenden des Parlamentskreises Fahrrad im Deutschen Bundestag, Gero Storjohann. verkehrswende 21 dbb > dbb magazin | Juli/August 2021

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