dbb magazin 7-8/2021

verkehrswende © changing-cities.org (2) Verkehrswende durch Mobilitätsgesetze Auf die Räder, fertig, los! Mehr Verkehrssicherheit, weniger Luftverschmutzung und eine faire Vertei­ lung des öffentlichen Raums – vor drei Jahren trat in Berlin das Mobilitäts­ gesetz in Kraft, das dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie dem Fuß- und Radverkehr erstmals im Verkehrssystem den Vorrang gibt. Auf Bundesebene und in weiteren Bundesländern sind ebenfalls neue ge­ setzliche Regelungen zur nachhaltigen Verkehrswende geplant, denn der Radverkehr in Deutschland boomt. 100 Kilometer Radschnellwege, 100000 Stellplätze für Fahr­ räder an Bahnhöfen und Rad­ fahrstreifen auf allen Haupt­ verkehrsstraßen – als das Berliner Abgeordnetenhaus im Juni 2018 das erste Mobilitäts­ gesetz in Deutschland verab­ schiedet, scheint ein entschei­ dender Meilenstein hin zu einer nachhaltigen Verkehrswende in der Hauptstadt erreicht zu sein. Den Anstoß für das Gesetz gab die Initiative Volksentscheid Fahrrad, die über 105000 Un­ terschriften für eine sichere und komfortable Radinfra­ struktur in Berlin gesammelt hatte. Drei Jahre nach Verab­ schiedung des Mobilitätsgeset­ zes zieht Changing Cities, der Verein hinter dem Volksent­ scheid Fahrrad, ein kritisches Fazit: Im Jahr 2020 seien we­ niger als ein Prozent des bis 2030 geplanten Berliner Rad­ verkehrsnetzes fertiggestellt worden. Das wichtigste Ver­ waltungsdokument, der Rad­ verkehrsplan, würde ständig verzögert werden. Regine Gün­ ther, Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, kriti­ sierte die Erwartungshaltung. Der Umbau Berlins zur Fahrrad- Hauptstadt sei ein umfassen­ des Projekt, für das es zehn bis 15 Jahre Zeit bräuchte. < Kein Changemanage- ment in der Verwaltung Die Gründe liegen unter an­ derem in den begrenzten Ressourcen der Verwaltung. Ehemalige Stadt- und Verkehrs­ planer beklagen den jahrelangen Sparkurs, der die Handlungs­ fähigkeit stark einschränke. Per­ sonelle Engpässe, eine schlep­ pende Digitalisierung und zu komplexe Abstimmungsverfah­ ren würden einer zügigen Um­ setzung des Mobilitätsgesetzes imWeg stehen. „Ein Change­ management in der Verwaltung muss her, und das muss ganz oben anfangen. Für den Wandel und die dahinterstehende Visi­ on einer künftigen Großstadt für alle brauchen wir innova­ tives, lern- und gestaltungs­ freudiges Personal in allen Bereichen. Das ist das Anforde­ rungsprofil an künftige Senato­ ren, Staatssekretäre und Stadt­ räte, die die Verkehrswende glaubhaft vertreten möchten. Das ist es, was die Zivilgesell­ schaft mit dem Volksentscheid Fahrrad gefordert hat und wo­ rauf sie immer noch wartet“, sagte Denis Petri von Changing Cities auf der Pressekonferenz zur Bilanz nach drei Jahren. < NRW: 25 Prozent Radver- kehrsanteil angestrebt In anderen Bundesländern sind mittlerweile ähnliche gesetzli­ che Regelungen zur Verkehrs­ wende geplant, um langfristig ein effizientes Verkehrssystem sicherzustellen, das wirksamen Klimaschutz, ein hohes Maß an Verkehrssicherheit sowie eine faire Flächenaufteilung reali­ siert. In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung vor Kurzem das Fahrrad- und Nah­ mobilitätsgesetz (FaNaG NRW) in den Landtag eingebracht. Da­ mit ist unter anderem geplant, ein Radvorrangnetz festzulegen und das Fahrrad anderen Ver­ kehrsmitteln im Straßenverkehr gleichzustellen. CDU und FDP wollen außerdem den Bau von Rad- und Mobilitätsstationen sowie den Ausbau von Lade­ säulen für Elektroräder fördern. Künftig sollen 25 Prozent der Verkehrswege auf das Rad ent­ fallen. Im Radwegebaupro­ gramm für 2021 hat das Minis­ terium für Verkehr bereits das Gesamtinvestitionsvolumen des Landes um fünf Millionen Euro auf insgesamt 17,4 Millionen Euro angehoben. „Wir stärken das Fahrrad als klimaneutrales und alltagstaugliches Allround- Verkehrsmittel für bessere, si­ chere und saubere Mobilität. Dazu braucht es eine gut ausge­ baute Infrastruktur. Deswegen stellen wir Rekordsummen für den Aus- und Neubau von Rad­ wegen zur Verfügung. Mit dem Fahrrad- und Nahmobilitätsge­ setz bekommt die Förderung des Radverkehrs in Nordrhein- Westfalen außerdem Gesetzes­ kraft“, sagte NRW-Verkehrs­ minister Hendrik Wüst. Die Opposition kritisierte, dass die angestrebten 25 Prozent Radverkehrsanteil mit den ge­ planten Maßnahmen der Lan­ 20 > dbb magazin | Juli/August 2021 dbb

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