dbb magazin 6/2021

blickpunkt dürfen, wobei ein Recht auf mobiles Arbeiten einfacher zu realisieren sei als ein Recht auf Homeoffice. Letzteres bedeute immerhin in vielen Fällen die weitgehende Abkehr von der Präsenz im Betrieb. „Die Ar­ beitgeber spielen hier sicher mit dem Gedanken, erhebliche Betriebskosten einsparen zu können. Das darf auf keinen Fall allein zulasten der Beschäf­ tigten gehen. Bei der Entgren­ zung von Beruf und Privat­ leben müssen wir extrem wachsam sein, zumal im ent­ sprechenden Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Bei­ spiel eine klare Definition eines Rechts auf Nichterreichbarkeit fehlt.“ Einig ist sich Silberbach mit Niels-Lund Trebitz, dass mobiles Arbeiten erhebliche Vorteile hat, wenn es vernünf­ tig ausgestaltet wird. „Desksharing ist bei der Tele­ kommittlerweile auch eine Op­ tion, die allerdings nicht jedem gefällt“, ergänzt Trebitz. „Früher haben wir für jeden zusätzli­ chen Quadratmeter Büroraum und eine gute Ausstattung der Arbeitsplätze gekämpft. Heute machen Beschäftigte ihre Ar­ beit mit dem Laptop vom Sofa aus. Das kann auf Dauer negati­ ve gesundheitliche Auswirkun­ gen haben.“ Außerdem steige die Gefahr der sozialen Verein­ samung und der Entfremdung von der Arbeit, „denn für viele Kolleginnen und Kollegen bleibt das Büro eine willkommene so­ ziale Bezugsgröße, in der zum Beispiel Problemlösungen ge­ meinsam besser und effizienter reifen“. Vorteile der mobilen Ar­ beit seien aber zum Beispiel der Wegfall weiter Anfahrtswege und der resultierende Zeitge­ winn für die Kolleginnen und Kollegen. „Grundsätzlich müs­ sen Arbeitgeber, Betriebsräte und Beschäftigte gemeinsam zu praktikablen Lösungen kom­ men“, ist Trebitz überzeugt. Stephan de Buhr, Betriebsrats­ vorsitzender Deutsche Telekom Services Europe (DTSE) und Mit­ glied des Aufsichtsrates, ver­ weist darauf, dass die Telekom AG durchaus positive Lösungen und vor allem Unterstützungs­ leistungen anbietet. „Das wis­ sen leider nicht alle Beschäf­ tigten. Natürlich kann der Arbeitgeber nicht zu allen nach Hause kommen und sich alles genau ansehen. Aber er stellt aktive Hilfe bereit und ist gut auf Probleme der Beschäftigten beimmobilen Arbeiten vorbe­ reitet.“ So gebe es individuelle und unkomplizierte Lösungen, wenn Beschäftigte zum Beispiel ihre gewohnten Monitore, ih­ ren Bürostuhl oder andere Ar­ beitsmittel mit nach Hause nehmen wollten. „Auch darü­ ber müssen die Betriebsräte besser informieren, um die An­ gebote bekannter zu machen.“ < Beamte bei der Telekom „Kollegen, die nicht direkt zur Beförderung anstehen, klagen nicht, weil sie hoffen, dass doch noch klappt, andere schlagen den Rechtsweg ein, mit dem Ergebnis, dass die komplette Liste gesperrt wird und niemand mehr befördert werden kann“, schildert Roland Hoffmann von der Technik Niederlassung Süd-West die Situation der in der privat­ wirtschaftlich organisierten Telekom verbliebenen rund 16000 Beamtinnen und Beam­ ten. Der Betriebsrat kümmert sich seit Langem über seinen Einsatzbereich Stuttgart hin­ aus um das komplizierte Sys­ tem der Beförderungslisten, weil den Beamten eigentlich keiner hilft, wie er sagt. „Es gibt zwar bei der Telekom in Berlin eine zentrale Stelle für Beamtenfragen, aber die tun aus meiner Sicht nicht genug, und die Betriebsräte halten sich raus. Ich nehme Kontakt zu den Klagenden auf und fra­ ge nach, warum sie die ganze Liste sperren lassen, obwohl sie nur einen Platz besetzen kön­ nen.“ Im Vergleich zu der in an­ deren Bereichen geübten Be­ förderungspraxis hält auch dbb Chef Silberbach die Telekom- Regelung, nur eine einzige Liste für alle Beamten im Bereich zu führen, für überprüfenswert: „Bei der Polizei wird nur einer gesperrt, wenn einer klagt. Man sollte überprüfen, ob das rechtlich überhaupt richtig ist.“ Christina Dahlhaus sieht die Chancen einer rechtlichen Kor­ rektur indes kritisch. „Das Be­ urteilungsverfahren ist sehr kompliziert, es wurde schon mal rechtlich gekippt, ist aber immer noch kompliziert. Die Sperrung der Listen trägt dazu bei, dass anstehende Beförde­ rungen gar nicht durchgeführt werden können.“ Damit liege der Vorteil für den Arbeitgeber Telekom auf der Hand: „Jede Beförderung, die eingespart wird, spart Geld.“ Stephan de Buhr hält eine Klä­ rung der Problematik über das Verwaltungsrecht für möglich, Dahlhaus hingegen ist nicht überzeugt: „Wir sprechen zwei­ mal im Jahr mit dem Arbeitge­ ber Telekom. Dort ist man in dieser Angelegenheit nicht ko­ operativ. Die Beamtinnen und Beamten bei der Telekom füh­ len sich als Staatsdiener zwei­ ter Klasse, obwohl sie den Sta­ tus als Bundesbeamte haben und eine eigene Besoldungs­ tabelle. Auch wenn keine mehr dazukommen, sind viele jünger als 55 Jahre und warten nicht auf den aktiven Ruhestand.“ „Bei der Telekom werden Beamte in der Karriere syste­ matisch ausgebremst, das hat mit Wertschätzung nichts zu tun“, bekräftigt Sabine Gorges, die seit 26 Jahren auf ihre Be­ förderung von A 8 zu A 9 war­ tet und diesen Zeitraum als üblich bezeichnet. Ulrich Silberbach schlägt dar­ aufhin vor, die Politik im Vor­ feld der Bundestagswahlen deutlicher für die Wählergrup­ pe der Beamten in den privati­ sierten Bereichen zu sensibili­ sieren. Wer Wahlen gewinnen wolle, müsse sich auch um die­ sen Personenkreis kümmern: „Wir brauchen hier Signale für die Menschen. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass die Leu­ te kaputtgemacht werden.“ < Verkauf der Telekom-­ Anteile durch den Bund Mit Besorgnis blicken die Teil­ nehmenden des nicht öffent­ lichen dbb Fachgespräches auf die erst jüngst von Bundeswirt­ schaftsminister Peter Altmaier erneut ins Spiel gebrachten Überlegungen zum Verkauf der Anteile, die der Bund an der Telekom hält. Bei einemMarkt­ wert von rund 85 Milliarden Euro wäre der Verkauf gut, um frisches Geld in die Staatskasse zu spülen. Das sei sogar abzüg­ lich der rund sieben Milliarden Euro Personalrückstellungen ein gutes Geschäft, fürchtet der dbb Bundesvorsitzende. „Jetzt sind die Gewerkschaften gefor­ dert, auf die Gefahren für das Gemeinwesen hinzuweisen, die ein Verkauf der Bundesanteile mit sich bringt: Dazu gehört die erhöhte Streikanfälligkeit in systemrelevanten Infrastruktu­ ren wie der Telekommunika­ tion.“ br/cri < Die Bundesvorsitzende der DPVKOM, Christina Dahlhaus, im Videochat mit dbb Chef Ulrich Silberbach © DPVKOM 25 dbb > dbb magazin | Juni 2021

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