dbb magazin 5/2021

interview schlimm, weil das genau die Menschen trifft, die sich für die Gemeinschaft einsetzen und im buchstäblichen Sinne den Kopf für uns alle hinhal­ ten. Das ist freilich eine ge­ samtgesellschaftliche Auf­ gabe. Dazu braucht es einen langen Atem. Und ich biete dem dbb jede Zusammenar­ beit und Unterstützung bei der Lösung dieser nicht trivia­ len Herausforderung an. Denn gemeinsam sind wir stark. Teile der Bevölkerung haben sich in den letzten Jahren of- fenbar radikalisiert, Stichwort „Reichsbürger“. Leider gibt es auch immer wieder Fälle, in denen Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst durch Ex­ tremismus auffallen, beispiels- weise durch rechte Chatgrup- pen. Wie können wir solchen Phänomenen in den eigenen Reihen begegnen? Wir stellen immer mehr fest: Das Netz wird als Medium un­ serer Zeit missbraucht. Mehr und mehr läuft die politische Agitation und Hetze in ein­ schlägigen Foren oder sogar zum Teil offen im Netz. Da­ durch festigen und verstärken sich radikale Ansichten unter Gleichgesinnten – Selbstradi­ kalisierung in der Echokammer ist die Folge. Dieser gesamtgesellschaftli­ chen Entwicklung muss sich freilich gerade der öffentliche Dienst ganz entschieden entge­ genstellen. Seine Beschäftigten schützen unsere Demokratie und die Grundrechte. Sie sind eine wesentliche Stütze unse­ rer pluralistischen Gesellschaft. Bei der Polizei Baden-Württem­ berg beispielsweise prüfen wir ständig, wie das Einstellungs­ verfahren oder die Inhalte der Ausbildung dahingehend wei­ ter optimiert werden können. Und selbstverständlich sensibi­ lisieren wir auch imweiteren Verlauf eines Berufslebens. Aber natürlich bietet auch die beste Aus- und Weiterbildung keine 100-prozentige Garantie. Deshalb müssen wir alle die Augen weit öffnen, nach links und nach rechts schauen – nach demMotto „hinschauen, erkennen, handeln“. Das Netz, die sozialen Medien dürfen nicht zumMarktplatz für Hass und Hetze werden. Der öffentliche Dienst soll ein Spiegelbild der Gesellschaft sein. Es gibt aber immer wie- der Kritik hinsichtlich fehlen- der Diversität, weil etwa zu wenige Frauen in Führungs­ positionen kommen oder zu wenig Menschen mit Migra­ tionshintergrund gewonnen werden. Was muss getan wer- den, damit die Verwaltung vielfältiger wird? Oder ist schon alles bestens? Ein Team ist mehr als die Sum­ me seiner Mitglieder. Das zeigt sich auf dem Sportplatz, aber auch im öffentlichen Dienst und seiner Verwaltung. Wenn wir in Zukunft erfolgreich und damit auf dem Arbeitsmarkt mit anderen Unternehmen aus der Wirtschaft mithalten wol­ len, dann müssen wir es schaf­ fen, ganz unterschiedliche Menschen für uns zu gewin­ nen. Daran arbeiten wir – und daran arbeite ich auch ganz persönlich. Und ich sage auch: Selbstver­ ständlich brauchen wir hier mehr Frauen in Führungsposi­ tionen. Deshalb bin ich auch froh, dass wir beispielsweise seit vergangenem Jahr in Ba­ den-Württemberg zum ersten Mal eine Frau an der Spitze der Polizei stehen haben. Das dür­ fen aber keine Eintagsfliegen sein, daran müssen wir an allen Stellen weiterarbeiten. Und deshalb ist es gut, dass der Trend bei der Besetzung von Führungspositionen mit Frauen hier seit Jahren deutlich nach oben geht und wir hier bereits deutliche Fortschritte erzielt haben. Dabei müssen wir im Übrigen auch an anderen Stel­ len umdenken. Stichwort: Füh­ ren in Teilzeit. In anderen Bran­ chen ist das schon lange die Regel, das muss bei uns auch so werden. Auch muss uns der de­ mografische Wandel dabei hel­ fen, den bereits vollziehenden Angleichungsprozess noch zu beschleunigen – und die noch bestehende Schere weiter zu schließen. Hinsichtlich des Anteils der Beschäftigten mit Migrations­ hintergrund ist die Datenlage etwas weniger klar. Es gibt zwar Studien zu dieser Frage, aber der Migrationshinter­ grund der Beschäftigten wird in den Personalverwaltungen aus Datenschutzgründen nicht erfasst. Nach meinem persön­ lichen Eindruck ist der Anteil der Mitarbeiterinnen und Mit­ arbeiter mit Migrationshinter­ grund freilich schon heute be­ achtlich hoch – was aber nicht heißt, dass wir uns zufrieden zurücklehnen dürfen. Der öf­ fentliche Dienst darf noch mehr zum „Spiegelbild der Gesellschaft“ werden. Die Digitalisierung des öffent­ lichen Dienstes ist ein Dauer- thema – und wird es wohl auch noch eine Weile bleiben. Wo sehen Sie die größten Handlungsbedarfe? Und kön- nen Sie uns drei aus Ihrer Sicht gelungene Beispiele für digitale Verwaltung nennen? Wir haben 2020 einen Digita­ lisierungsschub erlebt. Nicht nur in Schulen, in der Wirt­ schaft, auch in der Verwaltung. Als Land Baden-Württemberg sind wir hier schon mit großen Schritten in die richtige Rich­ tung gegangen. Innerhalb kürzester Zeit haben wir im vergangenen Jahr die Landes­ verwaltung weitestgehend auf mobiles Arbeiten umgestellt. Wir haben unzählige Rückspra­ chen und Konferenzen per Videochat durchgeführt und feststellen können, dass das sehr gut funktionieren kann. Natürlich müssen wir auch weiterhin hart – und in Teilen auch schneller – daran arbei­ ten, dass das Amt zumMen­ schen kommt und nicht die Menschen zum Amt gehen müssen. Dazu gehört, dass wir Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 digitalisieren. In Baden-Württemberg sind wir bereits weit vorange­ schritten. Unsere landeseige­ ne E-Government-Plattform „service-bw“ hat sich als sta- bil und tragfähig erwiesen. Auf ihr stellen wir die digita­ len Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen und Bürger, aber auch für Unternehmen zur Verfügung. Zu guter Letzt möchte ich noch auf das Projekt „KI im Stadtar­ chiv“ der Stadt Heilbronn hin­ weisen, ein Preisträger beim 19. E-Government-Wettbe­ werb in der Kategorie „Bestes Projekt zum Einsatz innovati­ ver Technologien“. Mit dem vom Land Baden-Württemberg mit 66000 Euro geförderten Projekt entwickelt die Stadt Heilbronn ein KI-System zur Bilderkennung, das den großen und bereits digitalisierten Fotoschatz des Heilbronner Stadtarchivs mit aussagekräfti­ gen Namen und Schlagworten versehen und damit einem breiten Publikum zugänglich machen soll. und Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) sich durch, ist stark 5 dbb > dbb magazin | Mai 2021

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