dbb magazin 4/2021

nachgefragt Strukturwirksame Ansiedlungspolitik kann gezielt Wachstumseffekte auslösen Als Beauftragter der Bundes­ regierung für die neuen Bun- desländer sollen Sie dafür sorgen, dass „die spezifischen Interessen der Bevölkerung Ostdeutschlands angemessen berücksichtigt werden“. Welche Interessen trennen „Ost“ und „West“ 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer? Marco Wanderwitz Die Unterscheidung Ost/West wäre mir zu einfach. Alle Men­ schen überall in Deutschland wollen und sollen dieselben Lebensbedingungen und Chancen haben. Das ist sozial- und bildungspolitisch weit­ gehend verwirklicht. Wirt­ schaftlich gibt es noch immer deutlichere regionale Unter­ schiede. In den neuen Ländern hat das nicht mehr nur mit dem „Erbe“ der ehemaligen DDR zu tun. Trennendes gibt es am ehesten noch gesell­ schaftspolitisch. Die Aufarbei­ tung der SED-Diktatur und die Erfahrung des Umbruchs da­ nach zum Beispiel betreffen fast ausschließlich die neuen Länder. Stichwort Strukturwandel: Bis 2038 sollen bis zu 14 Milliarden Euro Investitionshilfen in die ehemaligen Braunkohleregio- nen Ostdeutschlands fließen. Der Bund stellt für weitere Maßnahmen in seiner eigenen Zuständigkeit rund 26 Milliar- den Euro bereit, die für For- schung, Verkehrsinfrastruktur und die Ansiedelung von Bun- deseinrichtungen verwendet werden sollen. Profitieren da- von auch Infrastrukturen im Kommunalbereich struktur- schwacher Regionen? Generell darf der Bund nur Maßnahmen finanzieren, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen. Davon abweichende Re­ gelungen und Grenzen sind im Grundgesetz genannt. Hierzu zählen Finanzhilfen an die Län­ der für besonders bedeutsame Investitionen. Bei den 14 Milli­ arden Euro aus der sogenannten ersten Säule des Investitions­ gesetzes Kohleregionen han­ delt es sich genau um solche Finanzhilfen. Hiermit können beispielsweise kommunale Ge­ werbeparks oder touristische Infrastruktur in den Kohle­ regionen finanziert werden. Im Rahmen der zweiten Säule, die 26 Milliarden Euro umfasst, sind Investitionen in kommu­ nale Infrastrukturen mangels Bundeszuständigkeit in der Regel ausgeschlossen. Gibt es einen Mechanismus, der sicherstellt, dass das Geld auch wirklich in die am meisten be- troffenen Regionen fließt und nicht nach dem Gießkannen- prinzip ausgeschüttet wird? Das Bund-Länder-Koordinie­ rungsgremium, in dem die vier Braunkohleländer Sitz und Stimme haben, hat die Aufga­ be, Projektvorschläge zu disku­ tieren und in Abwägung aller Argumente die für die regionale Entwicklung besten Projekte auszuwählen und für die richti­ ge Verteilung zu sorgen. Hierbei kommt den Ländern, die für die regionale Entwicklung zustän­ dig sind, eine zentrale Rolle zu. Die Verlagerung von Bundes- einrichtungen in die Fläche Ostdeutschlands wird von vie- len Bürgerinnen und Bürgern in den neuen Bundesländern als längst überfälliger Schritt in Richtung Gleichbehandlung empfunden. Welche Vorteile sind damit verbunden? Grundlage gleichwertiger Le­ bensverhältnisse ist, in allen Regionen ein ausreichendes Angebot an Arbeitsplätzen zu schaffen. Und da reicht es nicht allein, nur auf die Wirtschaft zu zeigen. Auch Bund und Län­ der können mit einer struktur­ wirksamen Ansiedlungspolitik gezielt Wachstumseffekte aus­ lösen. Zum einen entstehen mit der Ansiedlung von Behör­ den sichere Arbeitsplätze. Zum anderen zeigen die Erfahrun­ gen, dass eine Bundes- oder Landeseinrichtung in Klein- und Mittelstädten auch einen wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung für die jeweilige Region bedeuten kann. Gerade für strukturschwache und vom demografischen Wandel be­ sonders betroffene Regionen, die vor allem in den neuen Län­ dern liegen, werden damit wichtige Impulse gesetzt. Wir haben in dieser Wahlperiode hierbei viel erreicht, beispiels­ weise die BAFA-Außenstelle in Weißwasser/OL, das neue Bun­ desfernstraßenamt in Leipzig, die Ehrenamtsstiftung in Neu­ strelitz und vieles mehr. ? nachgefragt bei ... ... Marco Wanderwitz, Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer < Marco Wanderwitz ist seit Februar 2020 Parlamentarischer Staatssekre­ tär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie sowie Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer. Als Ostbeauftragter gehört es zu seinen Aufgaben, bei allen Entscheidungen und Maßnahmen der Bundesregierung dafür zu sorgen, dass die Interessen der Bevölkerung Ostdeutschlands berücksichtigt werden. Der CDU-Politiker stammt aus Chemnitz und ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. © Marco Wanderwitz 16 dbb > dbb magazin | April 2021

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