dbb magazin 3/2021

frauen Wer kümmert sich um die Geburts­ tagsgeschenke? Wer hat die Schul­ termine im Kopf? Wer koordiniert die Arztbesuche der Kinder, plant die Mahlzeiten, backt Kuchen fürs Kita­ sommerfest? In der Regel sind es die Mütter, die sich neben dem Job auch um das Management der Familien­ arbeit kümmern. Eine zeit- und kraft­ raubende Aufgabe, die viele berufs­ tätige Mütter oft unbewusst an den Rand der Erschöpfung bringt. Im Fachjargon ist die Rede vomMental Load. Patricia Cammarata hat darü­ ber ein Buch geschrieben. Stetiger Lernprozess für beide Partner ? nachgefragt bei ... ... Patricia Cammarata, Autorin und Bloggerin, zum „Mental Load“ Frau Cammarata, kann man den „Mental Load“ messen? Jein. Das ist ja eins der Proble­ me: Mental Load ist unsicht­ bar. Es gibt jedoch zumindest Ansätze, dem Ungleichge­ wicht auf die Spur zu kom­ men. Wenn man Paare bei­ spielsweise befragt „Teilt ihr euch die Aufgaben rund um Haushalt und Kinder gerecht auf?“, antworten die meisten mit „Ja“. Fragt man dann aber nach Details wie zum Beispiel „Wer schneidet den Kindern regelmäßig die Fingernägel?“, „Wer prüft, ob die Turnschuhe im Turnbeutel noch passen“, dann tut sich plötzlich eine große Schieflage auf. „Na, du hättest mich ja auch einfach mal nach Hilfe fragen können.“ – Was würden Sie Männern sagen, die ihren Part- nerinnen diesen vermeintlich gut gemeinten Hinweis geben? Dass sie im Kleinen erst mal recht haben. Natürlich kann ein Partner erst aktiv werden, wenn er weiß, dass es ein Pro­ blem gibt. Kommunikation in Beziehungen ist das A und O. Welche Vorteile bringt ein geteilter „Mental Load“? Jeder Mensch hat begrenzte Kapazitäten. Wenn diese im Privaten komplett aufgefres­ sen werden, dann hat man für das Berufliche wenig Puffer. Für Frauen heißt das oft, dass sie sich entscheiden, lange El­ ternzeit zu nehmen und dass sie nur mit Teilzeit wieder ein­ steigen. Die finanzielle Haupt­ verantwortung liegt dann beim Mann. Auf der anderen Seite spielen Männer im Privaten bei traditionellen Rollenverteilun­ gen immer die zweite Geige: Sie sind für die Kinder nur die zweitbeste Lösung. Das kränkt verständlicherweise. Wenn sich aber beide Mental Load und Care-Arbeit teilen, sind sie Partner auf Augenhöhe. Was raten Sie Familien, die das Thema angehen wollen: Wo fängt man an? Der erste Schritt ist ganz sicher, dass man überhaupt erkennt, dass es da eine unsichtbare Last gibt. Es hilft, sich in Ruhe zusammenzusetzen und ge­ meinsam auf den Tisch zu le­ gen, aus was der Mental Load besteht. Hat man diese Liste gemacht, empfiehlt es sich, dass man die Routine in einer regelmäßigen Wochenbespre­ chung etabliert. Gerade in der Umstellung wäre es wichtig, dass man einmal imMonat eine Retrospektive macht und nicht über die konkreten Auf­ gaben, sondern über die Meta­ ebene spricht. Was hat gut ge­ klappt? Was nicht? Warum nicht? Es geht nicht von heute auf morgen, sondern es ist ein stetiger Lernprozess, und zwar für beide Partner. Hilft der pandemiebedingte Homeoffice-Zwang Familien, sich neu zu arrangieren? Erste Studien zeigen: Der Care- Gap bleibt bestehen, jedoch verringert er sich leicht, zumin­ dest dort, wo beide Partner Homeoffice machen können. Denn wenn beide Partner ständig zu Hause sind, bekom­ men sie auch mit, was alles zu leisten ist und an was alles ge­ dacht werden muss. Das hat einigen Familien tatsächlich geholfen. Für andere Paare hat die Pandemie jedoch eher zu einer Vergrößerung des Care- Gaps geführt. Wie können die positiven Ef­ fekte auch nach der Pandemie Bestand haben? Indemman es beibehält, regel­ mäßig und detailliert über Auf­ gabenverteilungen und Verant­ wortlichkeiten zu sprechen. Von Zauberhand wird das nicht blei­ ben. Die Verlockung ist einfach zu groß, am Ende der Pandemie in alte Muster zurückzufallen. Was können Arbeitgeber, was kann die Politik tun? Dazu sind schon ganze Bücher geschrieben worden. Die Politik hat viele Hebel, die sehr kom­ plex in das Problem der Un­ gleichberechtigung reinspielen. Stichworte sind hier Ehegatten­ splitting, Abschied von der 40-Stunden-Woche, fehlender „Vaterschutz“ direkt nach der Geburt, dass es für die meisten Männer immer noch nicht at­ traktiv scheint, Elternzeit zu nehmen. Die Arbeitgeber müss­ ten endlich erkennen, dass man Fachkräftemangel und ein aus­ geglichenes Geschlechterver­ hältnis in den Führungsriegen besser hinbekommt, indem man für Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgt. Gibt es Mental Load auch in der Berufswelt? Ja, auch da werden die klein­ teiligen Aufgaben in Teams eher von Frauen übernommen. Auf der Website des Equal Care Days gibt es einen Gesprächs­ fragebogen dazu. Ich empfehle, diesen im Team durchzugehen, ummögliche Ungleichgewichte aufzudecken. Die Fragen stellte Birgit Strahlendorff . < Patricia Cam­ marata ist Diplom-Psy­ chologin. In ihrem Buch „Raus aus der Mental Load- Falle: wie ge­ rechte Arbeits­ teilung in der Familie ge­ lingt“ zeigt sie Wege auf, wie die Ar­ beits- und Verantwor­ tungslast so aufgeteilt werden kann, dass es für die eigene Familie passt. © Marcus Richter 34 dbb > dbb magazin | März 2021

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