dbb magazin 3/2021

volksbegehren vorliegen. Wenn diese Hürde genommen wurde und das Landesparlament das Volks­ begehren inhaltlich ablehnt, kommt es zur dritten Stufe – dem „Volksentscheid“. Die Bür­ gerinnen und Bürger stimmen dann über einen Gesetzent­ wurf ab. Das Landesparlament kann in allen Bundesländern einen Gegenentwurf einbrin­ gen. Aber die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger ist letztendlich für die Politik verbindlich. < Erfolgsbeispiele und Reformen Die Anzahl der Volksbegehren ist in den letzten Jahren immer wieder gestiegen. Doch nur wenige Fälle enden wirklich mit einem Volksentscheid. Im Zeitraum von 1946 bis 2018 wurden von den Bürgerinnen und Bürgern zwar 351 direkt- demokratische Verfahren an­ gestoßen, aber nur 24 mit ei­ nem Volksentscheid beendet. Eine Initiative muss auch nicht immer bis zur Abstimmung ge­ hen, um erfolgreich zu sein. In Bayern wurde 2019 das Volks­ begehren „Artenvielfalt – Ret­ tet die Bienen!“ innerhalb von nur zwei Wochen von über 1,7 Millionen Wahlberechtigten unterschrieben. Zum Volksent­ scheid kam es nicht, da der Landtag den Gesetzestext des Volksbegehrens samt Begleit­ gesetz und umfassendem Maßnahmenpaket annahm. Die Verwaltungsschritte und zu erfüllenden Quoren für Volksbegehren gestalten sich in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Besonders schwierig ist die Situation in Ländern wie Sachsen oder dem Saarland, wo hohe Unterschrif­ tenhürden mit kurzen Sammel­ fristen oder dem Verbot der freien Unterschriftensammlung auf der Straße kombiniert sind. Grundsätzlich werden bundes­ weit die Hürden bei Verfahren der direkten Demokratie lang­ sam, aber stetig reformiert. In Berlin wurde im Oktober 2020 das Abstimmungsgesetz geän­ dert, um den Ablauf von Volks­ begehren für Initiativen und die Verwaltung zu erleichtern. Volksentscheide müssen nun in einem definierten zeitlichen Korridor auf Wahltermine ge­ legt werden. Die Verwaltung muss sich an Fristen bei der Kostenschätzung und der Zu­ lässigkeitsprüfung halten. Letz­ teres war in Berlin stets ein Pulverfass. Zuletzt hatte die Verwaltung im Schnitt 342 Tage für die Prüfung der Zuläs­ sigkeit gebraucht. Das Volksbe­ gehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ musste sogar 441 Tage warten, bis die recht­ liche Prüfung durch die Senats­ innenverwaltung abgeschlos­ sen war. Jetzt gilt eine Frist von fünf Monaten. Im Gegenzug muss die Verwaltung die einge­ reichten Unterschriften nicht mehr vollständig auf Gültigkeit prüfen, sondern lediglich bis zur Erreichung des Quorums. Um die direkte Demokratie in Berlin noch zeitgemäßer aus­ zugestalten, plädiert der Ver­ ein „Mehr Demokratie Berlin/ Brandenburg“ – unabhängig von der Corona-Pandemie – für eine Online-Mitzeichnung von Volksbegehren. Der elektroni­ sche Personalausweis soll da­ bei zur Authentifizierung dienen, das würde auch die Prüfung in der Verwaltung erleichtern. Vor dem Superwahltag am 26. September 2021 befasst sich die Berliner Innenverwal­ tung jedoch mit anderen Fra­ gen. Es gibt noch fünf weitere Volksbegehren, die in die nächs­ te Sammelphase eintreten könnten. Außerdem steht alles im Schatten der Entwicklung des Pandemiegeschehens. „Zu weiteren Volksbegehren ist ge­ genwärtig nicht absehbar, wie sich die Verfahren entwickeln werden. Es gilt vor allem, einen störungsfreien Verfahrensab­ lauf zu sichern und gleichzeitig Schutzmaßnahmen für die Be­ schäftigten und für die Bürge­ rinnen und Bürger zu gewähr­ leisten“, sagt ein Sprecher der Innenverwaltung. mz VOLKSBEGEHREN „Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“ Das Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“ in Bayern wurde von einem Bündnis aus über 200 Organisa­ tionen, Unternehmen, Verbänden und Parteien getragen. Insgesamt hatten 2019 über 1,7 Millionen Wahlberechtigte persönlich in den Rathäusern das Volksbegehren unterschrie­ ben. Zum Volksentscheid kam es nicht, da die Bayerische Staatsregierung die Forderungen übernahm. Damit hat das Aktionsbündnis eine umfassende Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes und weitere Initiativen angestoßen. In Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Niedersachsen sind Volksinitiativen oder Volksbegehren zum Artenschutz angelaufen. Und auch auf EU-Ebene fordert eine Europäische Bürgerinitiative konkrete Maßnahmen zur Erholung der Artenvielfalt. Mehr Informationen: www.volksbegehren-artenvielfalt.de VOLKSBEGEHREN „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ Das Recht auf „angemessenen“ Wohnraum ist wesentlicher Bestandteil der öffentlichen Daseinsfürsorge (Art. 28 der Landesverfassung von Berlin). Als „angemessen“ gelten Wohnungen, deren Bruttowarmmiete 30 Prozent des Ein­ kommens nicht übersteigt. Die börsennotierte Wohnungs­ gesellschaft „Deutsche Wohnen“ führt mit 116000 Wohn­ einheiten den Berliner Immobilienmarkt an. Da sie hohe Kredite für den Ankauf ihres Bestandes aufgenommen haben und im Sinne der Aktionäre gewinnorientiert wirt­ schaften, sind Mieterhöhungen der Regelfall. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ will durch einen Volks­ entscheid den Berliner Senat auffordern, ein Gesetz zu erlas­ sen, dass die Vergesellschaftung der Wohnungen von priva­ ten Wohnungsgesellschaften mit mehr als 3000 Wohnungen regelt und sie in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt. Nur so lässt sich nach Auffassung der Initiative langfristig bezahlbarer Wohnraum in der Hauptstadt sichern. Mehr Informationen: www.dwenteignen.de © Georg Kurz 17 dbb > dbb magazin | März 2021

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==