dbb magazin 3/2021

bürgerschaftliches engagement Wirtschaft und Medien, Ver­ netzung, digitale Kompeten­ zen und auch engagement- und demokratiepolitische Kompetenzen. Vor diesem Hintergrund wird im Bundesnetzwerk Bürger­ schaftliches Engagement (BBE) auch ein integriertes Curricu­ lum für das Hauptamt in sol­ chen Infrastruktureinrichtun­ gen der Zivilgesellschaft für sinnvoll gehalten. Das BBE schlägt vor, einen solchen Curriculumsprozess mit der Bundeszentrale für politische Bildung zu organisieren, da der Geist der civic education ein solches Curriculum impräg­ nieren müsste. Denn die Hand­ lungsräume der Zivilgesell­ schaft finden sich immer öfter besetzt von rechtspopulisti­ schen und gewaltbereiten Akteuren. Hier ist Zivilgesell­ schaft gefordert, Spielregeln des Miteinanders zu verteidi­ gen und durchzusetzen. Welche Bedeutung hat die öffentliche Verwaltung für das Vereinsleben in Deutschland? Ich war damals an der Enquete­ kommission des Deutschen Bundestages zur „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engage­ ments“, die 2002 ihren Ab­ schlussbericht vorgestellt hat, als wissenschaftlicher Koordi­ nator für eine Bundestagsfrak­ tion beteiligt. In dieser Kom­ mission wurde auch intensiv über Leitbilder von Staat und Kommune im Umgang mit Zivilgesellschaft und Engage­ ment diskutiert. Am Ende waren es die Leitbilder eines „ermöglichenden Staates“ und einer „Bürgerkommune“, die für tragfähig erachtet wurden. Der „ermöglichende Staat“ stellt geeignete Rahmenbe­ dingungen und Infrastrukturen zur Verfügung, damit sich die Engagierten gut informiert und beraten einbringen können. Das kommunale Leitbild der „Bürgerkommune“ stand da­ mals im Zentrum der Enquete­ kommission, ist doch die Kom­ mune der bedeutendste Ort allen Engagements. In den 1990er-Jahren wurde dieses Leitbild, das auf enge Einbin­ dung von Engagement und Par­ tizipation in die kommunale Praxis auch der Verwaltungen zielt, zunächst entwickelt und dann rasch durch das „neue Steuerungsmodell“ verdrängt, das die Bürgerinnen und Bürger nur noch als „Kunden“ adres­ sierte. Vor einigen Jahren hat dann die in Köln angesiedelte Kommunale Gemeinschafts­ stelle für Verwaltungsmanage­ ment (KGSt) das Leitbild der Bürgerkommune erneut in den Mittelpunkt gestellt. Aus Sicht einer belastbaren und zukunftstauglichen Enga­ gementförderung sind lokal angesiedelte Infrastrukturein­ richtungen zur Begleitung von Engagement und Teilhabe von zentraler Bedeutung. Doch ist deren Absicherung derzeit völlig prekär. Engagementför­ derung zählt aktuell zu den sogenannten „freiwilligen“ kommunalen Aufgaben. Für verschuldete Kommunen und Städte ist daher eine verlässli­ che Entwicklung dieser Infra­ strukturen gar nicht möglich. Vor diesem Hintergrund hat sich das BBE an Kanzlerin Mer­ kel und die Bundesregierung gewendet, um die Kompetenz des Bundes für die dauerhafte unterstützende Förderung lokaler Infrastrukturen der Zivilgesellschaft über eine Ver­ fassungsänderung zu ermögli­ chen. Das vom Bundesfamilien­ ministerium vorgeschlagene Demokratiefördergesetz, das dieses Ziel verfolgt, soll nun laut Beschluss des Kabinetts­ ausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus als ein Gesetz zur „Stärkung der wehrhaften Demokratie“ vorgelegt werden. Innenminister Seehofer und Familienministerin Giffey sind beauftragt, gemeinsam für die­ ses Gesetz Eckpunkte vorzule­ gen. Kommt ein solches Gesetz, wäre es ein echter Meilenstein für die Engagementförderung. Welche Folgen hat die Corona- Pandemie für bürgerschaft­ liches Engagement? Die Corona-Pandemie hat auch die Zivilgesellschaft hart getroffen. Das, was Öffentlich­ keit ausmacht, ist reduziert auf die medialen und digitalen For­ men von Kooperation und Aus­ tausch. Besonderer Regelungs­ bedarf in der Corona-Krise be­ steht zudem in den Bereichen Zuwendungsrecht und Vereins­ recht. Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engage­ ment hat hierzu zentrale Hand­ lungsempfehlungen gemacht. Diese betreffen insbesondere die zuwendungsrechtliche Un­ schädlichkeit beimWegfall ge­ planter Vorhaben oder Veran­ staltungen und die Möglichkeit, die so frei werdenden Mittel systematisch zur Schadens­ kompensation, insbesondere aber auch zur digitalen Moder­ nisierung und Ausstattung der eigenen Arbeits- und Kommu­ nikationsformate, zu nutzen. Im Vereinsrecht gibt es erfreu­ licherweise im Rahmen der Maßnahmen der Bundesregie­ rung eine – auf zwei Jahre be­ schränkte – Ausnahmeregel, der zufolge digital beschlosse­ ne Entscheidungen von Gremi­ en gemeinnütziger Organisati­ onen auch dann gelten, wenn dieser digitale Weg der Be­ schlussfassung nicht explizit in den Vereins- beziehungsweise Organisationssatzungen fixiert ist. Diese Regelung müssen die betroffenen Organisationen binnen zwei Jahren unbedingt nachholen! Aktuell hat die Zivilgesellschaft dringende Überbrückungsbe­ darfe für die Krise auch in den Wirtschaftsbereichen des Non- Profit-Sektors. Tausende Verei­ ne und zivilgesellschaftliche Einrichtungen sind konfrontiert mit fehlenden Einnahmen, ge­ schlossenen Einrichtungen, demWegfall geplanter Veran­ staltungen und Dienstleistun­ gen bei laufenden Personal- und Sachkosten. In den von der öffentlichen Hand in kurzer Zeit aufgebauten Unterstüt­ zungsmaßnahmen für die Wirt­ schaft sind Vereine mit wirt­ schaftlichem Geschäftsbetrieb meist nicht mitberücksichtigt. Die Fragen stellte Christian Moo s. < Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement . . verknüpft bundesweit Träger und Förderer von mehr als 31 Milli­ onen engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Es zählt mehr als 266 Mitgliedsorganisationen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Staat – darunter auch den dbb. Gegründet wurde das BBE 2002 auf Emp­ fehlung der Enquetekommission zur Zukunft des Bürgerschaftli­ chen Engagements des Deutschen Bundestages. Es versteht sich nach eigener Darstellung „als Wissens- und Kompetenzplattform für bürgerschaftliches Engagement (.) mit einem einzigartigen Überblick über Akteure und Konzepte (.) in allen Bereichen der Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie der Wissenschaft.“ Weitere Informationen: www.b-b-e.de < BBE-Geschäftsführer Ansgar Klein ist zudem Privatdozent für Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und Publizist. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zäh­ len unter anderem Engage­ ment- und Demokratiepolitik, Zivilgesellschaft und Bürger­ schaftliches Engagement. © BBE 15 dbb > dbb magazin | März 2021

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