dbb magazin 1-2/2021

gesundheitspolitik Gespräch mit dem Bundesgesundheitsminister Pflegende Angehörige stärker entlasten Beim digitalen Austausch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wies dbb Chef Ulrich Silberbach erneut darauf hin, dass eine nachhaltige Finanzreform der Pflegeversicherung zu den drängendsten Projekten gehört, die trotz des wichtigen Kampfes gegen die Corona-Pandemie zügig angegangen werden müssen. „COVID-19 legt den Finger in die Wunde und zeigt uns deut­ lich, an welchen Stellen wir in der Vergangenheit hätten akti­ ver sein müssen“, warnte der dbb Bundesvorsitzende am 3. Dezember 2020 vor einem Reformstau im Zuge der Pande­ miebekämpfung. So wichtig der Kampf gegen das Coronavirus sei, dürfe er nicht allein die ge­ sundheitspolitische Agenda be­ stimmen. „Besonderes Augen­ merk muss künftig auf die pflegenden Angehörigen gerich­ tet werden, die einen Verwand­ ten in der eigenen Häuslichkeit versorgen“, betonte Silberbach. Hier gelte es, mittels einer steu­ erfinanzierten Entgeltersatzleis­ tung, wie man sie vom Eltern­ geld kenne, sowie mit möglichst flexiblen Freistellungsmöglich­ keiten die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zu verbessern. „Die Pflege in den eigenen vier Wänden entspricht nicht nur demWunsch der meis­ ten Pflegebedürftigen“, erklärte der dbb Chef, „auch die Kosten für die Pflegeversicherung sind in der Regel geringer.“ Die vorgesehene Deckelung der pflegebezogenen Eigenbe­ träge in der stationären Pflege begrüßt der dbb im Grundsatz, denn die Selbstbeteiligung an den Heimkosten ist in den ver­ gangenen 25 Jahren stark ge­ stiegen. Auch wenn die eine oder andere vorgesehene Ent­ lastung aus Sicht des dbb recht weitgehend ist, so sieht auch der dbb Pflege als gesamtge­ sellschaftliche Aufgabe und unterstützt deshalb das Vor­ haben des Bundesgesund­ heitsministers, entsprechende Leistungsausweitungen aus Steuermittel zu finanzieren. < Krankenhauspersonal fordert Verbesserungen Ein wichtiges Thema etwa für die nächsten Tarifverhandlun­ gen bleibt die Refinanzierung der Tarifsteigerungen für das Krankenhauspersonal. „Wir freuen uns, dass das Bundes­ gesundheitsministerium unse­ rem Vorschlag aufgeschlossen gegenübersteht, einen runden Tisch mit Gewerkschaften, Krankenkassen und Arbeit­ gebern zu diesem Thema ins Leben zu rufen“, betonte dbb Tarifchef Volker Geyer. Der Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen war noch nie so offensichtlich wie in Zei­ ten der Pandemie. „Wir stehen hier erst am Anfang“, so der stellvertretende dbb Bundes­ vorsitzende weiter. Zwar zeug­ ten die innovativen Kampag­ nen zur Nachwuchsgewinnung davon, dass man die Zeichen der Zeit erkannt habe. „Das wird allerdings nicht ausrei­ chen“, sagte Geyer. „Die Be­ schäftigten fordern intelligen­ te Arbeitszeit- und Schicht- modelle, die den Arbeitsall- tag konkret verbessern.“ Softwarebezogene Organisa­ tionssysteme, wie sie künftig in den Notfallambulanzen ein­ gesetzt werden sollen, können laut dem dbb Fachvorstand Tarifpolitik wirkungsvoll zur Reduzierung der Arbeitsdichte beitragen. < kurz berichtet Private Arbeitgeber stärker in die Pflicht nehmen Inklusion darf nicht nur Aufgabe des öffentlichen Dienstes in Deutschland sein. Noch allzu oft drückt sich die Privatwirtschaft vor ihrer gesellschaftlichen Pflicht. „Leider schreitet die inklusive Gestaltung des Arbeitsmarktes nicht so schnell voran, wie wir es uns wünschen“, sagte dbb Chef Ulrich Silberbach anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung am 3. De­ zember 2020. Der Anteil von Menschen mit Behinderung an der Gesamtbevölkerung steige kontinuierlich. Trotzdem seien gerade private Arbeitgeber immer noch der Meinung, sich durch die Aus­ gleichsabgabe von der Beschäftigungspflicht schwerbehinderter Menschen freikaufen zu können. „Auch wenn der öffentliche Dienst mit gutem Beispiel vorangeht und die gesetzlich vorge­ schriebene Quote von mindestens fünf Prozent in Bund und Län­ dern erfüllt, dürfen wir uns nicht darauf ausruhen“, betonte der dbb Bundesvorsitzende. Die Privatwirtschaft müsse nun an ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung erinnert werden. Deshalb fordert der dbb eine An­ hebung von Ausgleichsabgabe und Beschäftigungspflichtquote. „Fakt ist: Ein großer Anteil von Menschen mit Behinderung ist gut qualifiziert“, konstatierte der dbb Chef. „Sie zu ignorieren, ist mit Blick auf die Zukunft nicht nur unfair, sondern auch grob fahrlässig.“ Model Foto: Colourbox.de 35 dbb > dbb magazin | Januar/Februar 2021

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