dbb magazin 1-2/2021

europa Öffentliche Dienste in Europa Stabilität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Unter welchen Voraussetzungen wirken die öffentlichen Dienste der EU-Mit­ gliedstaaten in Krisenzeiten stabilisierend auf Demokratie und Rechtsstaat­ lichkeit? Dieser Frage ging der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) auf Ersuchen der deutschen Ratspräsidentschaft nach. Am 2. Dezem­ ber verabschiedete das Plenum des beratenden EU-Organs mit großer Mehr­ heit seine Stellungnahme. Diese stellt den grundlegenden Wert gut funktio­ nierender öffentlicher Dienste klar heraus. Der EWSA sieht beim öffent­ lichen Dienst eine Schlüssel­ rolle für die Aufrechterhal­ tung der demokratischen Grundordnung. Dabei sei das Neutralitätsgebot des öffentlichen Dienstes eine Grundvoraussetzung für die Gleichbehandlung aller Nutzer. In der Stellungnahme wird die stabilisierende Bedeutung öffentlicher Dienste in den Krisen seit den Terroranschlä­ gen vom 11. September 2001 betrachtet. Neben der Bedro­ hung durch den Terrorismus sind diese die Erschütterun­ gen des globalen Finanzsys­ tems und die europäische Staatsschuldenkrise, die gro­ ße Fluchtbewegung nach Europa in den Jahren 2015 und 2016, die Klimakrise und jüngst die Corona-­ Pandemie. Die Krisen der vergangenen 20 Jahre haben gemeinsam, dass sie einen nicht immer leicht zu erzielenden Ausgleich zwischen der Garantie von Frei­ heitsrechten und effektiver Ge­ fahrenabwehr einfordern. Dies galt schon für die Antiterror­ maßnahmen und gilt ganz be­ sonders für die Lockdown-Be­ stimmungen in der Pandemie. < Zwischen Grundrechten und Sicherheit „Gerade bei der effektiven Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols konkretisiert sich der Balanceakt zwischen Grundrechtseingriff und Ge­ fahrenabwehr nicht nur auf abstrakter Ebene, sondern in der direkten Anwendung im Alltag“, heißt es in der Stel­ lungnahme. Nur ein öffentli­ cher Dienst, der über das fach­ lich geschulte Personal und die erforderlichen Ressourcen ver­ füge, könne seine Aufgaben unter Wahrung der Freiheits­ rechte wahrnehmen. < Warnung vor dem schlanken Staat Langjährige Sparprogramme hätten die öffentlichen Dienste in vielen EU-Mitgliedstaaten geschwächt. Die Stellungnah­ me warnt ausdrücklich vor der Privatisierung staatlicher Aufgaben. Der sogenannte „schlanke Staat“ verursache hohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Kosten. Demgegenüber leiste ein gut funktionierender, effizienter öffentlicher Dienst einen wich­ tigen Beitrag zu einem ange­ messenen Niveau der Staats­ ausgaben. „Ein öffentlicher Dienst, der über fachlich ge­ schultes Personal und ange­ messene Ressourcen verfügt, wirkt durch eine effektive Regeldurchsetzung präventiv gegenüber künftigen Krisen.“ Dies gelte beispielsweise für eine Verwaltung, die erfolg­ reich Steuervermeidung und Steuerhinterziehung bekämpft und so die staatlichen Einnah­ men schützt. < Vertrauen in die staatli- che Handlungsfähigkeit Mit Blick auf die Asyl- und Mi­ grationspolitik stellt der EWSA fest, dass die öffentlichen Dienste überall in der EU in der Lage sein müssen, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die europäischen Werte einzuhal­ ten. Die Menschenwürde ist bei den EU-Werten wie auch im deutschen Grundgesetz das Maß aller Dinge. Wo die Kapazitäten in einem oder mehreren Mitgliedstaaten nicht ausreichten, den Schutz der Grund- und Menschenrech­ te auch an den Außengrenzen zu gewährleisten, bedürfe es gesamteuropäischer Lösungen. Eine wichtige Funktion kommt dem öffentlichen Dienst aus Sicht des EWSA auch in der Be­ herrschung der Klimakrise zu. Nicht nur seien öffentliche Dienste für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele und die Umsetzung des Grünen Deals wichtig. Vielmehr werde die ökologische Transformation auch zu einer Frage der sozia­ len Gerechtigkeit. „Damit die Teilung von Lasten Akzeptanz 26 > dbb magazin | Januar/Februar 2021

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