dbb magazin 12/2020

online Pandemie Was kann die Corona-Warn-App wirklich leisten? Mit den steigenden Infektionszahlen steht auch die Corona-Warn-App wieder im Fokus. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bezeichnete die App kürzlich als wirkungslos. Dabei könnte sie mit neuen Funktionen von mehr Menschen genutzt werden und bei der Kontaktverfolgung schneller sein als die vielerorts überlasteten Gesundheits­ ämter. Doch welche Erweiterungen für die App sind sinnvoll und wie laufen die Corona-Warn- Apps in anderen Ländern? Ein Überblick. In den vergangenen Monaten wurden weltweit zahlreiche Warn-Apps entwickelt, um früh­ zeitig über Kontakte von COVID- 19-Infizierten zu informieren und so Infektionsketten zu un­ terbrechen. Laut einer Studie der Oxford University können Tracing-Apps die Epidemie ein­ dämmen, wenn sie von mindes­ tens 60 Prozent der Bevölkerung genutzt werden. In Deutschland hat das Robert Koch-Institut am 16. Juni 2020 die Corona-Warn- App veröffentlicht, die inzwi­ schen 22,4 Millionen Mal (Stand: 13. November 2020) heruntergeladen wurde. Doch nicht alle Menschen, die die App auf ihremGerät installiert haben, nutzen die Anwendung in vollemUmfang. << Positives Testergebnis, aber keine Mitteilung Im Zeitraum vom 1. September bis 11. November 2020 wurden über die Corona-Warn-App ins­ gesamt 100312 positive Test­ ergebnisse verifiziert. Danach haben sich 57 Prozent der Nut­ zerinnen und Nutzer dafür entschieden, ihr positives Test­ ergebnis mit den anderen Nut­ zerinnen und Nutzern zu teilen. Nur so kann auch eine Risiko­ benachrichtigung an die ent­ sprechenden Kontakte erfol­ gen. Es gibt keine Daten dazu, wie viele Menschen mithilfe der Corona-Warn-App über eine mögliche Risikobegegnung in­ formiert wurden, da die App auf einem dezentralen Ansatz basiert. Alle Daten der Nutze­ rinnen und Nutzer werden ver­ schlüsselt und ausschließlich auf dem eigenen Smartphone gespeichert. Weder das Robert Koch-Institut als Herausgeber noch Dritte können auf diese Daten zugreifen. Expertinnen und Experten for­ dern eine öffentlichkeitswirk­ same Kampagne, um die Zahl der App-Downloads zu erhö­ hen. Denn je mehr Menschen die Corona-Warn-App nutzen, desto sinnvoller ist die mobile Anwendung. Sie hilft dabei, sich selbst und das eigene Um­ feld zu schützen. Die eigene Erinnerung an alle Begegnun­ gen ist weniger zuverlässig, und entsprechende Kontakte können über die App viel schneller gewarnt werden, als durch einen Anruf der Mitar­ beiterinnen und Mitarbeiter der vielerorts überlasteten Gesundheitsämter. << Weiterentwicklung der App möglich Um die Corona-Warn-App für mehr Menschen attraktiver zu machen, sind auch weitere Funktionen denkbar. Neben der eigentlichen Kontaktver­ folgung könnte die App ein In­ formationskanal des Robert Koch-Institutes sein, der über aktuelle Zahlen und Entwick­ lungen zum Infektionsgesche­ hen informiert. Eine Übersicht mit den nächstgelegenen me­ dizinischen Testzentren und deren Auslastung würden viel­ leicht mehr Menschen zu ei­ nem Test beziehungsweise zur Mitteilung des Ergebnisses bewegen. Technisch wäre auch eine so­ genannte Clustererkennung möglich. Wenn ein Smart­ phone viele der im Hinter­ grund laufenden Signale der App in einem kurzen Zeitraum empfängt, befindet sich die Person wahrscheinlich in einer Menschenansammlung. Die Information ist laut Expertin­ nen und Experten wichtig, denn das Risiko sich anzuste­ cken erhöht sich durch die Menge an Coronaviren in der Luft, die durch Aerosole einge­ atmet werden können. Das In­ fektionsrisiko wäre demnach erhöht, auch wenn der Ab­ stand zu einer infizierten Per­ son zu groß für eine direkte Übertragung des Virus war. Eine Erweiterung hat es mit dem letzten Update der App bereits gegeben: Positiv getes­ tete Nutzerinnen und Nutzer können ein Symptomtagebuch führen. Auch mit diesen Infor­ mationen soll die Risikoberech­ nung verbessert werden, denn Infizierte sind nicht an allen Tagen gleich ansteckend. << Eine App ist kein Allheilmittel Eine Warn-App ist sicherlich kein Allheilmittel gegen die steigenden Infektionszahlen, aber sie kann eine wertvolle Unterstützung bei der Eindäm­ mung der COVID-19-Pandemie sein. Die Menschen müssen noch besser über ihr Anste­ ckungsrisiko informiert wer­ den, daher hat Bundesgesund­ heitsminister Jens Spahn bei den jüngsten Bund-Länder-Beratungen zugesagt, die Corona-Warn-App weiterent­ wickeln zu lassen. Es ist jedoch unklar, ob die Erweiterungen vor Ende der kalten Jahreszeit umgesetzt werden. mz 26 dbb > dbb magazin | Dezember 2020

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