dbb magazin 12/2020

Gesunde und krankhafte Angst Insbesondere ältere Menschen sorgen sich naturgemäß mehr um ihre Gesundheit als junge. In der Corona-Pandemie mit all ihren Beschränkungen rückt diese Sorge noch stärker in den Fokus. Wie viel Angst ist „ge- sund“ und wie sollten Men- schen jeden Alters generell mit ihren Ängsten umgehen? Peter Zwanzger: Angst gehört zu unseren wich­ tigsten Emotionen. Wenn man so will: Man muss Angst haben können, um sich in unserer Umwelt risikobewusst zurecht­ finden zu können. Angst ist also lebensnotwendig. Die Grenze zwischen gesunder und krankhafter Angst ist al­ lerdings nicht immer leicht zu ziehen. Gerade in der Corona- Pandemie spüren wir, dass sich viele Menschen Sorgen ma­ chen. Im Rahmen einer Erhe­ bung der R+V Versicherung, die jährlich regelmäßig die Ängste der Deutschen evaluiert, zeigt sich allerdings, dass gerade bei älteren Menschen die allgemei­ ne Sorge um die Gesundheit die Sorge um coronabedingte Erkrankungen überwiegt. Hinsichtlich der Bewältigung und des Umgangs mit Ängsten ist von entscheidender Bedeu­ tung, Sorgen und Ängste ernst zu nehmen und anzusprechen. Die Gesellschaft für Angstfor­ schung hat hierzu einige wich­ tige Ratschläge zusammenge­ fasst. << Tagesstruktur und Ziele Routine beruhigt und gibt Si­ cherheit. Halten Sie daher eine Tagesstruktur aufrecht, auch wenn Sie im Homeoffice sind oder in Quarantäne. Behalten Sie regelmäßige Essenszeiten bei und nehmen Sie sich realis­ tische Ziele für jeden Tag vor. Bereichern Sie Ihren Tag mit angenehmen Aktivitäten, die Ihnen guttun. << Körperliche Aktivität Es muss kein Leistungssport sein – ein Spaziergang an der frischen Luft, Gymnastik, Hometrainer –, nutzen Sie die Möglichkeiten, die Sie haben, ummöglichst täglich in Bewe­ gung zu bleiben. << Mit Informationen richtig umgehen Sie haben die Kontrolle über die Corona-Informationsflut. Vertrauen Sie nur auf Infor­ mationen aus glaubwürdigen Quellen wie zum Beispiel dem Bundesgesundheitsministerium oder dem Robert Koch-Institut. Ignorieren Sie Nachrichten aus unzuverlässigen Quellen. Und: Ein- bis zweimal Nachrich­ ten einholen pro Tag ist genug. << Krise als Chance Machen Sie sich bewusst, dass die Corona-Krise vorbeigeht. Wie können Sie die aktuelle Si­ tuation positiv für sich nutzen? Vielleicht gibt es ein Hobby, das Sie lange vernachlässigt haben. Weiter haben die aktu­ ellen Beschränkungen einen wichtigen Sinn und sind leich­ ter mitzutragen, wenn Sie sich bewusst machen, dass Sie durch Ihre Mithilfe sich selbst und andere schützen. << Professionelle Hilfe Wichtig zu wissen – auch in der Corona-Krise stehen die Anlaufstellen für Menschen in seelischer Not weiterhin offen. Wenn es Ihnen schlecht geht, wenn Angst und Stimmungs­ tiefs Ihnen die Kraft rauben, können Sie sich weiterhin an Ihren Hausarzt, einen Psychia­ ter oder Psychologischen Psy­ chotherapeuten wenden. Ad­ ressen bekommen Sie zum Beispiel bei der Kassenärztli­ chen Vereinigung Ihres Bun­ deslandes. Weitere Hinweise und Anlauf­ stellen finden Sie auf der Seite der Fachgesellschaft DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psy­ chiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheil­ kunde e.V.: www.dgppn.de ), der Gesellschaft für Angstfor­ schung (www.angstforschung. org) oder der Stiftung Deutsche Depressionshilfe (www.deut sche-depressionshilfe.de ). nachgefragt ? nachgefragt bei ... ... Prof. Dr. med. Peter Zwanzger, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Vorsitzender der Gesellschaft für Angstforschung << Peter Zwanzger . . ist Ärztlicher Direktor und Chefarzt Allgemeinpsychia­ trie und Psychosomatik des kbo-Inn-Salzach-Klinikums inWasserburg am Inn. Die Klinik zählt zu den größten Fachkrankenhäusern für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatische Medizin, Geriatrie und Neurologie in Deutschland. Sie dient auch als Akademisches Lehrkran­ kenhaus der Ludwig-Maximi­ lians-Universität München. Foto: Colourbox.de 19 dbb > dbb magazin | Dezember 2020

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