dbb magazin 11/2020

aktuell zentral erfasst werden muss, wer sich wann mit wem getroffen hat. << Seit Juni gab es kei- ne Weiterentwicklung Die Bundesregierung in­ vestierte gut 60 Millionen Euro für Entwicklung, War­ tung und Hotline. Die App funktioniert zwar grund­ sätzlich, seit dem Start im Juni wurde sie jedoch kaumweiterentwickelt. Sinnvolle Ideen zur Erweiterung gibt es jedoch reichlich: Ein freiwilliges ma­ nuelles Kontaktta­ gebuch kann bei dem Nachvollziehen von Kontaktketten hel­ fen. Die App könnte eine Notizfunktion anbieten, in der vermerkt wird, mit wemman sich getroffen hat. Da nicht 100 Prozent der Bevölkerung die App nutzen, ist das noch notwendig. Eine Pushnachricht könnte die Nutzerin beziehungsweise den Nutzer am Abend fragen, ob ein Eintrag für den heuti­ gen Tag gewünscht ist. Die Daten werden nicht automa­ tisch weitergeleitet, können aber im Falle einer Infektion als Erinnerungsstütze dienen – und damit auch dem Ge­ sundheitsamt helfen. Ebenso sollte die App mehr In­ formationen anzeigen: So wäre es denkbar, lokale Infektions­ zahlen, Verordnungen und mehr anzuzeigen und die App so zu einer Infozentrale auszu­ bauen. Es gibt außerdem tech­ nische Überlegungen, wie die App Clustersituationen oder sogenannte „Superspreading- Events“ erkennen könnte. Das würde die Risikoermittlung er­ heblich verbessern. Die App erfüllt ihren Zweck, könnte jedoch weiteren Mehrwert und Nutzerorien­ tierung bringen und so noch mehr zur Pandemiebekämp­ fung beitragen – bei gleich­ bleibendem hohen Daten­ schutz. Und warnen wird sie auch weiterhin viele Menschen. Daher ist eine Nutzung der App – mit oder ohne Zusatz­ funktionen – sehr empfeh­ lenswert. Henning Tillmann Bei uns wurden nur wenige Anfragen durch die Corona-Warn-App generiert Welchen Nutzen hat die Corona- Warn-App für Ihr Gesundheits- amt? Entlastet oder unterstützt die App die Arbeit der Gesund- heitsämter in irgendeiner Form? Für uns im Gesundheitsamt Mönchengladbach hat die App kaum einen Nutzen, weil wir aufgrund der Anonymität kei­ ne Informationen erhalten, wie lange und intensiv der Kontakt zwischen der betroffenen und der infizierten Person war. Und da auch die Person, die auf­ grund der von der App über­ mittelten Warnung gar nicht weiß, welcher ihrer Kontakte der vergangenen Tage nun mit einer infizierten Person stattgefunden hat, kann sie uns auch keine weiteren Aus­ künfte darüber geben. Wich- tig ist für uns etwa immer, ob während des Kontakts Alltags­ masken getragen oder weitere Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Wie könnte man aus Ihrer Sicht die Schnittstelle zwischen Coro- na-Warn-App und Gesundheits- amt optimieren? Wie ließe sich die App für die Gesundheitsäm- ter besser nutzen? Das ist sehr schwer zu sagen, weil bei uns nur wenige Anfra­ gen durch die App generiert wurden. Diese Personen sind darüber hinaus oft asympto­ matisch und der anschließende Test daher häufig negativ. Es bleibt dazu vieles im Ungefäh­ ren: Es handelt sich ja um frei­ willige Meldungen der App-Be­ nutzer. Somit kann die Person auch eine Nachricht ignorieren und sich eben nicht beim Ge­ sundheitsamt melden. Abgesehen von der App: Welche digitalen Hilfsmittel wünschen Sie sich für Ihre alltägliche Arbeit? Womit uns wirklich geholfen wäre, sind Laptops für mobiles Arbeiten und neue Telefone, damit uns die Nachverfolgung der Kontakte leichter gemacht wird. Darüber hinaus gibt es spezielle Software, die das Kontaktpersonenmanagement vernetzt und somit erleichtert. Sie sorgt etwa dafür, dass In­ formationen über Kontakte zentral gespeichert und von verschiedenen Stellen, etwa den Gesundheitsämtern, den Laboren oder den Kliniken auf dem Laufenden gehalten wer­ den. Auch für die Reiserückkeh­ rer wäre beispielsweise eine Digitalisierung der Aussteige­ karten wünschenswert, die Reisende ausfüllen müssen, wenn sie etwa aus Risikogebie­ ten zurück nach Deutschland kommen. ? nachgefragt bei ... ...Wolfgang Ditz, Stadtarzt Gesundheitsamt Mönchengladbach und Mitglied im Gesamtvorstand komba gewerkschaft mönchengladbach << Der Autor . . ist Diplom-Informatiker, selbstständiger Software­ entwickler und lebt in Ber­ lin. Er ist Co-Vorsitzender des digitalpolitischen Think­ tanks D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt. © Cedrik Wesche/Unsplash.com 15 > dbb magazin | November 2020 dbb

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