dbb magazin 10/2020

frauen Neues Bündnis Sorgearbeit fair teilen Das zivilgesellschaftliche „Bündnis Sorgearbeit fair teilen“ will mehr Gleichberechtigung in die private Sorgearbeit bringen. Als Mitbegründerin unterstützt die dbb bundesfrauenvertretung das gemeinsame Vorhaben. Wer holt die Kinder von der Kita ab, hilft dem Opa beim Einkaufen? Wer geht zum El­ ternabend und backt den Ku­ chen fürs Schulsommerfest? Wer putzt, wäscht, kocht? Es sind noch immer vor allem die Frauen, die sich um die Orga­ nisation von Familie und den Haushalt kümmern – unbe­ zahlt und meist auf Kosten der eigenen Karriere. Frauen wenden im Durch­ schnitt täglich anderthalb Stunden mehr für Sorgearbeit auf als Männer. Dieser soge­ nannte Gender Care Gap be­ trägt damit 52 Prozent, in Paar­ haushalten mit Kindern sind es sogar 83 Prozent. Gleichzeitig liegt der größere Anteil der Er­ werbsarbeit noch immer bei den Männern. Dem EU-Gleich­ stellungsindex zufolge arbei­ ten Frauen hierzulande im Schnitt 30,5 Stunden pro Wo­ che. Männer gehen durch­ schnittlich 38,9 Stunden in der Woche einer Erwerbstätigkeit nach. Nur in Dänemark und in den Niederlanden liegen die Wochenarbeitszeiten darunter. Hinzu kommt, dass in Deutsch­ land beinahe jede zweite Er­ werbstätige (46 Prozent) ihre Arbeitszeit reduziert. Damit erreicht Deutschland nach den Niederlanden und Österreich den dritthöchsten Anteil an teilzeitbeschäftigten Frauen in der EU. << Keine Rolle rückwärts „Diese Arbeitsteilung ent­ spricht nicht mehr den Lebens­ vorstellungen vieler Paare. Unabhängig vom eigenen Ge­ schlecht wollen Frauen und Männer sowohl private Sorge­ arbeit und Sorgeverantwor­ tung übernehmen als auch für den eigenen Lebensunterhalt sorgen können. Eine Frau allei­ ne kann diese gesellschaftlich verfahrene Lage nicht lösen. Dafür benötigen wir wirkungs­ volle politische Konzepte“, macht dbb frauen Chefin Milanie Hengst deutlich. Gerade die Folgen von Corona hätten offenbart, dass Mütter noch immer in einer schwäche­ ren Position seien als Väter. „Homeschooling und Kitaer­ satz – überwiegend Frauen sind eingesprungen. Für die Arbeit im Homeoffice blieben ihnen meist nur die späten Abendstunden, die Belastung überstieg bei vielen – vor allem bei Alleinerziehenden – das Li­ mit. Wir haben in den heraus­ fordernden Monaten des Lock­ downs gesehen, wie schnell unsere Gesellschaft in tradier­ tes Rollenverhalten zurück­ fällt“, stellt Hengst heraus. << Mit vereinten Kräften Von der Zusammenarbeit im „Bündnis Sorgearbeit fair tei­ len“, das Gewerkschaften, Kir­ chen, Frauen-, Männer- und Sozialverbände sowie Stiftun­ gen und Selbsthilfeorganisati­ onen vereint, erhofft sich die Chefin der dbb bundesfrauen­ vertretung wichtige Synergien. Ziel ist es, die „Sorgelücke“ langfristig zu schließen: „Ge­ meinsam ziehen wir an einem Strang: Mit vereinten Kräften für mehr Partnerschaftlichkeit bei der Verteilung von unbe­ zahlter Sorge- und Erwerbsar­ beit“, betont Milanie Hengst. Sie bringt die Interessen des dbb beamtenbund und tarif­ union in die Bündnisaktivitä­ ten ein. Adressiert werden sol­ len vor allem politische und wirtschaftliche Akteurinnen und Akteure. „Private Sorgear­ beit ist politisch: Wir wollen breit darüber diskutieren, war­ um Frauen trotz guter Ausbil­ dung und oft toller beruflicher Aussichten durch familiäre Sor­ gearbeit doppelt belastet wer­ den und ihre Karrierechancen dramatisch schrumpfen, so­ bald sie eine Familie gründen. Aber auch für Väter soll es leichter werden, längere Eltern­ zeiten und Teilzeitmodelle zu nutzen. Das hartnäckige Kli­ schee, das Einkommen des Va­ ters müsse die ganze Familie ernähren, muss endlich raus aus den Köpfen.“ Die Vorsitzende der dbb bun­ desfrauenvertretung ist über­ zeugt, dass eine Ursache für die Verdienstunterschiede an der Wurzel gepackt wer­ den kann, wenn Männer und Frauen Sorge- und Erwerbsar­ beit gleichberechtigt teilen. Langfristig könnten so auch Versorgungslücken im Alter, die bekanntlich vor allem Frauen betreffen, behoben werden. Dazu gehöre nach Auffassung aller Bündnismitglieder auch ein korrektiver Blick in die Be­ rufswelt: Denn auch hier pfle­ gen, kümmern und betreuen schließlich vor allem Frauen professionell als Grundschul­ lehrerin, Krankenpflegerin oder Erzieherin. Bezahlt wer­ den diese systemrelevanten Berufe aber deutlich schlech­ ter als beispielsweise hand­ werkliche oder technische Berufe. „Das wollen wir ver­ ändern, indem wir Debatten führen und Lösungsvorschläge mit der Politik aufs Gleis set­ zen. Soziale, systemrelevante Berufe müssen ihrem gesell­ schaftlichen Wert entspre­ chend entlohnt werden“, so die dbb frauen Chefin. bas << Sorgearbeit fair teilen Im Juli 2020 hat sich das zivilgesellschaftliche „Bünd­ nis Sorgearbeit fair teilen“ gegründet. In einem Flyer informiert das Bündnis über seine Ziele und wie sich wei­ tere Organisation anschlie­ ßen können. https:// bit.ly/ 2ZBzPFG Foto: Colourbox.de 26 > dbb magazin | Oktober 2020 dbb

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