dbb magazin 7-8/2020

frauen Abgesehen von der Frage nach der gleichen Teilhabe an Füh- rungspositionen, worauf kommt es Ihrer Meinung nach noch an, um Gleichstellung im öffentlichen Dienst erfolgreich voranzubringen? Ich sehe hier die Führungskräf- te in der Verantwortung. Sie müssen lernen, anders mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie umzugehen. Wenn eine Frau eine Schwan- gerschaft angezeigt hat, wird sie meist vom Vorgesetzten gefragt, wie sie sich Elternzeit und den Wiedereinstieg vor- stellt. Eine gute Amtsleitung geht, meiner Ansicht nach, auch auf die werdenden Väter zu und fragt sie genau das Gleiche. Gleichstellung sollte aber unbedingt auch unterhalb von Führungspositionen be- achtet werden. Die berufliche Entwicklung in allen Laufbah- nen hängt oftmals von der För- derung der Führungskräfte ab. Hilfreich wäre auch die struk- turelle Änderung des Eltern- geldbezugs. Eine Überlegung ist, den vollen Elterngeldbetrag nur auszubezahlen, wenn beide Eltern die Elterngeldmonate zu gleichen Teilen beanspruchen. Ein Blick zu unseren skandinavi- schen Nachbarn zeigt, dass es möglich ist. Mit einer solchen Regelung werden die Arbeitge- ber zum Handeln gezwungen. Sie müssten dann automatisch auch Vätern längere Auszeiten gewähren. Das würde sich nicht nur auf die Behördenkul- tur, sondern auch auf die pri­ vaten Aushandlungsprozesse auswirken. Welche Rolle spielt die Digitali- sierung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Die Digitalisierung ist ein ent- scheidender Faktor. Arbeitszei- ten können individualisiert und mobile Arbeit bedarfsgerecht ermöglicht werden. Zeit ist in den meisten Familien knapp, viele Frauen berechnen ihre Teilzeit genau nach den Schließ- zeiten der Kitas und demWeg zwischen Wohnung und Ar- beitsstätte. Die eingesparte Fahrtzeit führt zu einer großen Entlastung und hat ökologi- sche Vorteile. Dies darf aber nur unter Auflage guter Rah- menbedingungen erfolgen. Aber auch hier gilt: bottom up! Womit würden Sie anfangen? Wir brauchen ganz dringend dezentrale Fortbildungs- und Aufstiegslehrgänge, die auch für Mütter und für Frauen, die Angehörige pflegen, geeignet sind. Derzeit finden Aufstiegs- lehrgänge in der Regel für meh- rere Wochen oder gar Monate teilweise über mehrere Jahre hinweg in einem Schulungszen- trumweit entfernt vomWohn- ort statt. Sie können sich vor- stellen, was das heißt, wenn man eine pflegebedürftige Per- son versorgen muss oder schul- pflichtige Kinder hat. Denn nicht in alle Ausbildungseinrich- tungen können die Kinder mit- genommen werden. Aber selbst wenn es möglich ist, bleibt die Entscheidung schwer: Reiße ich das Kind aus seinem gewohn- ten Umfeld heraus? Noch schwieriger wird es, wenn die Kinder einen besonderen För- derbedarf haben. Das sind enorme Hürden. Viele Frauen verzichten lieber auf einen Auf- stiegslehrgang. Das ist fatal. Schon allein wegen des demo- grafischen Wandels brauchen wir neue Führungskräfte. Wie sind Sie dazu gekommen, sich im dbb zu engagieren? Wenn ich sage, meine Arbeit als Finanzbeamtin gab den Anstoß, halten mich viele für verrückt. Viele finden Steuer­ erklärung langweilig oder sogar anstrengend. Für mich erzählt aber jede Steuererklärung eine ganz persönliche Lebensge- schichte. Und dabei habe ich natürlich auch viele Schicksale von Frauen begleitet. Frauen, die beruflich erfolgreich waren, geheiratet haben, Kinder beka- men und dann in den darauffol- genden Jahren immer weniger verdient haben oder nach einer Scheidung alleinerziehend wur- den. Für diese Frauen wollte ich was bewegen. Ich hatte zu die- sem Zeitpunkt noch keine Kin- der, aber ich war Kind einer be- rufstätigen Mutter. Die DSTG ist eine sehr präsente Gewerk- schaft in der Finanzverwaltung, die Frauenvertretungen vor Ort, auf der Landesebene und im Bund sind selbstverständlich und gehören einfach mit zum Gesamtbild der „DSTG-Familie“. Was motiviert Sie, sich im dbb für Frauenpolitik zu engagieren? Das Verständnis für die The- men und die Bindung an die Frauenvertretung waren bei mir schon immer sehr stark mit starken Frauen verbun- den. Wie zum Beispiel die da- malige Vorsitzende der DSTG- Bundesfrauenvertretung, Helga Schulz. Helga hat mich motiviert, mich auch politisch innerhalb der Gewerkschaft zu engagieren. Auch Andrea Sauer-Schnieber, ehemalige Vorsitzende der DSTG-Bundes- frauenvertretung und heutige stellvertretende Bundesvorsit- zende, hat meine ersten Jahre in der Frauenvertretung stark geprägt. Ich habe aber auch echte Freundinnen in der Ge- werkschaft gefunden und Frau- ensolidarität erfahren. Es war für mich nie eine Belastung, zu einer Gremiensitzung zu fah- ren, sondern immer die Vor- freude auf „meine Frauen“. Ich hatte immer das Gefühl, dass wir gemeinsammehr erreichen können, und fördere diesen Zu- sammenhalt bis heute. Die letzten Jahre haben mir gezeigt, dass die Arbeit in der dbb bundesfrauenvertretung politischer und komplexer ist. Die Vielfalt unserer Fachge- werkschaften und Länder ist eine Herausforderung, aber auch eine große Chance. Ich freue mich auf die Arbeit in der „dbb Familie“ und werde offen und neugierig jedes Thema an- gehen. Ich sehe überall enga- gierte junge Frauen und wenn mich eine fragt: „Wie komme ich irgendwann dahin, wo du bist?“, dann werde ich ihr den Weg gerne zeigen. Die Gespräche führte Birgit Strahlendorff . In Kooperation mit der dbb akademie Seminartipps für Frauen Digitalisierung: Chancen und Risiken in einer veränderten Arbeitswelt 17. bis 19. September 2020 dbb forum siebengebirge Seminar-Nummer: 2020 B145 SK Nichts bleibt wie es ist – Veränderungsprozesse als Interessenvertretung gestalten 8. bis 10. November 2020 dbb forum siebengebirge Seminar-Nummer: 2020 B191 SK Weitere Informationen zu Inhalt und Ablauf der Seminare: https://www.dbb.de/der-dbb/frauen/veranstaltungen.html Hinweise zur Anmeldung Die Seminare der dbb bundesfrauenvertretung richten sich an im dbb beamtenbund und tarifunion organisierte Frauen. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldungen nimmt die dbb bundes- frauenvertretung per E-Mail an frauen@dbb.de entgegen. Bit- te geben Sie neben der Seminarnummer und Ihrer Postadresse auch Ihre dbb Mitgliedsgewerkschaft an. 34 dbb > dbb magazin | Juli/August 2020

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