dbb magazin 5/2020

senioren ? eine frage an ... ... Univ.-Prof. Dr. med. Johannes Pantel, Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin der Universität Frankfurt Strikte häusliche Isolation kann für Senioren schädlich sein Viele Ältere sind derzeit unsi- cher, wie sie eine Corona-Infek- tion vermeiden sollen, ohne auf soziale Kontakte zu ver- zichten – auch für die Zeit nach den Kontaktbeschränkungen. Gibt es einen Mittelweg zwi- schen Ignoranz und Isolation? Johannes Pantel Unstrittig handelt es sich bei SARS-CoV-2 um einen gefährli- chen Keim, vor dem sich jeder schützen sollte. Dies gilt je- doch für viele weitverbreitete andere Keime auch wie zum Beispiel Influenza, und selbst ein vergleichsweise harmloser Rhinovirus, der bei den meis- ten Menschen höchstens einen Schnupfen verursacht, kann eine stark immungeschwächte Person töten. Das konsequente Einhalten der inzwischen weit- gehend bekannten Hygiene­ regeln ist daher ohne jede Frage sinnvoll. Die wissenschaftliche Evidenz für die Wirkung vieler anderer aktuell empfohlener Schutz- maßnahmen ist dagegen allen- falls schwach. So ist etwa das Tragen von einfachen Gesichts- masken zum Zwecke des Eigen- schutzes weitgehend wirkungs- los und auch bei einer strikten häuslichen Eigenisolation kön- nen im ungünstigen Fall die gesundheitsschädlichen Fol- gen den möglichen Infektions- schutz überwiegen. Soziale Isolation verschlechtert den Verlauf der meisten chroni- schen körperlichen Erkrankun- gen im Alter – wie Diabetes und Herzleiden. Es gibt zudem Hinweise, dass soziale Isolation das Immunsystem schwächt. Jedoch auch die psychische Verfassung: Soziale Isolation fördert Apathie und Angststö- rungen, sie ist ein Risikofaktor für Depressionen, sogar für Suizide. Letztlich ist hier auch zu bedenken, dass selbst bei Anwendung sehr rigoroser Eigenschutzmaßnahmen wie dem Tragen einer FFP2-Atem- schutzmaske kein hundert­ prozentiger Schutz besteht. Dagegen sind selbst ältere Menschen bei einem zufälli- gen Kontakt mit SARS-CoV-2 dem Virus nicht schutzlos aus- geliefert, insofern sie über eine weitgehend intakte allgemeine Immunkompetenz verfügen. Die pauschale Orientierung am kalendarischen Alter (zum Beispiel über 65 Jahre) bei der Definition von „Hochrisiko- gruppen“ ist daher nicht ziel- führend, selbst wenn im Ein- zelfall noch ein oder zwei gut eingestellte chronische Erkran- kungen wie Bluthochdruck hinzukämen. Diese Definition basiert nämlich fast aus- schließlich auf Beobachtungen an Betroffenen mit schwersten oder fatalen Verlaufsformen, wohingegen zuverlässige (nicht verzerrte) Daten aus der Allge- meinbevölkerung – zu denen auch rüstige, selbstständig lebende Senioren gehören – bislang nicht vorliegen. So wissen wir etwa auch mit Blick auf die fatalen Verläufe, dass Männer ein dreimal höhe- res Risiko haben, an COVID-19 zu erkranken. Niemand würde jedoch daraus die Empfehlung ableiten, dass alle Männer nun zu Hause bleiben müssen, während Frauen ohne Beden- ken nach draußen dürfen. Für den persönlichen Schutz folgt daraus letztlich, dass neben den allgemeinen hygienischen Regeln alles getan werden soll- te, um das eigene Immunsys- tem zu stärken. Neben einer gesunden, vollwertigen Ernäh- rung und dem Verzicht auf Ge- nussgifte wie Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum gehören hierzu nachweislich auch: viel Bewegung an der fri- schen Luft, mentale Anregung und soziale Partizipation. << Bericht der Rentenkommission Generationengerechtigkeit ist das Maß Die Vorsitzenden von dbb jugend und dbb bundesseniorenvertre- tung, Karoline Herrmann und Horst Günther Klitzing, sehen Licht und Schatten bei dem von der Kommission „Verlässlicher Generatio- nenvertrag“ vorgelegten Bericht. „Haltelinien sind grundsätzlich gut. Mit einemweiteren Absenken der Renten wird jedoch das Ziel der Teilhabe an der Wohlstandsentwicklung künftiger Generatio- nen nicht erreicht“, erklärte Horst Günther Klitzing am 3. April 2020. Karoline Herrmann stellte fest: „Jüngere Beschäftigte sind ohne- hin zum Beispiel durch Familiengründung finanziell stark gefor- dert. Die Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitrags darf sich hier nicht negativ auswirken.“ Herrmann und Klitzing werteten den Verzicht auf eine Empfeh- lung für eine weitere Anhebung des Rentenzugangsalters und die Betonung des Handlungsbedarfs bei der zusätzlichen Altersvorsor- ge grundsätzlich positiv. Allerdings sei bei der Altersvorsorge die finanzielle Leistungsfähigkeit der jüngeren Generation zu beach- ten. „Sehr vernünftig und sachgerecht ist, die Alterssicherung der Beamten auch zukünftig in dem bewährten eigenständigen Sys- tem abzuwickeln“, sagten die beiden Vorsitzenden. © Colourbox 35 dbb > dbb magazin | Mai 2020

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