dbb magazin 5/2020

senioern Regierungsentwurf für ein Grundrentengesetz Start des Gesetzgebungsverfahrens Lange wurde zwischen den Parteien der Großen Koalition über das Thema debattiert. Nun hat das Bundeskabinett am 19. Febru- ar 2020 einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Grundrente beschlossen und das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Ab dem 1. Januar 2021 soll die Grundrente ausbezahlt werden und für Bestands- und Neurentnerinnen und -rentner gelten. Ziel der Bundesregierung ist es, dass Personen, die lange gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt ha- ben, eine auskömmliche Rente beziehen, die möglichst über der Grundsicherung liegt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geht da- von aus, dass ungefähr 1,3 Mil- lionen Personen die Grundren- te erhalten können, davon rund 70 Prozent Frauen. << Grundzüge der Neuregelung Kern der Regelung ist, dass die Rentnerinnen und Rentner, die Grundrentenzeiten von mindes- tens 33 Jahren vorweisen kön- nen, einen Zuschlag zu ihrer Rente erhalten. Der volle Zu- schlag wird ab 35 Jahren er- reicht. Bei Grundrentenzeiten zwischen 33 und 35 Jahren wird als gleitender Übergang ein an- steigender Zuschlag gezahlt. Als Grundrentenzeiten werden hierbei insbesondere Pflichtbei- tragszeiten sowie Zeiten für Kin- dererziehung und Pflege be- rücksichtigt. Voraussetzung für die Zuschlagszahlung ist, dass der Durchschnittswert der Ent- geltpunkte aus diesen zu be- rücksichtigenden Zeiten zwi- schen 30 und 80 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt. Niedrige Entgelte unter 30 Prozent des Durchschnitts- einkommens werden bei der Be- rechnung nicht berücksichtigt. << Höhe der Grundrente Grundlage der Berechnung der Höhe des Grundrenten­ zuschlags sind die Entgeltpunk- te, die während der zu berück- sichtigenden Zeiten erworben wurden. Wenn mindestens 35 Jahre an Grundrentenzei- ten vorliegen, wird der Durch- schnittswert der erworbenen Entgeltpunkte (ohne Berück- sichtigung der Zeiten, in denen weniger als 30 Prozent des Durchschnittsentgelts verdient wurden) für maximal 35 Jahre verdoppelt, höchstens jedoch auf 0,8 Entgeltpunkte erhöht. Der so ermittelte Entgeltpunk- tezuschlag wird dann mit 0,875 multipliziert. Der Zuschlagsbe- trag ergibt sich dann durch Multiplikation mit dem aktu­ ellen Rentenwert. Im Übergangsbereich zwischen 33 und 35 Jahren wird der ma- ximale Durchschnittswert der Entgeltpunkte schrittweise von 0,4 auf 0,8 Entgeltpunkte erhöht. << Rechenbeispiel Zur Verdeutlichung der recht komplizierten Berechnung kann folgender Beispielsfall gebildet werden. Eine Beschäf- tigte aus den östlichen Bun- desländern hat über 36 Jahre durchschnittlich 0,5 Entgelt- punkte erreicht. Ihre bisherige gesetzliche Rente errechnet sich aus der Multiplikation der 36 zu berücksichtigenden Jahre mit den durchschnittlich 0,5 Entgeltpunkten und dem Ren- tenwert Ost in Höhe von 31,89 Euro (36 x 0,5 x 31,89 Euro = 574,02 Euro). Künftig würde dann ein Grundrentenzuschlag erfolgen, der sich aus der Mul- tiplikation der 35 maximal zu berücksichtigenden Jahre mit den zusätzlichen 0,3 Entgelt- punkten, dem oben genannten Faktor 0,875 und dem Renten- wert errechnet (35 x 0,3 x 0,875 x 31,89 Euro = 292,99 Euro). Der Beschäftigten im Beispiel stünde zukünftig also insgesamt eine Rente von 867,01 Euro (574,02 Euro plus Grundrentenzuschlag von 292,99 Euro) zu. << Einkommensprüfung Um den Bedarf für einen Grundrentenzuschlag zu er­ mitteln, wird zusätzlich eine Einkommensprüfung (jedoch keine Vermögensprüfung) durchgeführt. Bis zu einem Freibetrag von 1250 Euro für Alleinstehende und 1950 Euro für Paare (Ehepaare sowie ein- getragene Lebenspartnerinnen und -partner) findet keine An- rechnung statt. Das über die- sen Freibeträgen liegende Ein- kommen wird zu 60 Prozent auf die Grundrente angerech- net. Das Einkommen, das bei Alleinstehenden 1600 Euro und bei Paaren 2300 Euro übersteigt, wird vollständig angerechnet. << Kein Antrag notwendig Ein Antrag auf den Erhalt des Grundrentenzuschlags ist nicht notwendig. Die Grundrente ist als Teil der gesetzlichen Rente ausgestaltet und wird auto­ matisch berechnet und ausge- zahlt. Der Rentenbescheid wird dann auch die Höhe der Grund- rente ausweisen. Wenn das Einkommen und Vermögen zum Lebensunter- halt dennoch nicht ausreichen, kann daneben weiterhin ein Antrag auf Grundsicherung ge- stellt werden. Wird neben der Rente Wohngeld bezogen, so wird die Grundrente bei dessen Berechnung nicht voll heran­ gezogen, sondern es werden Freibeträge eingeführt. << Positionierung des dbb Der dbb hat eine Stellungnah- me zum Gesetzentwurf abge- geben, die auf der Website des BMAS einsehbar ist. Er begrüßt die Einführung einer Grundren- te für langjährig Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen grundsätzlich, da sie durch die Aufwertung nied- riger Renten eine Gerechtig- keitslücke schließt und auch dazu beiträgt, die Unterschie- de bei den Rentenansprüchen von Frauen und Männern zu verringern. Der dbb hat jedoch massive Bedenken im Hinblick auf die praktische Umsetzung der Neuregelung, da diese sehr verwaltungs- und beratungsin- tensiv ist. Er weist darauf hin, dass die Rentenversicherungs- träger ohnehin bereits hoch belastet sind. Bis 2010 sei mas- siv Personal abgebaut worden, das nun fehle. Die Beschäftig- ten müssen dringend vor Über- forderung geschützt und au- ßerdem fundiert zum Thema geschult werden. © Colourbox 34 dbb > dbb magazin | Mai 2020

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