dbb magazin 4/2020

interview Kontakt mit Kranken bezie­ hungsweise vielen Menschen. Das liegt ja in der Natur der Sa- che. So hart das auch klingen mag: Wichtig ist jetzt, dass wir den Laden so gut wie möglich am Laufen halten. Und mein Eindruck ist, dass gerade die Kolleginnen und Kollegen, die nah am Geschehen sind, sich dieser besonderen Verantwor- tung bewusst sind – trotz aller Gefahren. Klar ist aber auch: Wir erwarten gerade jetzt von den öffentlichen Arbeitgebern, dass sie ihre Fürsorgepflicht vorbildlich wahrnehmen und alles unternehmen, um die Be- schäftigten zu schützen. Das kann die Bereitstellung von Schutzkleidung und Hygiene- artikeln sein oder auch die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Sowohl den Füh- rungskräften als auch den poli- tischen Entscheidungsträgern ist das meines Erachtens sehr wohl bewusst und es gibt ins- gesamt einen starken Wunsch, die Krise als Team gemein- schaftlich zu lösen. Sie haben aber bereits gegen­ über den Medien auf die man­ gelhafte Ausstattung des öffentlichen Dienstes hinge­ wiesen, gerade auch bezüglich der IT-Ausstattung. Letztere erschwert natürlich auch die Arbeit im Homeoffice. Das ist ja auch richtig, dazu ste- he ich. Ehrlich gesagt befinden wir uns als Gewerkschaft aber da derzeit in einer zwiespälti- gen Lage: Einerseits muss unser aller Fokus jetzt darauf liegen, dass wir diese Notlage zügig in den Griff bekommen. Anderer- seits offenbart die Situation auch die eklatanten Schwach- stellen des öffentlichen Dienstes, sowohl bezüglich der Personal- ausstattung als auch hinsicht- lich der Digitalisierung. Das ist ja nun auch keine neue Erkennt- nis, das sagen wir seit Jahren. Aber es macht keinen Sinn, sich deswegen jetzt beleidigt in die Ecke zu stellen. Die Politik ist gerade sowieso – zu Recht – mit anderen Dingen beschäf- tigt. Verantwortung bedeutet für uns, jetzt ganz klar Priori­ täten zu setzen. Erstens: die Beschäftigten schützen und unterstützen, mit aller Kraft. Zweitens: gemeinsam so schnell wie möglich die Situation be- wältigen und wieder in ruhigere Fahrwasser kommen. Drittens: im Nachgang sauber aufarbei- ten, wo die Herausforderungen liegen, und dann auch wirklich handeln. Dieses Land braucht einen starken öffentlichen Dienst. Das sollte allerspätes- tens jetzt jedem klar sein. Unser Eindruck ist, dass dem öffentlichen Dienst im Moment auch besonders viel Sympathie aus der Bevölkerung entgegen­ schlägt. Stimmt. Das ist schon großar- tig, wenn man beispielsweise die Solidarität mit demmedi­ zinischen Personal sieht. Aber auch Berufsgruppen, die sonst nicht so viel Beachtung finden, bekommen imMoment mehr Zuspruch. Spontan fallen mir da die Fahrerinnen und Fahrer von Bus und Bahn ein. In der Krise wird nun vielen erst rich- tig bewusst, wie wichtig deren Job ist und welchen Belastun- gen sie jeden Tag ausgesetzt sind. Aber solche Beispiele gibt es ja viele: Denken wir an die Beschäftigten im Vollzugs- dienst, die gerade mehr denn je die Menschen im Gefängnis nicht nur bewachen, sondern versorgen. Denken wir an die Zöllnerinnen und Zöllner, die gerade an den Flughäfen und Grenzen Reisebeschränkungen überwachen und den Betroffe- nen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Aber mit solchen Auf- zählungen halte ich mich lieber zurück, weil man ohnehin nie alle nennen kann, die es ver- dient hätten. Neben Solidarität gibt es aber auch viel Unverständnis darü­ ber, dass die Situation immer noch nicht von allen ernst genommen wird. Ja, das ärgert mich auch, sehr sogar. Viele Kolleginnen und Kollegen gehen bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus, um anderen zu helfen. Und dann haben wir gesehen, wie einige Menschen sich über alle Vorsichtsmaßnahmen hin- weggesetzt haben und so leichtfertig die unkontrollierte Ausbreitung der Pandemie in Kauf genommen haben. Das macht einen sprachlos. Gegen einen Spaziergang im Freien T ransparenz-Hinweis Dieses Interview wurde am 23. März 2020 geführt und bezieht sich entspre- chend auf den damaligen Stand der Ereignisse. Neuere Entwicklungen konn- ten aus produktionstechnischen Gründen nicht berücksichtigt werden. © Jan Brenner (3) 5 dbb > dbb magazin | April 2020

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