dbb magazin 4/2020

brennpunkt << Kommentar Patient in Not Wohl gesprochen, möchte man der Gesundheitsministerkonferenz für ihr Leitbild zurufen, allein wo bleibt die politische Ausgestal- tung dieses Bekenntnisses? Weiterhin erleben die Beschäftigten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, dass die Anforderungen und ihr Aufgabenprofil durch eine Vielzahl legislativer Entscheidungen weiter steigen und ausdifferenziert werden, sich aber nichts in Sa- chen adäquater Personalausstattung tut. Im Gegenteil: Sehenden Auges werden die mitunter dramatischen Folgen des Personalman- gels in verschiedensten Bereichen hingenommen, ohne dass offen- kundiger politischer Handlungsdruck in Taten umgesetzt würde. Nur ein Beispiel: Viele Gesundheitsämter können die Hygiene- Überwachung von Kliniken und Praxen kaum noch bewerkstelli- gen. Wie relevant das aber wäre, zeigt die Statistik: Jedes Jahr infi- zieren sich allein in deutschen Krankenhäusern mehr als 50000 Menschen mit gefährlichen Krankheitserregern. Auch im ambulan- ten Bereich steigt die Zahl der Infektionen mit multiresistenten Keimen, bei denen Antibiotika keine Wirkung mehr zeigen. Bis zu 2300 Todesfälle pro Jahr werden damit in Verbindung gebracht. Allein in Anbetracht dessen ist Deutschlands Öffentlicher Gesund- heitsdienst noch weit entfernt von einem funktionierenden Public Health-System – vielmehr ist er auch ein Patient in Not. iba die einhellige Meinung aller Be- teiligten in Frankfurt. Unstrittig sei, dass das Amt mit 210 Mitar- beitenden, darunter mehr als 50 Ärztinnen und Ärzte, in fünf Fachabteilungen anspruchsvol- le Rahmenbedingungen bietet, umMedizinstudierenden einen Einblick in das Berufsfeld zu ver- mitteln. Nachdem sich auf die PJ-Pio­ nierin im Frankfurter Gesund- heitsamt bereits mehrere weitere interessierte Jungmedi- zinerinnen und -mediziner ge- meldet haben, ist die Hoffnung da, mit der Kooperation einen kleinen Schritt Richtung nach- haltige Nachwuchsgewinnung gemacht zu haben. „Wir wollen mit dem PJ vor allem für den Öffentlichen Gesundheits- dienst werben“, sagt Amtschef Gottschalk. „Wir wollen zeigen, dass wir als Amtsärzte subsidi- är tätig sind, wir wollen die jun- gen Leute für unseren Beruf be- geistern.“ Das Problem sei der Facharztmangel. Der Öffentli- che Gesundheitsdienst sei kein Thema imMedizinstudium, es gebe zudem keinen einzigen Lehrstuhl dafür. Pro Jahr erwerben im Durch- schnitt gerade einmal etwas mehr als ein Dutzend Ärztin- nen und Ärzte einen entspre- chenden Facharzt (für öffent­ liches Gesundheitswesen). Die Ursache dafür liegt neben dem verbesserungsbedürfti- gen Bekanntheitsgrad auch im finanziellen Defizit. Frankfurts oberster Amtsarzt jedenfalls wird nicht müde, Werbung für seine Profession zu machen. „Wir bieten eine unglaubliche Vielfalt“, sagt René Gottschalk. „Wir behandeln hier im Amt viel mehr Patienten als man- che Klinik.“ Von mangelnder Patientenversorgung könne also keinesfalls die Rede sein. << Gesundheitsminister- konferenz: ÖGD stärken „Der Öffentliche Gesundheits- dienst (ÖGD) ist ein unverzicht- barer Teil eines modernen Sozi- alstaats. Er gehört neben der ambulanten und stationären Versorgung zur Basis des Ge- sundheitswesens“, heißt es im Leitbild für einen modernen Öf- fentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), das die Gesundheitsmi- nisterkonferenz Anfang 2018 einstimmig verabschiedete – Überschrift „Der ÖGD: Public Health vor Ort“. Die Ministerin- nen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder betonten die her- ausgehobene und verantwort- liche Stellung, die dem Öffent­ lichen Gesundheitsdienst im Rahmen der Daseinsvorsorge zukomme: „Ein starker ÖGD ist eine Voraussetzung für das Funktionieren des Public- Health-Systems insgesamt.“ Diese dritte Säule des Gesund- heitssystems gelte es, zu- kunftsfest zu machen, auch mit Blick auf den gesellschaftlichen Wandel, der eine Neujustierung der Ausrichtung erforderlich mache. Hoheitliche Schutz- und Überwachungsaufgaben würden künftig um steuernde, partizipative und gesundheits- fördernde Tätigkeiten ergänzt, heißt es in diesem Leitbild. Auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gesund- heitsämtern, die diese Heraus- forderungen schultern müssen, wenden sich die Gesundheits- ressortchefs in ihrem Papier zu – wenn auch erst ganz am Ende: „Der ÖGD braucht eine breite und nachhaltige politische Un- terstützung aller Ebenen, von Kommune bis Bund. Es ist not- wendig, die Personalentwick- lung und Personalausstattung im ÖGD am Umfang seiner fachlichen Aufgaben auszurich- ten und nicht allein an finanz- politischen oder verwaltungs- politischen Vorgaben.“ iba © fotolia.de 14 dbb > dbb magazin | April 2020

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