dbb magazin 3/2020

europa . Almut Möller, Bevollmächtigte der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund, bei der Europäischen Union und für Auswärtige Angelegenheiten Der Brexit wird Großbritannien härter treffen als Deutschland 1 Welche Folgen hat der nun erfolgte Brexit für Hamburg? Das ist ein sehr wichtiges The- ma, das uns seit dem Referen- dum vor bald vier Jahren inten- siv beschäftigt hat. Seit dem Austritt am 31. Januar 2020 ha- ben wir eine etwas klarere Per- spektive, allerdings noch alles andere als Gewissheit über die künftigen Beziehungen. Es gibt ganz vielfältige Beziehungen, nicht nur Wirtschaftsbeziehun- gen, auch Kulturbeziehungen zwischen Hamburg und dem Vereinigten Königreich. Ham- burg gehört sicher zu den Bun- desländern, die den Austritt Großbritanniens aus der EU besonders bedauern. Großbritannien gehört zu Hamburgs wichtigsten Han- delspartnern in der EU. Das heißt, dass unsere Wirtschaft vom Brexit betroffen sein wird. Allerdings haben wir die Zeit auch genutzt und sind gut vor- bereitet. Das gilt für unsere Be- hörden ebenso wie für unsere Unternehmen. Ich glaube, dass sich daher einiges abfedern lässt. Es gibt eine fortlaufende Bewertung der Lage, sodass wir erforderlichenfalls schnell reagieren können. Ich gehe da- von aus, dass die wirtschaftli- chen Folgen des Brexits für Großbritannien größer sein werden als für uns in Deutsch- land und Hamburg. Es gibt im Übrigen bereits Neuansiedlun- gen aus Großbritannien in Hamburg. Besonders wichtig war uns auch die Frage, was eigentlich mit den Britinnen und Briten in Hamburg passiert. Wir haben ihnen viel Unterstützung gege- ben. Es gab eine sehr intensive Informationspolitik, und wir werden ihnen bei der Erlan- gung von jetzt nötigen Aufent- haltstiteln sehr unbürokratisch helfen. Und wir haben auch ge- schaut, wo wir in der Verwal- tung personell aufstocken müssen. Es gibt eine Arbeits- gruppe aller Behörden, die sich mit der Bewältigung des Bre- xits beschäftigt und die Lage laufend neu bewertet. 2 Was sind die für Hamburg aktuell wichtigsten euro- papolitischen Fragen? Wir begleiten momentan in- tensiv die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), dem siebenjährigen Haushaltsbudget der EU. Ham- burg erhält nur einen ver- gleichsweise geringen Anteil an Kohäsionsmitteln, also Strukturförderung. Deshalb liegt unser Interessenschwer- punkt vor allem in den Berei- chen Forschung und Innovati- on. Wir setzen uns für eine verstärkte Förderung dieser Bereiche durch das entspre- chende EU-Rahmenprogramm, das Nachfolgeprogramm von „Horizont 2020“, ein. Gleichzei- tig zeigen wir uns auch solida- risch mit anderen Ländern und Regionen, die mehr auf die Mittel aus der Strukturförde- rung setzen müssen. Wir müssen für ein Europa arbeiten, das zusammenhält. Wie stark dieser Zusammen- halt bedroht ist, hat uns das vergangene Jahrzehnt doch gezeigt. Wenn es der EU und ihren Mitgliedern insgesamt nicht gut geht, dann ist das auch nicht gut für uns in Ham- burg. Deshalb müssen wir im- mer auch das „große Ganze“ im Blick haben. 3 Wie bereiten Sie und die Landesvertretung Ham- burgs in Brüssel sich auf die deutsche Ratspräsidentschaft vor? Bund und Länder haben hier- für eine gemeinsame Arbeits- gruppe eingerichtet und auch in Brüssel stimmen sich die Länderbüros bereits jetzt eng mit der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutsch- land ab. Natürlich gibt es auch viele persönliche Kontakte. Die Vorbereitungen erstrecken sich auf organisatorische Fra- gen, wie die Unterstützung des Bundes durch die Abord- nung von Personal, die ge- meinsame Ausrichtung von informellen Ratssitzungen und weiteren Veranstaltun- gen in den Ländern. Darüber hinaus wollen wir die Ratsprä- sidentschaft natürlich auch für europapolitische Öffent- lichkeitsarbeit in Hamburg nutzen. Die Länder beteiligen sich aber auch an den inhaltlichen Vor- bereitungen: So hat Hamburg im Rahmen der Ministerpräsi- dentenkonferenz die Themen mit herausgearbeitet, die aus Sicht der Länder während der Ratspräsidentschaft mit Priori- tät behandelt werden sollen. Dies sind zum Beispiel Europa der Regionen, klimaneutrale EU, Stärkung der städtischen Dimension in der EU sowie Wissenschaft, Forschung und Innovation. Das vollständige Interview in den dbb Europathemen: https://bit.ly/387FsgM ? ? ? drei fragen an ... << Almut Möller ist seit Oktober 2019 Bevollmächtigte der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund, bei der Europäischen Union und für Auswärtige Angelegenheiten. © Senatskanzlei Hamburg 31 dbb > dbb magazin | März 2020

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