dbb magazin 12/2019

interview Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Ein guter Rechtsstaat muss effektiv sein dbb magazin Künftig sollen Betreiber von Online-Plattformen strafbare Inhalte an eine neue Zentrale beim Bundeskriminalamt mel- den, die dann die Ermittlungen führt. Außerdem wollen Sie etwa das Waffenrecht verschär- fen, die Straftatbestände für Verleumdung und Beleidigung ausweiten und mehr Schwer- punkt-Staatsanwaltschaften in den Ländern einrichten. Wo soll das erforderliche Personal bei Polizei, Justiz und Verfassungs- schutz für die zusätzlichen Auf- gaben eigentlich herkommen? Christine Lambrecht Im Januar 2019 haben Bund und Länder den „Pakt für den Rechtsstaat“ geschlossen. Die Länder haben sich verpflichtet, im Zeitraum 2017 bis 2021 ins­ gesamt 2000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte zu schaffen und zu besetzen – zu­ züglich des Personals für den nicht richterlichen und nicht staatsanwaltlichen Bereich, denn auch die Geschäftsstellen an den Gerichten sind häufig überlastet. Der Bund stellt den Ländern dazu einmalig Mittel in Höhe von 220 Millionen Euro zur Verfügung. Nachdem die Länder dargelegt haben, dass sie die erste Hälfte der verein­ barten neuen Stellen geschaf­ fen haben, konnte die erste Tranche in Höhe von 110 Milli­ onen Euro auf den Weg ge­ bracht werden. Der Pakt für den Rechtsstaat ist ein wichtiges gemeinsames Signal von Bund und Ländern, die Justiz insbesondere in per­ soneller Hinsicht zu stärken. Ich bin zuversichtlich, dass die neuen Stellen ihre Wirkung er­ zielen werden. Die Länder blei­ ben jedoch gefordert, die Ent­ wicklung an den Gerichten und in den Staatsanwaltschaften zu beobachten und darauf an­ gemessen zu reagieren. Schon heute herrscht in vielen Justizbereichen personell „Land unter“. Neben fehlenden Rich- terinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staats- anwälten müssen hier beispiels- weise die Rechtspflege und der Justizvollzug genannt werden. Wie kann der Bund den Ländern helfen, um Personalmangel, Arbeitsbelastung und Bearbei- tungszeiten zu senken? Zu einem guten Rechtsstaat gehört, dass er effektiv ist. Straftaten müssen geahndet werden und Bürgerinnen und Bürger müssen ihre zivilrecht­ lichen Ansprüche zügig durch­ setzen können. Bei dem schon angesprochenen „Pakt für den Rechtsstaat“ geht es ummehr als nur zusätzliches Personal. Es geht auch um eine gemein­ same Qualitätsoffensive für die Justiz. Mit der StPO-Reform, die Mitte November vom Bundestag ver­ abschiedet wurde, setzen wir eine weitere wichtige Säule des Pakts um: Wir modernisie­ ren das Strafverfahren und be­ schleunigen Strafprozesse. Bei­ spielsweise ermöglichen wir in umfangreichen Strafverfahren die Bündelung der Interessen­ vertretung mehrerer Neben­ kläger. Missbräuchlich gestellte Beweisanträge können künftig leichter abgelehnt werden und die Ablehnung von Befangen­ heitsanträgen erleichtern wir durch eine neue Fristenrege­ lung. Diese und weitere Maß­ nahmen werden dazu beitra­ gen, dass Strafprozesse künftig effektiver geführt werden kön­ nen. Parallel haben wir ein Reform­ paket umgesetzt, mit dem die Qualität und Effizienz von zivil­ gerichtlichen Verfahren gestei­ gert werden soll. Unter ande­ rem wird die Spezialisierung der Gerichte in Zivilsachen ausge­ baut. Dazu schreiben wir vor, dass bei den Land- und Ober­ landesgerichten auch Spezial­ spruchkörper für Pressesachen, das Erbrecht sowie insolvenz­ rechtliche Streitigkeiten einge­ richtet werden. Weiter wird ge­ regelt, dass Sachverständige künftig auch außerhalb einer © Thomas Köhler/photothek << Christine Lambrecht 4 dbb > dbb magazin | Dezember 2019

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