dbb magazin 12/2019

dossier Kampf gegen Clankriminalität Das Al-Capone-Prinzip Über Jahrzehnte konnten kriminelle Teile ara- bischstämmiger Clans in großen Städten ihre Macht und ihren Einfluss ausbauen. Sie bewoh- nen und beherrschen teilweise ganze Viertel, insbesondere in Berlin, Bremen und den Ruhr- gebietstädten Essen, Duisburg und Gelsenkir- chen. Es gibt kaum eine schwere Straftat, die noch nicht von Clanmitgliedern verübt wurde. Jahrzehntelang sah die Politik weg, unter- schätzte das Problem. Nun aber soll sich das ändern: Die Innenminister haben der Clankrimi- nalität den Kampf angesagt. Auf breiter Front gehen Sicherheits-, Ordnungs- und Finanzbe- hörden seit rund einem Jahr konzertiert gegen die organisierten Kriminellen vor – nach dem Al-Capone-Prinzip: Wenn man die Straftäter nicht wegen Mordes drankriegt, dann halt wegen Steuerbetrugs. Ein Samstagabend im Januar. Sie kommen mit über 1000 Einsatzkräften. Flankiert von Zoll, Finanzbehörden, Ord- nungsämtern: Um Punkt 21 Uhr rücken in Bochum, Duisburg, Dortmund, Gelsen- kirchen und Recklinghausen Polizeibeamtinnen und Polizei- beamte zur bislang größten Razzia aus, die es in Nordrhein- Westfalen je gegen kriminelle arabische Clans gab. Ihr Ziel sind Shisha-Bars, Wettbüros, Cafés und Teestuben, sie wer- den Verkehrs- und Personen- kontrollen durchführen. „Diese Nacht hat eine klare Botschaft: Bei uns gilt nicht das Gesetz der Familie, sondern das Ge- setz des Staates“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul, der den Einsatz in mehreren Städten vor Ort verfolgt. „Die Razzia liegt voll auf unserer Null-Toleranz-Linie. Diese ver- folgen wir sehr konsequent und sehr kontinuierlich. Die kri- minellen Clanmitglieder sollen merken, wir lassen sie nicht in Ruhe – zu keiner Zeit und an keinem Ort“, macht Reul un- missverständlich klar. Das be- deutet, dass die Behörden ge- meinsam und kontinuierlich Unruhe stiften bei den organi- sierten Kriminellen. Dass man ihnen ständig das Gefühl ver- mittelt, auf Schritt und Tritt hinter ihnen her zu sein. Ob Vollstreckung von Haft- und Vollzugsbefehlen, Schwarzar- beit, Konzessionsbetrug, Geld- wäsche, Steuerhinterziehung, Drogenbesitz und -handel, Verstöße gegen Waffen-, Nichtraucher- oder Jugend- schutzgesetz, Gewerbeord- nungsverstöße – die Einsatz- kräfte suchen und finden. Und sie nerven so richtig, wie sich zum Beispiel bei einer Ver- kehrskontrolle in Dortmund in dieser Nacht zeigt. In der Brackeler Straße stoppen die Beamten eine Stretchlimousine – natürlich haben sie es heute vor allem auf solche milieuty- pischen Luxuskarossen abgese- hen. Detailliert knöpfen sich die Polizisten das Gefährt und seine 14 Insassen vor. In aller Ruhe stellen sie fest: Die Limo weist erhebliche tech- nische Mängel auf und darf nicht weiterfahren. Der 28-jäh- rige Fahrer darf ein Auto dieser Länge mit so vielen Fahrgästen überhaupt nicht führen. „Also bitte alle aussteigen“, heißt es lapidar, die jungen Leute müs- sen selber sehen, wie sie wei- terkommen. Einsatzleiter Hu- bert Luhmann: „Wir setzen im Kampf gegen Familienclans auf alle gebotenen und rechtlich zur Verfügung stehenden Mit- tel. Wir gehen gegen Straftäter vor, ahnden aber auch jede Ordnungswidrigkeit und jedes steuerrechtliche oder konzessi- onsrechtliche Vergehen.“ Und Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange ergänzt: „Wir las- sen in unseren Städten keine rechtsfreien Räume zu und werden mit dieser dauerhaften Strategie der kleinen, aber wirksamen Nadelstiche nicht nachlassen.“ << Strafverfolgung à la Al Capone Mindestens gepiesackt fühlt sich seit geraumer Zeit auch die kriminelle Clanwelt in Berlin. Vom hiesigen Innensenator An- dreas Geisel ging im Sommer letzten Jahres der zündende Impuls für eine neue Strategie im Kampf gegen die organisier- te Kriminalität aus. Bei der In- nenministerkonferenz in Kiel warb Geisel für ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen gegen die Clankriminalität – eben jene „Strategie der Nadelsti- che“: Eine permanente Präsenz soll die Szene verunsichern, Ziel ist eine Strafverfolgung à la 14 > dbb magazin | Dezember 2019

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