dbb magazin 12/2019

vorgestellt Digitalisierungs-Pilotprojekt der Polizei des Saarlandes „Der reguläre Dienst geht immer vor“ Das Landespolizeipräsidium Saarland gilt bundesweit als eines der Vorreiter in der Digitalisierung der Dienststellen. Beim Besuch des dbb erklären die Verantwortlichen, wie sie das Projekt zum Erfolg geführt haben und welche Hürden dabei imWeg standen. Marc Emde sitzt im Auto und swiped durch sein Smartphone. Soweit nichts ungewöhnliches, sofern der Motor nicht läuft. Doch er nutzt keine herkömm- liche App, die ein Nutzer im freien Handel herunterladen oder kaufen könnte. Denn Marc Emde ist Polizist und führt hier gerade ein Programm vor, mit dem er Personalausweise ein- scannt, um die relevanten In- formationen automatisch ins Polizeisystem zu übertragen. „Dadurch muss ich die Daten nicht erst aufschreiben und im Nachgang auf der Dienst- stelle ins System einpflegen“, beschreibt Emde die Vorteile der neuen Technologie. Emde ist einer der ersten Ein- satzkräfte der Landespolizei im Saarland, die diese und andere neue Apps testen dürfen. „Es erleichtert die Arbeit oft schon extrem“, meint der junge Poli- zist. Ein Beispiel: Bei einem Volksfest etwa wurde ein klei- nes Mädchen vermisst. Die Ein- satzkräfte hatten ein Foto, das sie mit ihrem eigenen Messen- ger „poMMes“ an ihre Kollegen weiterleiten konnten. Im Nu wurde das Mädchen gefunden. „Mit einer herkömmlichen Per- sonenbeschreibung – blond, blauäugig, langhaarig – hätten wir bei so einem Fest viel mehr Aufwand betreiben müssen, um das richtige Mädchen zu finden“, ist sich Emde sicher. Der technologische Fortschritt soll künftig sukzessive die an- deren Einheiten der Landespoli- zei einbeziehen. Dafür ist Mar- kus Detemple zuständig. „Bis Ende 2020 wollen wir den Wach- und Streifendienst fer- tig ausgestattet haben“, so der Leiter der neu geschaffenen Dienststelle „Informationswe- sen der Polizei des Saarlandes“. Das Ziel sei ambitioniert, gibt Detemple zu, denn der Migrati- onsprozess von alten zu neuen Technologien sei gerade beim öffentlichen Dienst ein langer, zäher Prozess. Das Systemmuss immerhin verlässlich sein, darü- ber hinaus müssen die Beschäf- tigten entsprechend geschult werden. „Die neue Technik soll ja auch von allen getragen wer- den“, stellt Detemple fest, „und zu guter Letzt geht der reguläre Dienst immer vor.“ Ausgelöst wurde alles von der Schuldenkrise, erinnert sich Hugo Müller. Als sie nämlich 2011 absehbar war, stand für die saarländische Polizei fest, dass sie zwischen zehn und zwölf Prozent der Kosten ein- sparen musste. „Wir wussten zugleich, dass unsere Aufgaben größer werden“, betont der stellvertretende Leiter des Lan- despolizeipräsidiums. Neue Themen wie etwa die Internet- kriminalität kamen auf die Behörde zu. Es musste also etwas geschehen, um einerseits die Schuldenbrem- se im Jahr 2020 einzuhalten und andererseits alle Aufgaben wei- terhin bewältigen zu können. „Das war die Geburtsstunde für unsere Strukturreform“, erklärt Müller. Zentralisierung der Auf- gaben, projektgetriebenes Ar- beiten und eine konsequente Digitalisierung waren die Stich- worte, die es fortan mit Leben zu füllen galt. „Wir wollten unsere Organisati- on so verändern, dass gerade das Know-how im Informati- onswesen in der saarländischen Polizei zusammengeführt wird“, beschreibt der stellvertretende Behördenleiter die Umstruktu- rierung. Die neu geschaffene IT-Einheit wurde direkt an der Behördenleitung angesiedelt, sie steht nun über allen übrigen Direk tionen. „Uns war bei der Umstruktu- rierung klar“, so Müller, „dass wir uns häufig und dauerhaft gegenseitig informieren müs- sen“. Ohne gemeinsame Pla- nung und verstetigte Kommu- nikation sei ein solches Projekt nicht zu stemmen – dafür sei die Digitalisierung einfach zu interdisziplinär und zu dyna- misch. „Wenn es geeignete technische Hilfsmittel für die Beschäftigten gibt“, betont der Vizepräsident, „können wir nicht sagen, dass wir eine ver- altete Technik jetzt noch wei- ter nutzen – nur, weil wir das einmal beschlossen haben.“ Dies sei auch ein Ansatzpunkt für den dbb, erklärt der Bundes- vorsitzende Ulrich Silberbach beim Besuch. „Heutzutage sind die technischen Entwicklungs- zyklen so kurz“, beschreibt er eine der größten Herausforde- rungen der Digitalisierung: „Wir müssen die Beschäftigten dazu befähigen, Schritt zu halten – und dafür müssen wir sie vor Ausbeutung etwa durch ent- grenztem Arbeiten schützen, sie aber auch fortlaufend schu- len und ihnen Freiräume geben, ihr Wissen anzuwenden.“ dro << dbb Chef Ulrich Silberbach (4. von links) und der Vorsitzende der DPolG Saar, Sascha Alles (ganz links), informierten sich im Landespolizeipräsidium in Saarbrücken über das Digitalisierungs-Pilotprojekt „Mobility“. Ihre Gesprächs- partner (von links, neben Sascha Alles), Farino Crispo (Leiter Fachlichkeit im Projekt), Hugo Müller (stellvertreten- der Behördenleiter), Markus Detemple (Projektleiter) und Marc Emde (Testnutzer im Projekt). © Dirk Guldner (2) 12 dbb > dbb magazin | Dezember 2019

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