dbb magazin 12/2019

nachrichten Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Grundsicherung für Arbeitsuchende Sanktionen teilweise verfassungswidrig Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat über Sanktionen bei der Leis­ tungsgewährung der Grundsicherung für Arbeitsuchende entschieden. Eine Kürzung des Regelsatzes ummehr als 30 Prozent ist demnach nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der dbb begrüßte das Urteil. „Aus unserer Sicht hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentschei­ dung die Balance zwischen Fördern und Fordern wieder­ hergestellt“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 5. November 2019. „Ein völliger Verzicht auf Sanktionen hätte ein falsches Signal gesetzt. Klar war jedoch auch, dass eine Kürzung um bis zu 100 Pro­ zent des Regelsatzes und teil­ weise sogar des Zuschusses zur Krankenversicherung ein Zuviel des Forderns war. Inso­ fern begrüßen wir das Urteil. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Entschei­ dung der Richterinnen und Richter auf das gesamte Sys­ tem der Arbeitsförderung haben wird.“ Die Bundesregierung sei nun aufgefordert, zügig flexiblere Lösungen zu finden, um die Mitwirkungspflicht, die das BVerfG nicht grundsätzlich infrage gestellt hat, einzufor­ dern. Bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes werde es eine Übergangsregelung geben, die individuelle Härte­ fallprüfungen vorgibt. Bereits im Zukunftsdialog „Neue Arbeit – Neue Sicher­ heit“ des Bundesarbeitsminis­ teriums, an dem der dbb im Rahmen von vier Experten­ hearings beteiligt war, wurden zahlreiche Vorschläge zur Opti­ mierung des Systems vorge­ bracht. Der dbb unterstützt beispielsweise die Einräumung einer Karenzzeit beim Über­ gang vom Leistungsbezug der Arbeitslosenversicherung in die Grundsicherung, in der auf eine Überprüfung der Ange­ messenheit des Wohnraumes verzichtet werden soll. Auch die Herausnahme der Kosten der Unterkunft und der Kran­ kenkassenzuschüsse von Sank­ tionen wird vom dbb befür­ wortet. Silberbach: „Wir sollten verhin­ dern, dass die Diskussion über die Notwendigkeit von Sankti­ onen dazu genutzt wird, ein insgesamt erfolgreiches Sys­ tem infrage zu stellen. Letzt­ lich werden in nicht einmal fünf Prozent aller Fälle Sanktio­ nen verhängt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Leistungsbezieher aktiv an der eigenen Re-Integration in den Arbeitsmarkt mitarbeitet und dass die Sanktionsent­ scheidungen nicht, wie häufig suggeriert, Ergebnis von Will­ kür und Hilflosigkeit der Be­ schäftigten in den Jobcentern ist. Sie machen einen schwieri­ gen Job und werden häufig an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht. Hier ist es unsere Aufgabe als dbb, uns schüt­ zend vor die Beschäftigten zu stellen, denn die nun vom Bun­ desverfassungsgericht vorge­ gebenen Einzelfallprüfungen bei drohenden Härtefällen sind derzeit natürlich noch nicht mit entsprechendem Personal unterlegt.“ Der dbb sehe in dem Grund­ satzurteil die Chance, nicht nur das „Fordern“, sondern auch das „Fördern“ neu zu regeln. Dialogforum des Bundesverwaltungsamtes Menschen bei Digitalisierung in den Mittelpunkt stellen Der Erfolg der digitalen Transformation des öffent­ lichen Dienstes hängt davon ab, wie die Beschäf­ tigten in den Prozess eingebunden werden. Das hat der Zweite Vorsitzende und Fachvorstand Be­ amtenpolitik des dbb, Friedhelm Schäfer, betont. „Die Mitarbeiterinnen und Mit­ arbeiter bringen in ihrem jewei­ ligen Gebiet nicht nur das uner­ setzbare fachliche Know-how mit. Sie werden Arbeitgebern und Dienstherrn aufgrund ihrer Praxiserfahrung auch die mög­ lichen Probleme einer Entgren­ zung zwischen Arbeits- und Berufsleben durch die Digitali­ sierung aufzeigen. Als Stichwort sei hier nur ‚ständige Erreich­ barkeit‘ genannt“, sagte Schä­ fer bei einer Podiumsdiskussion auf dem „Dialogforum Organi­ sation und Innovation“ des Bun­ desverwaltungsamtes (BVA) am 13. November 2019 in Berlin. Wer in der Verwaltungspraxis eine „neue“ Kultur implemen­ tieren wolle, sei zudem gut be­ raten, die Interessenvertretun­ gen der Beschäftigten nicht als Hemmschuh zu betrachten: „Um Kommunikationsstörun­ gen, die den Transformations­ prozess verlangsamen oder sogar zum Stillstand bringen könnten, zu vermeiden, sollten die Personal- und Betriebsräte von Beginn eingebunden und von Arbeitgeberseite umfas­ send über die angedachten Umsetzungswege und die Ziele informiert werden“, so Schäfer weiter. © Colourbox.de © Colourbox.de/Alexandr 10 dbb > dbb magazin | Dezember 2019

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